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Anlegerfrage: Verletzt das Enteignungsgesetz Aktionärsrechte?

Die Bundesregierung hat ein Enteignungsgesetz gebilligt. Damit soll es dem Staat erleichtert werden, die Kontrolle über Finanzinstitute wie den in Not geratenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate zu erlangen. Werden damit Aktionärsrechte verletzt? Klaus Schneider Vorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger antwortet.

Wegen der dramatischen Lage bei der Hypo Real Estate wird seit Wochen über einen Einstieg des Staates bei der Bank diskutiert. Dabei schließt die Bundesregierung als letztes Mittel eine Enteignung der Aktionäre nicht aus. Dies wäre aber ein gravierender Eingriff nicht nur in die Aktionärsrechte, sondern generell in die grundgesetzlich garantierten Eigentumsrechte und zudem ein ordnungspolitischer Sündenfall.

Dabei ist dieser gravierende Eingriff nicht erforderlich, um dem Staat die Kontrolle über in Not geratene Banken – möglicherweise nicht nur der HRE – zu ermöglichen. Vielmehr eröffnet bereits das Finanzmarktstabilisierungsgesetz die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung um bis zu 50 Prozent, bei der die anderen Aktionäre kein Bezugsrecht haben. Damit käme der Bund zwar erst auf eine Beteiligung von 33,3 Prozent, dürfte aber angesichts der üblichen Hauptversammlungspräsenzen keine Schwierigkeiten haben, mit diesem Anteil die Hauptversammlungsmehrheit zu erreichen und somit beherrschenden Einfluss auszuüben.

Für eine satzungsändernde Mehrheit – die etwa für weitere Kapitalerhöhungen erforderlich ist – werden jedoch 75 Prozent benötigt. Somit müsste der Staat weitere Aktionäre von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer weiteren Kapitalerhöhung (bei der zu den ausgerufenen Konditionen dann allen Aktionären ein Bezugsrecht zusteht) überzeugen. Das ist natürlich ein Risiko, aber wenn der Staat nicht einmal die Aktionäre, die ja ein ureigenes Interesse am Überleben ihres Unternehmens haben, überzeugen kann, wie will er dies dann gegenüber dem Steuerzahler rechtfertigen? Und wenn dann nach beschlossener Kapitalerhöhung Aktionäre tatsächlich von ihrem Bezugsrecht Gebrauch machen, müsste dies dem Staat auch recht sein, da dann ein Teil der Lasten von den Aktionären getragen wird.

Im Übrigen besteht auch heute schon für einen Großaktionär die Möglichkeit, sich seiner Mitaktionäre enteignungsgleich zu entledigen, wenn er über mindestens 95 Prozent der Anteile verfügt. Und das sogar zu einer Entschädigung, die er letztendlich selbst festlegen kann. Über diese seit 2002 in das Aktiengesetz eingefügte Regelung haben sich schon mehr als 200 börsennotierte Aktiengesellschaften von ihren Miteigentümern gegen deren Willen getrennt.

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