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Wirtschaft: Fidel Castro baut die Super-Kuh

Von Peter Fritsch und Jose de Cordoba, San Jose De Las Lajas, Kuba Fidel Castro bestreitet, dass kubanische Wissenschaftler Biowaffen für die so genannte Achse des Bösen entwickeln. An der Behauptung der USA sei nichts dran.

Von Peter Fritsch

und Jose de Cordoba,

San Jose De Las Lajas, Kuba

Fidel Castro bestreitet, dass kubanische Wissenschaftler Biowaffen für die so genannte Achse des Bösen entwickeln. An der Behauptung der USA sei nichts dran. Doch im Rahmen des „Kampfes der Ideen“ (Castro) mit der kapitalistischen Welt arbeiten seine Wissenschaftler hart an einem Projekt, das - wenn es aufgehen sollte - die Milchviehhalter in Angst versetzen wird.

Die heiligste Kuh des kubanischen Kommunismus ist ein sagenhaftes Tier mit dem n Ubre Blanca (Weißes Euter). Wenn kubanische Genetiker Erfolg haben, könnte die Kuh wieder und immer wieder gemolken werden. Denn: Die Kubaner klonen.

Jahrelang pries Castro Ubre Blanca als Symbol für die Errungenschaften der kubanischen Revolution. Das Tier hält den Weltrekord in der Milchproduktion. An nur einem Tag im Jahr 1982 hätten Bauern 109 Kilo Milch aus den Eutern der Kuh gemolken, sagen kubanische Wissenschaftler. Das ist mehr als das Vierfache, was eine Kuh im Durchschnitt an Milch produziert. Das Euter von Ubre Blanca war durch den Dienst an die Revolution übrigens so groß geworden, dass es auf dem Boden schleifte. Nicht nur die kubanische Kuh fand den Weg ins Guiness-Buch der Rekorde. Auch Castro selbst: Als das am längsten regierende Staatsoberhaupt und mit der längsten Uno-Rede (vier Stunden und 29 Minuten).

Für Kubaner ist frische Milch heutzutage ein seltener und teurer Luxus. Um so mehr weckt Ubre Blanca in ihnen Erinnerungen an bessere Zeiten - an die Zeit vor der so genannten „besonderen Periode". Die besondere Periode war der Zusammenbruch der Sowjetunion, auf den ein gewaltiger wirtschaftlicher Kollaps folgte. Für Kuba war das Verschwinden der Sowjetunion ein besonderes Drama, weil die Russen für Kuba der bedeutendste Wohltäter gewesen waren. Mit großzügigen Subventionen hatte die Sowjetunion die Insel über Wasser gehalten.

Aber zurück in die 80er Jahre. Damals war Ubre Blanca ein Lieblingsthema der kubanischen Medien. Nicht nur das: Sie war auch eine Herausforderung für die Wissenschaftler. In einem chirurgischen Eingriff entnahmen sie Ubre Blanca Eier, befruchteten sie und pflanzten sie anderen Kühen ein. Das Ziel: Die Züchtung von Spitzenkühen. Als die Kuh 1985 starb, wurde sie von der Zeitung der Kommunistischen Partei, Granma, mit einer langatmigen Lobeshymne gewürdigt.

Ihre enormen Milchdrüsen bescherten ihr einen Platz im Pantheon der kubanischen Revolutionshelden. Ganz zu schweigen von einer Ruhestätte mit Air-Condition: Die ausgestopfte Ubre Blanca wurde in einen gekühlten Glaskasten am Eingang des Nationalen Zentrums für die Rindergesundheit gestellt, 16 Kilometer von Havanna entfernt.

Die tote Kuh beschäftigt noch immer die Wissenschaftler. Bevor Ubre Blanca mit Sägemehl gefüllt wurde, hatten ihr Wissenschaftler Gewebeproben entnommen. Die Proben wurden eingefroren, in speziellen Flüssigkeiten konserviert und im Zentrum für Gen- und Biotechnologie in Havanna aufbewahrt. Eine Gruppe von Genetikern arbeitet daran, Ubre Blanca auferstehen zu lassen - als Klon. Doch so schnell, wie die Forscher glauben, wird das Projekt nicht realisiert werden.

Zwar sei Kuba seinem ersten Klonen einer Kuh „sehr, sehr nah“, sagt der Leiter des kubanischen Kuh-Klonen-Projektes, Jose Morales. Doch die Wissenschaftler der Insel wüssten noch nicht, wo sie mit der Duplizierung von Ubre Blanca aus der 17 Jahre lang tiefgekühlten Gewebeprobe anfangen sollten. „Aber es ist gut möglich, dass wir es eines Tages schaffen könnten“, sagt er. Kommandant Castro halte das Projekt für sehr wichtig, fügt der Wissenschaftler bei. Kein Wunder - nur noch kleine Kinder können heute auf Kuba täglich Milch trinken. Mit dem Zerfall der Sowjetunion verschwand auch Tierfutter und Benzin, Dünger und Ersatzteile. Die Folge: Die ohnehin kleine Herde kubanischer Milchkühe ist weiter geschrumpft. Seit 1989 ist die kubanische Milchproduktion um 60 Prozent gesunken, schätzt die Weltbank.

Die Züchtung einer besseren Kuh ist seit langem eine Obsession von Castro. So sagte er 1987 in einer Rede, das sozialistische System werde die Entstehung einer Super-Kuh fördern. Im gleichen Jahr schlug Castro den Wissenschaftlern vor, die Kühe auf die Größe von Hunden schrumpfen zu lassen. Castro habe das Problem der Milchknappheit in den Städten lösen wollen, indem er den Familien Miniaturausgaben von Kühen in die Wohnung stellen wollte, sagt der Molekularbiologe Boris Luis Garcia. Der Wissenschaftler hat drei Jahre im kubanischen Zentrum für Gen- und Biotechnologie gearbeitet und lebt jetzt in Spanien. Die Miniaturtiere sollten auf Gras weiden, das in Schubladen unter dem Licht von Neonlampen wachsen sollte, berichtet Garcia. Aus Castros unkonventionellen Ideen ist nie etwas geworden.

Ubre Blanca ging aus konventionellerem genetischen Herumtüfteln hervor. Schon bald nach der Revolution kam Castro auf die Idee, eine Rasse von Super-Kühen zu züchten. Die Tiere sollten die tropische Hitze besser vertragen und Milch und Fleisch in größeren Mengen und in besserer Qualität liefern. Wissenschaftler zogen Anfang der 70er Jahre mit Ubre Blanca das große Los. Aber dann war auch schon Schluss mit dem großen Sprung Kubas. Die sieben Kälber von Ubre Blanca hatten durchschnittliche Milchdrüsen, sagen Wissenschaftler. Warum? „Die Produktion von Milch hängt von vielen Genen ab, so dass spätere Generationen selten mit ihren Eltern vergleichbar sind“, sagt Fidel Ovidio, der im Zentrum für Gen- und Biotechnologie den Bereich Tier-Biotechnologie leitet. Theoretisch wäre Klonen daher die Lösung des Problems. Auch andere Länder haben erfolgreich eine Kuh geklont - darunter Deutschland, USA und Frankreich.

Bald könnte Kuba zu dem Kreis dazugehören. „Wir stehen vor großen Entwicklungen“, sagt Morales, der Leiter des Kuh-Klonen-Projektes. Die Revolution werde ihre Leute nicht im Stich lassen, meint der Agronom Pastor Ponce vom Nationalen Zentrum für Rindergesundheit. Wird all das eines Tages zum Klonen des 75-jährigen Castro führen? Auf keinen Fall, sagt Carlos Borroto, der Vize-Direktor des Zentrums. „Wir sind moralisch gegen das Klonen von Menschen.“

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