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Wirtschaft: „Familie ist keine reine Frauensache“

Wirtschaftssenator Wolf besuchte drei Berliner Firmen, die Mitarbeiter mit Kindern fördern

Berlin - Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen ist keine Frage der Gesetzgebung. Darüber waren sich die Chefs der drei Berliner Firmen einig, die dem Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) am Freitag bei einem Rundgang durch ihre Betriebe erklärten, wie es ihnen gelungen ist, ihren Mitarbeitern einen familienfreundlichen Arbeitsplatz zu bieten.

„Wir richten uns eigentlich nicht nach gesetzlichen Vorgaben, sondern besprechen mit unseren Mitarbeitern, wie viele Stunden sie pro Woche arbeiten können, ob sie an bestimmten Tagen wegen der Kinder später kommen oder früher gehen müssen – und, ob es Möglichkeiten gibt, von zu Hause aus zu arbeiten“, sagte Anne Keding. Sie leitet gemeinsam mit ihrem Bruder den Berliner Baustoffhandel Kapella mit 170 Mitarbeitern. In ihrem Unternehmen haben die Arbeitnehmer Jahresarbeitszeitkonten, können Sonderurlaub nehmen, wenn die Kinder krank sind und sogar ein Sabbatical-Jahr in Anspruch nehmen. „Je nachdem, wie alt die Kinder sind und wie viel Nachwuchs jemand hat, können wir flexible Angebote machen“, sagt Keding, selbst Mutter zweier Kinder.

Auch in dem IT-Unternehmen Stream – ein Callcenter, dass den Kundenservice für elektrische Geräte, wie Computer, Kameras oder Handy abwickelt – gibt es Jahresarbeitszeitkonten mit einer Gleitzeitregelung. Und wenn einmal der Babysitter absagt oder der Kindergarten wegen der Windpocken geschlossen hat, „stellen wir einen Raum zur Verfügung, in dem die Kinder spielen können,“ sagt Stream-Geschäftsführer Thomas Neuschäfer. Unter seinen 198 Mitarbeitern sind 41 Frauen. „Das ist überdurchschnittlich viel für ein so techniklastiges IT-Unternehmen,“ sagte Neuschäfer. Auch ihn interessieren die staatlichen Vorgaben dabei wenig. „Wichtig ist die zwischenmenschliche Kommunikation“, sagt er. „Die meisten Probleme können wir ganz einfach lösen, in dem wir uns absprechen.“ So springen bei Stream Kollegen für andere ein, die einmal spontan wegen eines krankes Kindes nach Hause müssen oder genau in den Schulferien Urlaub nehmen wollen.

Bei der kleinen, selbst verwalteten Druckerei Oktoberdruck mit 24 festen Mitarbeitern arbeiten zwar nur neun Frauen - drei davon allerdings in Führungspositionen. „Das ist nicht das Ergebnis irgendwelcher Quotenregelungen, sondern hat sich einfach so ergeben,“ sagte Martina Fuchs-Buschbeck. Sie wurde Geschäfsführerin des Betriebs, obwohl sie wegen der eigenen Kinder nur teilzeitbeschäftigt war. Die Gleichstellungsgesetzgebung – auch mit Quoten – hält Fuchs-Buschbeck allerdings in großen Betrieben als Übergangslösung für sinnvoll. „Die Gesellschaft braucht eine gewisse Zeit, um neue Regeln einzuüben“, sagte auch Wirtschaftssenator Wolf. Erst wenn die Gleichberechtigung sich in Betrieben und der Gesellschaft insgesamt etabliert habe, könne man auf solche gesetzlichen Regelungen verzichten.

Die Inhaber oder Geschäftsführer der drei positiven Beispielunternehmen fordern aber auch von ihrem Mitarbeiten viel Eigeninitiative. „Mütter und Väter sollten ihre Bedürfnisse oder Probleme, die sich aus der Familie ergeben, offen ansprechen“, sagte Kapella-Geschäftsführerin Keding. Es sei für niemanden sinnvoll, wenn am Ende dabei herauskommt, dass Eltern sich heimlich aus dem Büro entfernen müssen, weil ihre Kinder zum Arzt müssen oder eine Schulaufführung haben.

Außerdem beträfe die Kinderbetreuung nicht nur Frauen. „Wir müssen als Unternehmen und als Gesellschaft gemeinsam daran arbeiten, dass in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden“, sagte Keding.

Lisa Garn, Dagny Lüdemann

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