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Arbeitsteilung. Anouk Heimrod erkundet das firmeneigene Eltern-Kind-Zimmer des Zehlendorfer Analysegeräte-Herstellers Knauer, ihre Mutter Stefanie widmet sich derweil dem nächsten Projekt.

© Thilo Rückeis

Familie und Beruf: Zwischen Meeting und Kuscheltier

Mitarbeitern ist Flexibilität oft ebenso wichtig wie das Gehalt. Familie und Beruf vereinbaren zu können zahlt sich aus – in vielen Betrieben hat ein Umdenken eingesetzt.

Berlin - Während Stefanie Heimrod den Computer hochfährt, breitet ihre Tochter Anouk auf dem Teppich ein Puzzle aus. Für die Mutter ist es selbstverständlich, dass sie die Vierjährige im Notfall mit ins Büro bringen kann. Ihr Arbeitgeber, das Unternehmen Wissenschaftliche Gerätebau Dr. Knauer in Zehlendorf, hat dafür eigens einen Kinderraum eingerichtet. Dort stehen bunte Kinderstühle und Sitzsäcke, in einem Regal stapeln sich Spiele und Plüschtiere. Für die arbeitenden Eltern steht auf einem Schreibtisch ein Laptop parat. „Das ist schon eine große Erleichterung“, sagt Heimrod. Wenn sie selber einen Termin hat, passen die Kollegen auf Anouk auf – in ihrer Arbeitszeit.

Wie die Firma Knauer haben die meisten Unternehmen mittlerweile begriffen, dass sie am Thema Familienfreundlichkeit kaum noch vorbeikommen. Laut einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) bieten fast 96 Prozent der deutschen Unternehmen mindestens eine Maßnahme an, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern – jedes zehnte Unternehmen hat sogar 13 oder mehr Maßnahmen. Denn das spielt im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte eine immer größere Rolle. „Für viele Bewerber sind familienfreundliche Maßnahmen bereits jetzt mindestens genauso wichtig wie die Höhe des Gehalts“, sagt Dirk Haushalter vom Automobilzulieferer Bosch. Das Unternehmen bietet Belegplätze in Kindergärten an, hilft bei der Babysitter-Suche und schreibt einen Großteil der freien Stellen gleichzeitig als Vollzeit- und Teilzeitstellen aus.

Auch Geschäftsführerin Alexandra Knauer weiß, dass sich Familienfreundlichkeit auszahlt. „Als mittelständisches Unternehmen haben wir am Markt nur eine Chance, wenn sich unsere Mitarbeiter bei uns wohlfühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren“, sagt sie. Im vergangenen Jahr hat Knauer den Wettbewerb „Unternehmen für Familie“ gewonnen, bei dem die drei familienfreundlichsten Unternehmen Berlins ausgezeichnet wurden. Für jedes Kind zahlt das Unternehmen zum Beispiel ein Begrüßungsgeld von 315 Euro. Und auch bei den Arbeitszeiten haben die Mitarbeiter Spielraum. „Wenn ich unter der Woche mal nicht kommen kann, arbeite ich von zuhause oder hole die Stunden am Wochenende nach“, sagt Mutter Stefanie Heimrod. Als Beauftragte für das Qualitäts- und Umweltmanagement arbeitet sie bei Knauer in leitender Position.

Es gibt viele verschiedene Maßnahmen, mit denen Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern können. Viel getan wird bereits jetzt im Bereich der Kinderbetreuung. Den IW-Zahlen zufolge engagieren sich hier knapp zwei Drittel der Unternehmen. Größere Industriebetriebe haben oft betriebseigene Kindertagesstätten. Der Autobauer Daimler betreibt bereits neun betriebsnahe Kinderkrippen. Bis 2012 sollen noch fünf weitere hinzukommen.

Arbeiten an einem Standort zu wenige Mitarbeiter oder ist die Firma für eine eigene Kita zu klein, können die Unternehmen auch mit einem externen Anbieter kooperieren. Einer davon ist die Fröbel Gruppe, die in Berlin 20 Kindergärten betreibt. Gegen einen finanziellen Beitrag der Unternehmen werden in den Kindergärten Plätze für Kinder der Mitarbeiter reserviert. Am Potsdamer Platz betreut der Verein zum Beispiel Kinder der Mitarbeiter von Sony, Pfizer, Toll Collect, Daimler, Sanofi Aventis und N24. Auch Mittelständler nutzen dieses Modell. Im Industriegebiet Motzener Straße in Marienfelde betreibt die gemeinnützige Gesellschaft Kaengoo auf Initiative von rund 50 mittelständischen Unternehmen eine Kita für Mitarbeiterkinder. Die Öffnungszeiten sind arbeitgeberfreundlich, von sechs bis 21 Uhr ist die Kita geöffnet.

Auch flexible Arbeitszeiten verspricht mittlerweile fast jeder Arbeitgeber seinen Mitarbeitern. So bieten laut IW-Zahlen fast 80 Prozent der deutschen Unternehmen ihren Mitarbeitern an, in Teilzeit zu arbeiten. Nachholbedarf haben die deutschen Unternehmen laut IW-Expertin Flüter-Hoffmann vor allem noch bei der Telearbeit, durch die die Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten können. Sie werde bislang nur von 22 Prozent der Unternehmen angeboten. „Dabei gibt es in den meisten Unternehmen Bereiche, die man auch von zuhause erledigen kann“, sagt sie.

Wenn Unternehmen flexible Arbeitszeiten anbieten, heißt das aber noch lange nicht, dass die Mitarbeiter sie auch nutzen. Wie eine Umfrage der Unternehmensberatung Bain and Company zeigt, sind in den Industriestaaten zwar 94 Prozent der Frauen und 78 Prozent der Männer an flexiblen Arbeitszeiten interessiert. Genutzt werden sie demnach dagegen nur von 46 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Männer. Viele Mitarbeiter hätten Angst, dass ihre Karriere leiden könnte. Ein Grund sei, dass Vorbildern in der Führungsriege fehlten. „Wir brauchen Erfolgsgeschichten, also prominente Beispiele aus dem Unternehmen, die flexibel arbeiten und dennoch Karriere machen“, sagt Gunther Schwarz, Partner bei dem Beratungsunternehmen.

In der Firma Knauer gibt es diese Vorbilder. Beide Geschäftsführer des Unternehmens, Alexandra Knauer und Alexander Bünz, haben Kinder im Alter zwischen acht und zehn Jahren. Auch sie bringen ihren Nachwuchs schon mal mit ins Büro. Und um als gutes Beispiel für die Mitarbeiter voranzugehen, verbringen auch Knauer und Bünz ab und an Zeit im Kinderzimmer und passen auf die Kinder der Angestellten auf.

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