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Wirtschaft: Fiat will raus aus Europa

Marchionne hofft auf den US-Markt.

Berlin - Der Fiat-Chef Sergio Marchionne sieht eine düstere Zukunft für die europäische Autoindustrie. „Unter den heutigen Bedingungen“, sagte er am 5. Juli in Turin, „wird sich der Markt in Europa für mindestens zwei Jahre nicht erholen.“ Die düstere Vorhersage kühlte die Atmosphäre bei der Party für die Markteinführung des neuen 500 L deutlich ab. Doch ausgerechnet die Kombi-Version der Traditionsmarke 500 könnte für den italienischen Autokonzern zum neuen Hoffnungsträger werden. 2013 soll der kleine Kombi „Made in Serbia“ auf den US-Markt kommen.

Seit Jahren versucht der italo-kanadische Manager, die Marke Fiat zum großen Spieler in den USA zu machen. Nun ist dieser Schritt nötiger denn je. Denn davon könnte die Zukunft des Unternehmens abhängen. Der europäische Markt steckt in einer Krise, deren Hauptopfer die italienischen und französischen Autohersteller sind. In Italien liegen die Neuzulassungen bei den Werten von 1979. Der US-Markt ist dagegen im Aufschwung. Davon will Fiat nun profitieren. Die seit 2009 bestehende Allianz mit Chrysler soll dazu dienen, Fiats Präsenz in Übersee zu stärken. Während das Unternehmen in Europa mit der schwindenden Nachfrage kämpft, meldete Chrysler im Juni ein Verkaufsplus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Aber kann „Marchionne, der Amerikaner“ – wie ihn die Gewerkschafter in Italien bereits nennen – der Marke Fiat dazu verhelfen, in den USA anzukommen? Während der jüngsten Vertragsverhandlungen im Januar drohte Marchionne den italienischen Gewerkschaften damit, das Hauptquartier des Konzerns nach Detroit zu verlegen. Das mag eine Provokation gewesen sein, aber der Trend ist eindeutig: Die Mehrheit der neuen Fiat-Modelle wird bereits außerhalb Europas produziert: die zwei Lancia-Modelle Voyager und Thema in Canada, der 500C und der Geländewagen Freemont in Mexiko, der Fiat Palio (für den südamerikanischen Markt) in Brasilien. Während der Konzern in Europa damit beschäftigt ist, Überkapazitäten zu reduzieren, lenkt er immer mehr Investitionen in die USA, nach Brasilien und Russland. Außerdem soll ein wichtiger Teil der Produktion des Alfa Romeo an den neuen chinesischen Standort Changsha verlegt werden.

Was bleibt dann vom einstigen italienischen Industrieimperium übrig? Abgesehen vom Standort Pomigliano, in dem der neue Panda gefertigt wird, sind die vier italienischen Werke der Marke nicht voll ausgelastet. Zwei Produktionslinien sollen bald eingestellt werden. „In Italien gibt es offensichtlich einen Standort zu viel“, machte Marchionne vergangene Woche klar.

Auch die Industriesparte Fiat Industrial sucht inzwischen nach einem Ausstieg aus dem europäischen Markt. Eine mögliche Lösung wäre die Fusion von Fiat Industrial mit dem US-Konzern CNH, an dem Fiat bereits 88 Prozent hält. Die zwei fusionierten Unternehmen sollen künftig ihren gemeinsamen Sitz in Holland haben und an der New Yorker Börse notiert sein. Fabio Ghelli

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