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Dax: Narrenrallye oder Wende?

Der Dax hat seit März 20 Prozent gewonnen. Das Tempo macht Experten nervös.

Das ist ein Frühling nach dem Geschmack der Börsianer. Rezession hin oder her – die Quartalsberichte vieler Unternehmen sind besser ausgefallen, als die Pessimisten befürchtet haben. Vor allem die Banken glänzen mehrheitlich wieder mit üppigen Gewinnen. Allein die Schweinegrippe machte einige Investoren zuletzt ein wenig nervös.

Doch die Aktien steigen: Der Deutsche Aktienindex (Dax) zum Beispiel hat seit seinem Jahrestiefststand Anfang März 1000 Punkte gewonnen. Das sind mehr als 20 Prozent. Am Mittwoch hielt er sich stabil oberhalb der 4600-Punkte- Marke. Überall in Europa, aber auch an den US-Börsen und in Asien geht es mit den Kursen seit Anfang März bergauf. Wenn die Voraussagen vieler Volkswirte stimmen und sich die Weltwirtschaft von Ende 2009 an wieder belebt, dann könnte für Aktienanleger jetzt der Zeitpunkt zum Einstieg gekommen sein. Denn die Geschichte zeigt, dass die Aktienmärkte der Realwirtschaft in der Regel ein halbes Jahr vorauseilen.

Eine Umfrage bei Aktienstrategen und institutionellen Investoren macht jedoch deutlich, dass für Privatanleger große Vorsicht angebracht ist.

„Wir sehen das immer noch als Bärenmarktrallye“, kommentiert Sören Wiedau, Portfoliomanager bei der Weberbank, die jüngsten Kursgewinne. Maximal erwartet er einen Anstieg des Dax bis auf 5200 oder 5300 Punkte. Spätestens dann werde es wohl einen Rückschlag geben. Ganz sicher ist das jedoch nicht. „Sollten die positiven Frühindikatoren bei der Konjunktur durch harte Fakten wie steigende Auftragseingänge untermauert werden, gäbe es die Chance auf eine langfristige Erholung“, räumt Wiedau ein. „Wir erwarten dies jedoch nicht“, fügt er hinzu.

Unter einer Bärenmarktrallye verstehen Börsianer eine Zwischenerholung in einem eigentlich schwachen und nach unten tendierenden Markt. Klassisches Beispiel ist die Zeit nach dem 11. September 2001. Auf den unmittelbaren Schock der Terroranschläge folgte damals die Hoffung auf eine baldige Konjunkturerholung. Zwischen dem 21. September 2001 und dem 19. März 2002 kletterte der Dax um 44 Prozent von 3787 auf 5462 Punkte – nur, um anschließend umso steiler abzustürzen. Den wirklichen Tiefpunkt erreichte er erst ein Jahr später, im März 2003, bei 2200 Punkten. Eine kleinere Bärenmarktrallye gab es auch im vergangenen Herbst, als der Dax von Mitte November bis Jahresende rund 25 Prozent zulegte und anschließend seine Talfahrt fortsetzte.

Aktuell zeigt ein Blick auf das „Angstbarometer“, dass sich an den Märkten eine gewisse Sorglosigkeit breit macht. Der V-Dax, der auf der Grundlage der Preise für Optionen auf Dax-Titel an der Terminbörse Eurex errechnet wird, ist in den vergangenen sechs Monaten deutlich gefallen (siehe Grafik). Zwar ist damit noch nicht gesagt, dass die Kurse künftig steigen. Ein hoher V-Dax-Wert weist aber auf einen unruhigen Markt hin, niedrige Werte lassen eine Entwicklung ohne starke Kursschwankungen erwarten.

Doch die Aktienstrategen lassen sich nicht blenden. „Es hat sich ein kurzfristiger Aufwärtstrend herausgebildet, dieser konnte aber das mittelfristige Bild nicht nachhaltig verbessern“, schreiben die Analysten der Landesbank Berlin. Sie sehen „die Gefahr von erneuten Kursrückschlägen.“ Die Probleme im Finanzsektor seien keineswegs behoben, warnen die Fachleute. Zudem drohten im Zuge der Rezession hohe Kreditausfälle. In den nächsten Wochen rechne man deshalb mit einer Rückkehr zu einer abwärts gerichteten Börsenphase. „Erst im Verlauf des zweiten Halbjahres steigen die Chancen auf nachhaltigere Kurssteigerungen.“

Auch professionelle Geldanleger sind vorsichtig. Die Investmentabteilung der niederländischen Großbank ING etwa hat den Aktienanteil in ihrem Portfolio zugunsten von Anleihen reduziert. „Die Bärenmarkt-Rallye dürfte unserer Einschätzung nach bald zu Ende sein“, schreiben die Experten. Daher würden „risikoreichere Assets“ abgestoßen und Aktien untergewichtet.

„Es ist klar, dass die jüngsten Kurserholungen nicht den Beginn einer neuen Hausse signalisieren“, sagt Christian G. Liste, Niederlassungsleiter der Privatbank Delbrück Bethmann Maffei in Berlin. Erneute Kursabschläge seien durchaus zu erwarten. „Die Bodenbildung der Märkte steht erst am Anfang und wird sich noch einige Monate hinziehen.“

Liste rät seinen Kunden deshalb, sich weniger mit Fragen des Timings als mit der Suche nach langfristigen Anlagetrends zu beschäftigen. So seien zum Beispiel Investitionen in Schwellenländer ein wichtiges Thema, ebenso wie Aktien von Transport- und Logistikunternehmen. Allerdings müsse man hier wie in allen anderen Bereichen mit erheblichen Kursschwankungen rechnen. „Im Moment sollte man nur in Aktien investieren, wenn man zwischenzeitlich auch mal deutliche Verluste verkraften kann.“ Wichtig sei auch, dass Anleger darauf achteten, nur in Unternehmen mit starker Bilanz, hoher Liquidität und stetigen Cash-flows zu investieren.

Weberbank-Manager Wiedau rät Anlegern allenfalls vereinzelt in defensive Aktien wie etwa Pharmawerte zu investieren. Ansonsten könnten auch Discount- Zertifikate das richtige Mittel sein. Diese Produkte bieten einen Sicherheitspuffer zum aktuellen Börsenwert einer Aktie oder eines Index. Dieser kann teilweise 50 Prozent oder mehr betragen. Im Gegenzug ist die Rendite aber begrenzt. „Auch beim Kauf von Discount-Zertifikaten raten wir jedoch dazu, kleine Kurskorrekturen abzuwarten“, sagt Wiedau.

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