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Bankenskandal Hypo Alpe Adria: Freunderlwirtschaft nach Kärntner Art

Insiderhandel, kriminelles Gekungel, frisierte Bilanzen: Der Skandal um die österreichische Hypo Alpe Bank zieht Kreise. Gegen das Land Bayern gibt es neue Vorwürfe.

Wildbad Kreuth, die verschneite Selbstfindungsoase der bayerischen Staatspartei CSU, hat schon selbstbewusstere Ministerpräsidenten des Freistaates erlebt. Für Horst Seehofer war diesmal der Weg zur jährlichen Parteiklausur am Mittwoch ein Canossagang.

Vor allem die Milliardenpleite, welche die landeseigene BayernLB erst wenige Wochen zuvor mit ihrer österreichischen Tochter, der Kärntner Hypo Alpe Adria Group (HAAG), erlebt hatte, lastete schwer auf dem Traditionstreffen. Nachdem bekannt geworden war, dass die Hypo-Gruppe dringend 1,5 Milliarden Euro frisches Kapital benötigte, um überhaupt Bilanz legen zu können, musste das Finanzinstitut in Klagenfurt von Österreich notverstaatlicht werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Bayernbanker insgesamt 3,7 Milliarden Euro bei ihrem Ausflug in den Süden des Nachbarlandes versenkt; nun kamen noch einmal 800 Millionen hinzu.

Zwar versicherte Georg Schmid, Chef der Landtagsfraktion der CSU, das pikante Thema werde in der Winteridylle keine Rolle spielen (da es bundespolitisch "nicht relevant" sei), doch zu schwer lastet der verlustreiche Geschäftsfall auf der geknickten Parteiseele, als dass er beiseite geschoben werden könnte. Die gesamte erste Garde der selbstherrlichen Regierungspartei, von Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber über seinen Nachfolger Günther Beckstein bis zu Ex-Finanzminister Erwin Huber, ist ins Visier geraten, teils weil sie das Debakel aktiv befördert haben sollen, teils weil sie es im Verwaltungsrat der Landesbank durchgewunken hatten.

Sie müssen nun erklären, wie es geschehen konnte, dass die Bayern im Mai 2007 eine, zumindest aus heutiger Sicht, katastrophal in hochriskante Balkangeschäfte verstrickte Provinzbank für 1,7 Milliarden erwerben konnten, ohne sie zuvor auf Herz und Nieren geprüft zu haben – denn dann hätte sich herausgestellt, dass einem großen Teil des Kreditportfolios der Kollaps drohte.

Wie es zu diesem Geschäft kam, das versuchen mittlerweile auch sieben Staatsanwälte in München herauszufinden. Sie stehen erst am Anfang ihrer Ermittlungen und werden zudem behindert, weil die Österreicher vorläufig wichtige Unterlagen, die im Oktober 2008 bei Hausdurchsuchungen am Bankensitz Klagenfurt beschlagnahmt wurden, nicht herausrücken wollen. Namentlich steht derzeit nur der frühere BayernLB-Chef Werner Schmidt im Visier der Fahnder. Er war im März 2008 zurückgetreten und hatte anschließend einen mit 50.000 Euro dotierten Konsulentenvertrag bei der HAAG angetreten, in der er seinen Kumpel Tilo Berlin an der Spitze installiert hatte; mit diesem Finanzinvestor, mit dem er aus gemeinsamen Tagen bei der baden-württembergischen Landesbank vertraut war, hatte er zuvor den verhängnisvollen Deal eingefädelt.

Nun lautet der Verdacht auf Insiderhandel. Aber auch Gerüchte von Parteispenden nach Kärnten in der Höhe von insgesamt 30 Millionen Euro stehen im Raum sowie der Verdacht einer kriminellen Kungelei, bei der eine Gruppe einflussreicher Investoren bei dem Handel innerhalb von nur sechs Monaten ein schnelles Schnäppchen von insgesamt 150 Millionen Euro verbucht hatte. Der Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung, Veit Sorger, einer der Glücklichen mit dem goldenen Händchen, hat vorsorglich schon einmal seinen Gewinn von damals auf einem Treuhandkonto deponiert.

Fast alle Spuren führen nach Kärnten. In diesem südlichsten Bundesland hatte 1999 der Rechtspolitiker Jörg Haider mit seiner damals deutschnationalen FPÖ die Führung übernommen und mit einer Mischung aus Brot, Spielen und provokanten Sprüchen seine Herrschaft systematisch ausgebaut. Gleichzeitig begann in diesem Kärntner Klima der Freunderlwirtschaft die kleine, landeseigene Klagenfurter Hypo-Bank einen ebenso riskanten wie rasanten Expansionskurs einzuschlagen, der sie in die Nachfolgestaaten des zerbrochenen Jugoslawiens führte. Innerhalb von nur 15 Jahren stieg die Bilanzsumme von 1,87 Milliarden Euro auf 42,3 Milliarden und der Personalstand von 200 auf 7200 Mitarbeiter.

Haider fungierte als Türöffner, vor allem in Kroatien, wo die geistesverwandte, nationalistische HDZ regierte. Die Klagenfurter Geldjongleure folgten auf den Fuß. Das Land Kärnten übernahm die Ausfallshaftung für die Kreditgeschäfte (zuletzt summierte sich diese auf den für das wirtschaftsschwache Land astronomischen Betrag von 19 Milliarden Euro), und im Gegenzug waren die Hypo-Banker stets zur Stelle, wenn der Landesvater Geld für eines seiner stets verlustreichen Prestigeprojekte (Nobelhotels oder die Wörthersee-Bühne) benötigte oder den Firmenjet für eine seiner Spritztouren zu Freund Gaddhafi nach Lybien besteigen wollte. Heute steht die achtsitzige Cessna Citation Ultra der Hypo zum Verkauf.

Die Geschäftspraktiken der Klagenfurter, von denen ehemalige Hypo-Manager zu berichten wissen, waren häufig abenteuerlich. Sie waren Nachzügler in der Region und mussten sich daher in der Regel mit häufig waghalsigen Finanzierungen und zwielichtigen Partnern bescheiden. Dazu zählte etwa der Ex-General Vladimir Zagorec, der heute wegen Betrugs bei Waffengeschäften in Kroatien im Gefängnis sitzt, dem die Kärntner Immobiliengeschäfte in Istrien mit insgesamt 260 Millionen Euro finanzierten.

Die Hypo-Leute stellten nicht viele Fragen, verlangten kaum, wie sonst üblich, Eigenkapital und beauftragten nicht Wirtschaftsprüfer, um ein hohes Kreditrisiko unter die Lupe zu nehmen, sondern sandten einen Abteilungsleiter aus Klagenfurt. Die Finanzbranche verpasste ihnen bald einen Spitznamen: "die Cowboys". Die flotten Jungs waren heillos überfordert. Der für das Auslandsgeschäft zuständige Bankvorstand war der Geschäftssprache Englisch nicht mächtig, und kleine Beamte ohne entsprechende Ausbildung und Erfahrung gelangten im Zug des Höhenflugs in Spitzenpositionen. Es krachte immer häufiger.

Bei den Leasinggeschäften verschwanden kleine Flottillen von Privatyachten und Flotten von Luxuslimousinen, die von der Hypo finanziert worden waren. Bald saß die Bank auch auf einem Konvolut von Investitionsruinen. Aber niemand fiel in den Goldgräberjahren das faule Klumpenrisiko auf, die kunstvoll frisierten Bilanzen wurden von einer kleinen Klagenfurter Kanzlei testiert, deren Chef zeitweise sogar Aufsichtsratsvorsitzender der Hypo-Gruppe war. Mit den Auswirkungen der Finanzkrise haben aber die Milliarden-Verluste des Hypo-Abenteuers nichts zu tun; sie sind ausnahmslos hausgemacht.

Wie sehr die Hypo und ihr weitverzweigtes Netz an Töchtern bereits in Schieflage geraten war, wurde im verschwiegenen Kärntner Biotop aber erst ruchbar, als 2006 aufflog, dass der Vorstand versucht hatte, einen Verlust von 300 Millionen Euro aus Devisenwetten an der Bilanz vorbei zu schmuggeln.

In dieser Situation tauchte unvermutet der aus Hannover stammende Banker Tilo Berlin im Dunstkreis des Hypo-Debakels auf. Der bestens vernetzte Investmentmann hatte nach bewegter Vergangenheit in einen der einflussreichsten Kärntner Adelsclans eingeheiratet und sich auf einem familieneigenen Großgrundbesitz, dem Ulrichshof, als Nebenerwerbs-Biobauer niedergelassen. Im Dezember 2006 präsentierte ihn ein fideler Landeshauptmann Haider als Retter: Berlin werde mit einer Gruppe von 47 Investoren mit 4,67 Prozent bei der HAAG einsteigen.

Was dann genau geschah, versuchen nun die Staatsanwälte aufzuklären. Mittlerweile sind sie auf das Protokoll eines geheimen Treffens zwischen BayernLB, HAAG und Berlin vom 31. Januar 2007 gestoßen, bei dem die Übernahme der Klagenfurter Hypo-Gruppe prinzipiell beschlossen wurde. Das wurde bei einem zweiten Gespräch 14 Tage später bekräftigt. Weitere zwei Wochen stockt die Berlin-Gruppe ihren Anteil auf die Sperrminorität von 25,1 Prozent auf; den Zukauf finanzieren die Bayern mit einem Kredit.

Plötzlich machten die Kärntner Druck, so behaupten die Bayern heute, den Verkauf innerhalb von zwei Monaten abzuwickeln. Dagegen beharren die Kärntner darauf, die Bayern hätten aufs Tempo gedrückt. Zu einer nachhaltigen Prüfung des Übernahmekandidaten war jedenfalls keine Zeit. Ein optimistisches Gutachten, das den Deal untermauerte, stammt vom Steuerberater des Chefs der Landesholding, welche die Kärntner Hypo-Anteile verwaltete.

Es beruht auf drei Gesprächen: mit Landesfürst Jörg Haider, der im Oktober 2008 tödlich verunglückte, mit dem damaligen Hypo-Vorstandschef Wolfgang Kulterer, der mittlerweile wegen Bilanzfälschung verurteilt wurde und von London aus das Vermögen der Flick-Witwe verwaltet, und mit Holdingchef Josef Martinz, gegenwärtig Kärntner Finanzreferent, der sich nun mit den Rückforderungen der bayerischen Regierung wird herumschlagen müssen.

650 Millionen Euro will der Münchner Finanzminister Fahrenschon vor Gericht erstreiten. Dazu muss er jedoch beweisen, dass die standesbewussten Herren von der BayernLB tatsächlich von den schlitzohrigen Kärntnern arglistig getäuscht worden waren. Schadensersatzforderung des Freistaates Bayern wollen die Kärntner jedenfalls nicht gelten lassen: Die BayernLB habe die Hypo Alpe Adria ausreichend geprüft, behauptet Landeshauptmann Gerhard Dörfler. Die Landesbank und das deutsche Bundesland hätten sich vielmehr in einem "Kaufrausch" befunden.

Quelle: ZEIT ONLINE

Joachim Riedl

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