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Boerse

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Börse: Dax büßt kompletten Jahresgewinn 2007 ein

Das Auf und Ab geht weiter: Nach einem kurzen Durchatmen hat die Börsen wieder eine äußerst nervöse Stimmung erfasst. Der Dax ging mit einem Minus von knapp fünf Prozent aus dem Handel. An der Wall-Street ging es allerdings wieder aufwärts.

Nachdem die Zinssenkung der US-Notenbank zum Handelsstart zunächst eine kleine Verschnaufpause gebracht hatte, rutschten die Börsen in Europa wieder ab. Der deutsche Leitindex gab seine frühen Tagesgewinne ab und stand zum Schluss des elektronischen Handels in Frankfurt mit 4,88 Prozent im Minus. Seit Jahresbeginn hat das wichtigste deutsche Börsenbarometer damit nicht nur ein Fünftel seines Wertes eingebüßt, sondern auch den kompletten Gewinn 2007. Am Nachmittag war der Dax zwischenzeitlich auf seinen tiefsten Stand seit Dezember 2006 eingebrochen. Auch die US-Börsen standen beim Handelsschluss in Deutschland deutlich im Minus.

Die Anleger seien nervös und es überwiege weiter die Sorge, dass die überraschende Leitzinssenkung der US-Notenbank vom Vortag ihre Wirkung verfehlen könnte, sagten Börsianer. "Wir sehen weiterhin einen nervösen Handel", sagte ein Börsianer in Frankfurt. Händler verwiesen auch auf Gerüchte um weitere Milliardenabschreibungen bei Großbanken wie Société Générale, ABN Amro oder Deutsche Bank als neuerlichen Belastungsfaktor. Bei letzterer belasteten zudem Gerüchte um eine mögliche Gewinnwarnung. Zudem ließen die Aussagen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, Hoffnungen einiger Marktteilnehmer auf eine Zinssenkung platzen.

"Es ist die Pflicht der Zentralbank, Inflationserwartungen zu verankern, um weitere Unbeständigkeit in bereits sehr unbeständigen Märkten zu vermeiden", sagte Trichet in Brüssel. Die EZB hatte bereits in der Vergangenheit Leitzinssenkungen mit Blick auf die hohe Teuerungsrate in der Eurozone zurückgewiesen. Dennoch war spekuliert worden, dass die EZB der US-Notenbank folgen könnte.

Leitzins-Senkung nur eine Maßnahme für "Heilungsprozess"

Die Federal Reserve hatte am Dienstag ihren Leitzins um 0,75 Punkte auf 3,5 Prozent gesenkt. Diese Zinssenkung habe Schlimmeres verhindert, sagte Stratege Robert Halver von der Bank Vontobel. "Aber wir sind noch nicht durch." Die US-Notenbank habe lediglich wichtige Maßnahmen für den "Heilungsprozess" eingeleitet.

Marktstratege Mirko Pillep von der Helaba sagte, die außerplanmäßige Leitzinssenkung der US-Notenbank werde die Probleme kurzfristig nicht lösen. Sie sei eher Anzeichen der verzweifelten Lage, zumal am Markt mit einem weiteren Zinsschritt auf der regulären Sitzung gerechnet werde. Das hätten jetzt auch die Anleger realisiert. "Es wird eine Gegenbewegung geben, aber eines ist klar: Die Schönwetterbörse ist vorbei", sagte Pillep.

Konjunktur: Glos geht von 1,7 Prozent Wachstum aus

Die Bundesregierung will nicht mit zusätzlichen Konjunktur-Maßnahmen auf die aktuelle Börsenkrise reagieren. Darüber habe im Kabinett Einigkeit bestanden, sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in Berlin nach der Verabschiedung des Jahreswirtschaftsberichts 2008. Die Konjunktur schwäche sich nach einem Wachstum in 2007 von 2,5 Prozent zwar im laufenden Jahr ab, bleibe aber mit 1,7 Prozent stabil.

Nach Ansicht des Mannheimer Wirtschaftsforschers Michael Schröder ist der Ausverkauf an den Börsen Ausdruck einer "deutlichen Korrektur der Wachstumserwartungen". "Die Informationen waren zum allergrößten Teil schon Anfang oder Mitte Dezember bekannt. Damals sind die Börsen seltsamerweise nach oben gegangen, jetzt mehren sich aber die Konjunktursorgen", sagte der Wirtschaftswissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Vor einer Rezession muss sich Deutschland nach Ansicht des Berliner Finanzmarktexperten Joachim Gassen aber nicht fürchten. "Wenn ein großer Markt wie die USA ins Strudeln kommt, bekommen zwar auch wir einen ordentlichen Schnupfen, aber grundsätzlich ist Deutschland gut aufgestellt", sagte der Experte für fundamentale Aktienanalyse an der Berliner Humboldt-Universität. Die eher konservative Kreditvergabepraxis deutscher Banken, die ebenso konservative Anlagestrategie der Investoren und die vergleichsweise hohe Sparquote schütze das deutsche Wirtschaftssystem tendenziell vor wirtschaftlicher Überhitzung und "vor der Bildung von Kapitalmarkt- und Immobilienblasen".

Wachsende Skepsis in der Industrie

Die Stimmungslage unter den Führungskräften der Industrie in den USA und in Europa ist deutlich schlechter als noch vor einem Jahr. Das wurde zur Eröffnung des Weltwirtschaftsforums im Schweizer Wintersportort Davos deutlich. Dieser negative Trend werde erstmals seit 2003 festgestellt, heißt es in einer PriceWaterhouseCoopers-Studie. Die wachsende Skepsis spiegelt auch eine Umfrage der Beratungsgesellschaft unter 1150 Managern in 50 Staaten im letzten Quartal des vergangenen Jahres wider.

Der europäische Leitindex EuroStoxx 50 verbuchte ein Minus von 4,7 Prozent. Der auch Schweizer und britische Werte umfassende Stoxx 50 verlor 3,4 Prozent. In Asien hatten sich die Börsen dagegen von den massiven Kursverlusten der vergangenen Tage erholt.

Schlussspurt an der Wall-Street

In New York schlug die Stimmung derweil wieder ins Positive: Nach einer rasanten Aufholjagd zum Handelsschluss haben die US-Börsen am Mittwoch kräftige Gewinne eingefahren. Finanztitel legten teilweise stürmisch zu. Auch Konsum- und Einzelhandelswerte gehörten ein weiteres Mal zu den Gewinnern. Der Dow-Jones-Index kletterte um 2,50 Prozent auf 12.270,50 Punkte. Eine Flut von Unternehmenszahlen bewegte dabei die Kurse. Der Verlauf der Bilanzsaison gilt als entscheidend für die Erholung der Märkte. (ck/smz/dpa/AFP)

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