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Wirtschaft: Falsche Töne

Musikfans lieben preiswerte russische Internet-Plattformen – zum Ärger der Phonoindustrie

Von Vauhini Vara Wayne Fry zahlt gern einen Dollar für das Herunterladen von Musik, solange er ein komplettes Album erhält. Das war nicht immer so. Bis zum vergangenen Jahr hat der 29jährige Programmierer aus Dallas keinen Penny gezahlt. Die beliebte Online-Musiktauschbörse Kazaa machte es möglich. Aber Fry hatte bei der Nutzung des Internetprogramms zuletzt ein schlechtes Gefühl.

Die Musikindustrie geht seit einiger Zeit rechtlich gegen Nutzer von Kazaa und ähnlichen Musikplattformen vor. Der Vorwurf: die illegale Verbreitung urheberrechtlich geschützter Musik. Der Programmierer Fry wechselte daher zu einem Internetdienst, der ihm legaler erschien: der russischen Website AllofMP3.com. Die wirbt damit, dass man dort Musik für nur fünf US-Cent pro Stück legal herunterladen könne. Damit ist der russische Online-Musikshop sehr viel preiswerter als etwa der iTunes Music Store von Apple, der 99 Cent pro Song nimmt.

Russische Musik-Websites wie MP3search.ru oder 3MP3.ru erfreuen sich großer Beliebtheit bei Musikfans, die für wenig Geld Songs aus dem Internet herunterladen möchten. Sie bieten eine breite Auswahl von Musik, eine englische Version mit Preisen in Dollar, Downloads in hoher Qualität, eine uneingeschränkte Verwendung der Musikstücke – und sie sind extrem preiswert. Fast alle Song kostet maximal zehn Cent, ein komplettes Album ist schon für rund einen Dollar zu haben. Die Websites weisen in der Regel darauf hin, dass sie mit dem Urheberrecht konform sind. Und raten gleichzeitig nicht- russischen Kunden, sich über die Gesetzeslage in ihrer Heimat zu informieren.

Rechtsanwälte sind der Auffassung, dass es ebenso illegal ist, sich kostenpflichtig Musik von russischen Websites herunterzuladen, wie der kostenlose Download über Filesharing-Netzwerke wie Kazaa. „Es tut nichts zur Sache, ob jemand denkt, er handle beim Musik-Herunterladen legal, weil die Site das behauptet“, sagt Evan Cox, ein Anwalt für Urheberrecht von der Sozietät Covington & Burling in San Francisco.

Nicht nur Rechtsanwälte, auch Verbraucher haben gegenüber den russischen Musikseiten ihre Vorbehalte – allerdings aus anderen Gründen: Einige Kunden klagen in Chatrooms über unvollständige Alben, schlechten Kundendienst und langsames Herunterladen. Ein Nutzer äußerte in der iPod-Lounge Bedenken, einem russischen Unternehmen seine Kreditkartennummer anzuvertrauen. Bei einer Reihe der Sites, darunter auch AllofMP3.com, müssen sich die User registrieren und ein Konto anlegen, bevor sie Musik kaufen können. Wer sich beschweren will, hat schlechte Karten.

Die Betreiber der russischen Musikseiten sind schwer zu kontaktieren. So blieb eine E-Mail, die das „Wall Street Journal“ für die Recherche dieses Artikels an die angegebene Kontaktadresse von 3MP3.ru schickte, unbeantwortet. Bei MP3search.ru wurde auf eine E-Mail zwar reagiert. Ein Mitarbeiter meldete sich und kündigte an, ein Kollege werde anrufen, um Fragen zu beantworten. Doch dieser meldete sich nie; daran änderten auch weitere E-Mails nichts. Bei AllofMP3.com war der Sprecher Vadim Medvedev immerhin bereit, Fragen per Mail zu beantworten, wenn auch nicht am Telefon. Er erklärte, die Site richte sich an russischsprachige User in und außerhalb Russlands. Die Website sei nur deshalb rein englischsprachig, damit sie auf Computern im Ausland leichter zugänglich sei.

Unterdessen hat der Internationale Verband der phonographischen Industrie den russischen Musikseiten bereits mit rechtlichen Schritten gedroht. Die Musikpiraterie sei in Russland gewaltig und werde nur von China übertroffen, heißt es beim Verband. „Es ist, als ob man Louis Vuitton an einer Straßenecke in Südkorea kaufe“, sagt Richard Wolpert, der beim US-Telekommunikationsausrüster RealNetworks für die Strategie zuständig ist. Er sagt, dass für ein Unternehmen das Kundenvertrauen ebenso wichtig sei wie die Angebotspalette.

Eindeutig liegt der Fall auch für die Vereinigung für geistige Urheberrechte (Coalition for Intellectual Property Rights) aus Washington: „In Russland gelten die gleichen Gesetze wie im Rest der Welt“, sagt Peter Necarsulmer, Präsident des Verbandes, der sich für die Einhaltung des geistigen Urheberschutzes in Russland einsetzt. „Darum ist es natürlich illegal, wenn man Musik auf eine Website stellt, ohne die Einwilligung des Urhebers zu haben.“

Übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Banda Aceh), Karen Wientgen (Online- Musik), Matthias Petermann (Dänemark), Christian Frobenius (Chirac), Svenja Weidenfeld (Fahrenheit 09/11)

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