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Naturkatastrophen, im Bild Pakistan, häufen sich. Die Versicherer reagieren.

© dpa

Finanzbranche: Gegen die Katastrophe anlegen

Die Finanzbranche stellt sich mit neuen Produkten auf mehr Flutwellen, Hurrikane oder Erdbeben ein. Mit Katastrophenanleihen reagiert sie auf den Klimawandel.

Berlin - Wenn die Hurrikan-Saison beginnt, zittern nicht nur die Hausbesitzer und Farmer. Auch an der Wall Street verfolgt man gebannt, wie sich der Sturm über dem Meer zusammenbraut. Schlägt der Hurrican in North Carolina zu, können einige Hedge-Fonds-Manager auf einen Schlag mehrere Millionen Dollar verlieren. Dreht er nach South Carolina oder Florida ab, kassieren sie eine satte Rendite. Den Schaden haben die Kollegen, die auf den Nachbarstaat gewettet hatten.

Katastrophenanleihen, kurz: Cat- Bonds, sind die Antwort der Finanzbranche auf den Klimawandel. Die wachsende Zahl von Wirbelstürmen, Flutwellen oder Erdbeben bringt nicht nur menschliches Leid, sondern auch verheerende finanzielle Folgen mit sich. Immer mehr Unternehmen, Staaten und Versicherungen geben dieses Risiko mithilfe von Cat-Bonds oder ähnlichen Instrumenten an den Kapitalmarkt weiter. Nach Berechnungen der Swiss Re lag das Volumen allein der Cat-Bonds im Jahr 2009 bei 14 bis 15 Milliarden Dollar.

„In den letzten drei Jahren ist das von Munich Re für Kunden verbriefte Volumen stark angewachsen“, sagt Rupert Flatscher, Leiter der Risk Trading Unit von Munich Re. Über Zweckgesellschaften bringt der weltweit größte Rückversicherer Katastrophenrisiken für seine Kunden auf den Markt. 2005, das Jahr, in dem Katrina New Orleans dem Erdboden gleichmachte, hat die Versicherungswirtschaft weltweit 120 Milliarden US-Dollar aufgrund von Katastrophenschäden verloren. Diese sogenannten „Spitzenrisiken“ verteilt sie darum gerne in attraktive Häppchen verpackt an die renditehungrigen Finanzinvestoren.

Katastrophenanleihen funktionieren in der Regel so: Firmen, Staaten oder Versicherungen übergeben ihr Risiko an eine Zweckgesellschaft. Das US-Energieunternehmen Dominion Resources etwa hat 2006 seine Ölplattformen am Kapitalmarkt mit 50 Millionen Dollar gegen Hurrikanschäden abgesichert. Der mexikanische Staat versicherte sich im selben Jahr über den Naturkatastrophenfonds gegen Erdbebenrisiken in Höhe von 160 Millionen Dollar. Auch die Allianz nutzt vermehrt Kapitalmarktprodukte, um sich bei besonders riskanten Kunden rückzuversichern. Deutschlands größte Versicherung hat aktuell drei Katastrophenanleihen mit einem Gesamtvolumen von knapp 600 Millionen Dollar aufgelegt.

Die Zweckgesellschaften verpacken diese Summe in einzelne Anleihen und verkaufen sie an Investoren. Der Investor erhält dafür eine jährliche marktübliche Verzinsung zwischen ein oder zwei Prozent. Richtig attraktiv wird das Investment durch die Risikoprämie. Laut einer Studie der DB Research liegt die durchschnittliche Risikoprämie eines Cat- Bonds bei sechs bis zehn Prozent. Je nach Risiko kann sie bis zu 20 Prozent betragen. Nach Berechnungen von AON Benfield betrug die durchschnittliche Cat- Bond-Rendite im Jahr 2009 elf Prozent.

Geht alles gut, verdient der Investor also sehr viel Geld. Tritt die Katastrophe ein, verliert er unter Umständen alles. Das Risiko sei hoch, aber überschaubar, meint Munich-Re-Experte Flatscher. Bislang seien kaum Katastrophenbonds nach einer Katastrophe gezogen worden, so dass die Investoren wirklich ihr Geld verloren haben. Katastrophenrisiken seien in der Regel Ereignisse, die rechnerisch nur alle 50 bis 100 Jahre auftreten.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Finanzprodukten sei das Risiko einer Katastrophenanleihe für die Investoren nur sehr schwer abzuschätzen, sagt Christian Weistroffer, Autor der DB-Research-Studie. Für Konjunkturverläufe und Marktchancen analysieren die Statistiker unendlich viele Basisdaten. Ein Hurrikan aber hält sich nicht an die Statistik. Auch der wirtschaftliche Schaden, den er anrichtet, ist objektiv schwer zu messen. Der Versicherte wird sie in der Regel möglichst hoch ansetzen.

Weil das Risiko so undurchschaubar ist, werden die Katastrophenanleihen in der Regel nur von Profis gekauft, Hedge- Fonds zum Beispiel, die sich auf Versicherungsrisiken spezialisiert haben. Auch die Versicherungen selbst gehören zu den Anlegern, einer der größten weltweit ist die Munich Re. Cat-Bonds seien eine gute Möglichkeit, Risiko zu streuen, sagt Munich-Re-Experte Flatscher. „Wenn Aktienkurse fallen, ziehen sie nicht automatisch den Kurs der Katastrophenbonds mit sich, denn die hängen ja von Naturereignissen ab.“ Miriam Schröder

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