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EZB: „Brutale Bewegungen“

Die Europäische Zentralbank hält die Zinsen stabil - und warnt vor Euro-Hausse und Inflation.

Berlin/Frankfurt am Main - Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Inflationsgefahren in der Eurozone offenbar für weniger bedrohlich als die angespannte Lage auf den Devisen- und Kreditmärkten. Am Donnerstag setzten die europäischen Währungshüter deshalb erneut ein Zeichen der Beruhigung: sie ließen den Leitzins im Euroraum unverändert bei 4,0 Prozent. Der Schritt war erwartet worden. Bereits im Oktober hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet signalisiert, dass kurzfristig keine Zinserhöhung zu erwarten sei.

Am Donnerstag hob Trichet hervor, dass zur Zeit eine Neubewertung von Risiken an den Finanzmärkten stattfinde, die zu Unsicherheiten führe. Das rechtfertige eine sorgsame Analyse weiterer Informationen, bevor die Notenbank Schlüsse für ihre Geldpolitik ziehe.

In ungewöhnlich scharfer Form warnte die EZB aber vor den negativen Folgen eines starken Euro für die Wirtschaft. „Die jüngste Periode hat eine abrupte und scharfe Aufwertung des Euro gezeigt“, sagte der EZB-Präsident. „Brutale Bewegungen sind niemals willkommen.“ Mit dieser Formulierung hatte der EZB-Präsident 2004 den Euro-Höhenflug gestoppt. Mit Blick auf die anziehende Inflation bemerkte Trichet lediglich: „Wir sind jederzeit bereit, Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität zu begegnen.“ Den Worten des EZB-Präsidenten zufolge werden die Preise in Euroland bis weit in das nächste Jahr hinein mit einer Rate von deutlich mehr als zwei Prozent steigen. Erst dann werde es allmählich eine Abschwächung geben. Bei knapp unter zwei Prozent sieht die EZB Preisstabilität erreicht. Nach Angaben Trichets lag die Inflationsrate in der Währungsunion im Oktober bei 2,6 Prozent, nach 2,1 Prozent im September. „Dieser scharfe Anstieg gibt Anlass zur Sorge. Es ist wichtig, dass dies nicht die langfristigen Inflationserwartungen beeinflusst.“ Ausdrücklich warnte der EZB-Präsident vor einer Überwälzung der Preisaufschläge auf Lohnabschlüsse.

Der Eurokurs gab am Donnerstag leicht nach. Die EZB setzte den Referenzkurs auf 1,4666 (Mittwoch: 1,4722) Dollar fest. Am deutschen Aktienmarkt kletterten die Kurse. Der Dax zog dank robuster Geschäftszahlen bis zum Schluss um 0,25 Prozent auf 7819 Punkte an. Dagegen setzt der starke Euro den deutschen Exporten zu. Im September legten die Ausfuhren nur noch um 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu – das war das geringste Plus seit zweieinhalb Jahren, berichtete das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden.

Die Euro-Hausse und die Finanzmarktkrise sind noch nicht ausgestanden. „Ich denke, wir nähern uns einem Niveau, an dem die Unternehmen dies allmählich negativ zu spüren bekommen“, sagte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Bei einem weiteren Anstieg des Eurokurses werde der Druck auf die Notenbank zunehmen, von ihrem derzeit „vollständig stabilitätsorientierten Kurs“ abzuweichen. Ackermann sprach sich aber dafür aus, dass die EZB so lange wie möglich auf dem aktuellen geldpolitischen Kurs bleibe. Auf den Kreditmärkten, die immer noch unter den Folgen der US-Hypothekenkrise leiden, sieht Ackermann zwar erste Anzeichen einer Normalisierung. Gleichwohl seien auch im vierten Quartal für die Banken weitere Herausforderungen zu erwarten. „Rein psychologisch ist das die schlimmste Krise, die ich in meinen 30 Jahren als Banker erlebt habe“, betonte der Deutsche Bank-Chef. „Wir erleben einen Investorenstreik.“

Während Ackermann das eigene Haus außer Gefahr sieht, nehmen die Milliardenabschreibungen von US-Banken infolge der Kreditkrise kein Ende: Die zweitgrößte US-Investmentbank Morgan Stanley muss 3,7 Milliarden Dollar bereinigen. Der Gewinn im laufenden vierten Quartal werde dadurch voraussichtlich um 2,5 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) sinken.

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