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Wirtschaft: Fernsehzuschauer sollen für Fußball zahlen

Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young über die Finanzierung der Klubs plädiert für mehr Pay-TV und Spiele am Freitag

Berlin - Der deutsche Fernsehfußballfan ist „verwöhnt“ und lebt derzeit „in paradiesischen Zuständen“. Zu dieser Einschätzung kommt jedenfalls die Beratungsfirma Ernst&Young in einer Studie über die Finanzierung von deutschen Fußballklubs. Anders als in den meisten Nachbarländern spielt Fußball im deutschen Bezahlfernsehen keine große Rolle. Weil das so ist, sind die TV-Rechte weniger wert und fließt im Ergebnis den deutschen Vereinen weniger Geld zu. „International droht die Bundesliga daher ins finanzielle Hintertreffen zu geraten“, heißt es in der am Montag vorgelegten Studie. In der Bundesrepublik sind die TV-Verwertungsrechte für die kommende Saison 295 Millionen Euro wert. Zum Vergleich: Allein die Einnahmen aus dem Pay-TV machen in Frankreich in der Saison gut 500 Millionen Euro aus.

Für die Studie befragten die Wirtschaftsprüfer, die auch Fußballklubs zu ihren Mandanten zählen, im März und April dieses Jahres Manager deutscher Fußballklubs: An der Befragung beteiligten sich fünf Klubs aus der Bundesliga und zwölf Klubs aus der zweiten Bundesliga. Die Spitzenklubs – vor allem Bayern München – werden Ernst&Young zufolge in dem deutschen System benachteiligt, weil über die Verteilung der TV-Gelder „eine gewisse Ausgeglichenheit der Liga sichergestellt werden soll“. Während den Bayern jedes Jahr knapp 20 Millionen Euro aus der TV-Verwertung zufließen, kassiert Juventus Turin fast fünf Mal so viel. Ernst&Young resümiert denn auch die jüngste Studie ganz im Sinne der Bayern: „Die Bundesliga muss sich entscheiden, ob sie am Solidaritätsprinzip festhalten oder die finanzielle Wettbewerbsfähigkeit der Spitzenklubs auf europäischer Bühne erhalten will.“ Ähnlich argumentiert der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, Wolfgang Holzhäuser. „Sollte es uns gelingen, mehr einzunehmen, dann sollte man die Vereine, die international in Konkurrenz stehen, etwas besser bedienen“, sagte er dem Handelsblatt.

Doch deutlich mehr Geld für die Klubs ist nur über Pay-TV möglich. „Den Preis wird der deutsche Fernsehzuschauer auch über eine Änderung der Fernsehgewohnheiten zahlen müssen“, meinen die Wirtschaftsprüfer und halten das durchaus für gerechtfertigt. Denn zum einen ist der hiesige Fußballfreund „durch ein umfangreiches Free-TV-Angebot verwöhnt“. Weil das so ist, hat der Bezahlsender Premiere in den vergangenen Jahren kaum Kundschaft bekommen. Immerhin ist zuletzt die Zahl der Premiere-Kunden auf knapp 3,3 Millionen gestiegen. 70 Prozent dieser Kunden haben einen Zugang zum Sportangebot. Und schließlich habe Premiere im Frühjahr einen ordentlichen Börsengang hingelegt, „der ungefähr 308 Millionen Euro an Liquidität einbrachte“. „Somit ist die nötige Finanzkraft für weitere Rechtekäufe geboten“, heißt es in der Studie.

Die Spielregeln in der Deutschen Fußball-Liga DFL blockieren allerdings die Ausweitung des Pay-TV: Nur zu zwei unterschiedlichen Zeiten (samstags um 15.30 Uhr und sonntags um 17.30 Uhr) wird gespielt und mit 18 Mannschaften ist die Bundesliga kleiner als die meisten anderen europäischen Spielklassen. Als ersten Schritt zu einer höheren Pay- TV-Quote und damit zu mehr Geld schlägt Ernst&Young die Verlegung einiger Spiele auf den Freitag vor. Dadurch könnten mehr Spiele live gezeigt werden „und es ergäbe sich die Möglichkeit, „einen der Tage einem der Pay-TV-Sender exklusiv vorzubehalten“. Ferner regen die Berater die Vorverlegung eines Spiels auf den Sonnabendmittag an; 13 Uhr etwa wäre „die Prime-Time in Asien und somit für die Auslandsvermarktung sehr förderlich“.

In wenigen Wochen beginnt die Ausschreibung für die TV-Rechte an der Bundesligasaison 2006/07. „Der neue TV- Vertrag wird uns wirtschaftlich deutlich besser stellen, als der derzeitige“, sagte Ingo Schiller, Geschäftsführer Finanzen bei Hertha BSC, dem Tagesspiegel. „Das Interesse am Fußball wird unter anderem durch die Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr steigen – und damit auch das Interesse der Medien daran.“

Dass über die Vermarktung der TV-Rechte in Deutschland so hohe Einnahmen erzielt werden können wie in Großbritannien, erwartet Schiller jedoch nicht. Auf dem englischen Markt herrschten andere Verhältnisse, da es auch unter den Bezahlsendern Konkurrenz gebe. Dafür sei Deutschland bei den Sponsoringeinnahmen im europäischen Vergleich vorn.mit HB

Alfons Frese u. Corinna Visser

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