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Mit 78 Jahren. Udo Jürgens tritt immer noch im Bademantel vor großem Publikum auf. Wer sich zur Ruhe setzt, muss trotzdem noch an die Steuer denken. Früher war das anders, deswegen sind viele Rentner überrascht, wenn sie Post vom Finanzamt kriegen.

© picture-alliance / dpa

Finanzamt: Was Rentner beisteuern müssen

Hunderttausende Senioren bekommen Post vom Finanzamt – allein in Berlin 30 000. Die Höhe der Nachzahlungen schwankt stark.

Um ein Thema mussten sich Rentner früher keine Sorgen machen: die Steuer. Das ist heute anders. Die Finanzämter fahnden gezielt nach Senioren, die – aus Unwissenheit oder Absicht – gar keine oder zu geringe Steuern gezahlt haben. Allein in Nordrhein-Westfalen haben die Sachbearbeiter in den Finanzämtern über 100 000 Rentner angeschrieben und sie aufgefordert, für die vergangenen Jahre Steuern nachzuzahlen – plus Zinsen. Auch die Berliner Behörden sind fleißig. „Bisher wurden in rund 30 000 Fällen Berliner Rentnerinnen und Rentner aufgefordert, eine Steuererklärung abzugeben“, sagte Jens Metzger von der Senatsverwaltung für Finanzen dem Tagesspiegel.

Das Erschrecken ist groß. „Viele Rentner kommen mit den Briefen zu uns“, berichtet Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine. Die meisten Senioren verlassen die Beratungsräume der Steuerexperten jedoch deutlich entspannter, als sie sie betreten hatten. „Die Aufregung ist meist umsonst“, berichtet Rauhöft. Die Senatsverwaltung kann das nur bestätigen. Weniger als die Hälfte der angeschriebenen Rentner habe wirklich Steuern nachzahlen müssen, betont Metzger, im Gegenteil: Es habe auch zahlreiche Erstattungen gegeben.

Wer außer seiner gesetzlichen Rente keine weiteren Einkünfte hat, hat derzeit tatsächlich wenig zu befürchten. „Wer schon seit 2005 oder früher Rente bezieht, hat bis zu einer jährlichen Bruttorente von etwa 19 000 Euro in der Regel nichts mit dem Finanzamt zu tun“, weiß Wolfgang Wawro, Sprecher des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg, „bei Rentner-Ehegatten gilt das Doppelte.“ Denn von der Bruttorente kann man allerlei abziehen (siehe Kasten). Das, was am Ende übrig bleibt, fällt dann meist unter den steuerlichen Grundfreibetrag. Der lag von 2005 bis 2008 bei 7664 Euro, stieg 2009 auf 7834 Euro und von 2010 bis 2012 betrug er 8004 Euro, bei Verheirateten jeweils das Doppelte. Diese Summen blieben und bleiben vom Zugriff des Fiskus verschont.

Doch die Zahl der Rentner, die Steuern zahlen müssen, steigt. Das hat zwei Gründe: Je später man in Rente geht, desto höher ist der Anteil der Rente, den man versteuern muss (siehe Tabelle). Hinzu kommt: „Rentenerhöhungen sind voll steuerpflichtig“, warnt Rauhöft. „Die Rentner rutschen stückchenweise in die Besteuerung.“ Das heißt, selbst wer früher keine Steuern zahlen musste, ist nach einigen Rentenerhöhungen heute möglicherweise doch steuerpflichtig und muss auf der Hut sein. In Berlin führt die Senatsverwaltung einen stetigen Abgleich durch, betont Metzger.

Eine neue Studie aus dem Bundesinnenministerium verdeutlicht das Problem. 2004 verlangten die Finanzämter von gerade einmal 7720 „Nur-Rentenbeziehern“ Steuern, 2008 – neuere Daten gibt es nicht – wurden bereits über 61 000 Menschen, die außer ihrer Rente keine weiteren Einnahmen hatten, vom Fiskus zur Kasse gebeten. Mit 41 Euro im Schnitt fielen die Nachforderungen allerdings bescheiden aus.

Deutlich schwerwiegender ist dagegen die Entwicklung bei Senioren, die neben der Rente weitere Einkünfte aus Betriebsrenten, Lebensversicherungen, Versorgungswerken haben, jobben, Zinsen oder andere Früchte aus ihrem Kapitalvermögen ernten oder Immobilien vermieten. Hier hat sich die Zahl der Steuerpflichtigen von 2004 bis 2008 um über 1,7 Millionen Fälle erhöht. Die Höhe der Steuerschuld schwankte dabei ganz beträchtlich: Bei Steuerpflichtigen, deren Einnahmen noch immer überwiegend von der gesetzlichen Rentenversicherung gespeist worden sind, waren es im Schnitt 200 Euro im Jahr 2008. Steuerpflichtige Senioren, die aus anderen Quellen beträchtliche Einnahmen haben, zahlten knapp 4500 Euro.

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