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Tannin

© dpa

Ermittlungen: Anklagewelle wegen US-Finanzkrise

Die Justizbehörden der USA gehen massiv gegen Verdächtige in der Kreditkrise vor. Die spektakuläre Welle von Verhaftungen und Anklagen hat in dieser Woche ihren Höhepunkt erreicht.

Die fieberhaften Ermittlungen des FBI unter dem Codenamen "Heimtückische Hypothek" liefen seit Monaten. Mitte der Woche schlug die US-Bundespolizei dann in einer landesweiten Geheimaktion mit allein 60 Festnahmen und zahlreichen Razzien zu. Seit März seien damit in einer Welle von Verhaftungen und Anklagen mehr als 400 Verdächtige im Zusammenhang mit Kreditbetrug ins Netz gegangen, bilanzierte Vize-Justizminister Mark Filip stolz. Schon jetzt glauben die Strafverfolger: Die kriminellen Machenschaften, die mit zur weltweiten Finanzkrise führten, dürften noch größer sein als beim Zusammenbruch der "New Economy".

Allein der Schaden durch die bislang aufgedeckten Hypotheken-Betrügereien soll rund eine Milliarde Dollar (645 Millionen Euro) betragen. Und sie erschüttern die USA bis ins Mark: Wie keine andere Volkswirtschaft der Welt lebt Amerika auf Pump - vom Staat bis zum kleinen Hausbesitzer. Die Anklagewelle zeigt nun, dass nicht nur die ausschweifende Hypothekenvergabe fast ohne Sicherheiten zur Kreditkrise führte. Auch unzählige kriminelle Kredithaie brachten das System zum Einsturz - mit bis heute schweren weltweiten Folgen. Die Finanzkrise hat damit laut Beobachtern eine neue Dimension erreicht.

Finanzhäuser im Fokus der Ermittler

Im Visier der Ermittler und auch der gefürchteten Börsenaufsicht SEC stehen nicht nur Einzeltäter, sondern auch viele Finanzhäuser. Weltweit mussten Banken wegen der Krise rund 400 Milliarden Dollar abschreiben - wie viel Schaden sie ihren Kunden und Aktienbesitzern bescherten, ist noch gar nicht seriös zu berechnen.

FBI-Direktor Robert Mueller wählte deutliche Worte: "Wir ermitteln, verfolgen und Gerechtigkeit wird geschehen", sagte er am Donnerstag in Washington. Landesweit ermitteln 40 spezielle Task Forces der Bundespolizei in einer konzertierten Aktion mit Justiz und anderen Behörden in aktuell 1400 Fällen. Die Verdächtigen sollen Immobilien bewusst falsch bewertet, Unterlagen gefälscht und viele Vorschriften einfach missachtet haben. Zu den Beschuldigten zählen Immobilienmakler, Anwälte, Finanzierer und auch Kreditnehmer.

Im Zentrum standen dabei immer wieder genau jene Ramschhypotheken ("subprime"), die am Ende wie Dominosteine zusammenbrachen und die internationalen Finanzmärkte in schwere Turbulenzen stürzten. Die kaum besicherten Hauskredite wurden fast unbesehen an Menschen mit zweifelhafter Bonität vergeben. Banken verpackten die Kredite zu Wertpapieren und verkauften diese weiter.

"Verdammt hässlich"

Besonders skrupellos gingen den Behörden zufolge zwei Hedge-Fondsmanager der Investmentbank Bear Stearns vor. In einer E-Mail soll Banker Matthew Tannin (46) seinem Kollegen Ralph Cioffi (52) laut Berichten lange vor dem spektakulären Scheitern ihrer Fonds unter anderem geschrieben haben: "Der Suprime-Markt sieht verdammt hässlich aus." Die Anleger ließen sie im Dunkeln. Derweil sollen sie eigenes Geld aus den Fonds abgezogen haben.

Ihr früherer Arbeitgeber Bear Stearns stürzte später spektakulär fast in die Pleite. Ein Notverkauf der Bank folgte - die Wall Street und mit ihr die Finanzmärkte weltweit standen deswegen im Frühjahr unter Schock. Tannin und Cioffi wurden am Donnerstagmorgen vom FBI in ihren Wohnungen festgenommen und müssen sich jetzt in New York vor Gericht verantworten. An der Wall Street dürften nun manche Banker zittern und noch einmal ihre alten E-Mails prüfen. FBI-Direktor Mueller warnte unmissverständlich: "Die Ermittlungen laufen weiter."

Roland Fre

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