zum Hauptinhalt
frankfurt main

© dpa

Finanzkrise: Deutsche Banken stecken mit drin

Deutschland - Insel der Seligen in unruhigen Zeiten auf den Finanzmärkten? Wohl kaum: Die KfW überweist der Bank Lehman Brothers noch kurz vor deren Pleite 300 Millionen, die Allianz liebäugelt mit der taumelnden US-Versicherung AIG und die ersten Sicherungssysteme der deutschen Banken müssen einspringen - der Einlagensicherungsfonds steht vor dem bislang größten Schadensfall seiner Geschichte.

Die US-Regierung rettet den angeschlagenen Versicherungsriesen AIG - eine Beruhigungspille in turbulenten Zeiten an den Finanzmärkten. Und auch in Deutschland gibt es Beschwichtigungsversuche von politischer Seite: Das deutsche Bankensystem sei Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zufolge "erkennbar stabiler" als jenes in den USA. Die Forderungen deutscher Kreditinstitute gegenüber den betroffenen US-Häusern seien "verkraftbar".

Neben dem Finanzministerium versuchen auch deutsche Bundesbank und Bundesfinanzaufsicht die Finanzmärkte zu beruhigen. Die Engagements deutscher Kreditinstitute bei der Pleitebank Bank Lehman Brothers hielten sich in einem überschaubaren Rahmen und seien verkraftbar, erklärten sie gemeinsam.

Aber ist die gegenwärtige Krise eine rein amerikanische Angelegenheit? Sicher nicht: Banken und Versicherungen sind untereinander verflochten - weltweit. So berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", dass die staatliche KfW-Bankengruppe noch am Montag, als die bevorstehende Insolvenz von Lehman Brothers längst erwartet worden war, 300 Millionen Euro an das taumelnde US-Institut überwiesen habe. Die KfW habe ein Engagement "im mittleren dreistelligen Millionenbereich" bestätigt. Die KfW sprach laut FAZ von einer "fehlerhaft ausgelösten Swap-Zahlung am Montag", deren Umstände durch die Innenrevision geprüft würden.

Die Bundesregierung ist fassunglos

Die Bundesregierung hat nun von der KfW Aufklärung über diesen Vorgang gefordert. Fehlverhalten müsse aufgeklärt werden, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Mittwoch in Berlin. Die Innenrevision der KfW müsse prüfen, wie dies habe passieren können.

Auch die Allianz ist von der Lehman-Pleite betroffen: Dem Versicherungskonzern drohen durch die Insolvenz Ausfälle von bis zu 400 Millionen Euro. Die Münchener Rück ist mit 350 Millionen Euro bei Lehman engagiert. Die ohnehin angeschlagene DüsselHyp könnte der Lehman-Bankrott rund 60 Millionen Euro kosten. Zahlreiche weitere Banken hüllen sich über ihr Engagement bei Lehman bislang in Schweigen.

Allianz flirtet mit AIG-Einstieg

Weiteres Beispiel: Wiederum die Allianz wollte nach einem Medienbericht beim taumelnden US-Rivalen AIG einsteigen. Zwei Tage bevor AIG vom Staat aufgefangen wurde, habe die Allianz ihr Angebot unterbreitet, schreibt die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf zwei eingeweihte Personen.

Allianz-Chef Michael Diekmann sagte am Dienstag in Bratislava: "Die AIG braucht Kapital. Dafür hat sie bestimmte Aktivitäten zur Disposition gestellt." Dies sei zum Beispiel das Rückversicherungs- oder Leasinggeschäft. Beides sei für die Allianz nicht von Interesse. Sollten andere Bereiche zum Verkauf stehen, müsse dies zunächst in Ruhe angesehen werden.

Die US-Notenbank hatte am Dienstagabend mit einem Kredit von 85 Milliarden Dollar die drohende Pleite von AIG abgewendet und war dadurch zum mit Abstand größten Anteilseigner aufgestiegen. Der ehemals größte Versicherer der Welt war durch die Finanzkrise in eine schwere Schieflage geraten. Seit Jahresbeginn war der Börsenkurs um rund 90 Prozent eingebrochen. Das hatte zuletzt trotz hoher Risiken die Begehrlichkeiten der europäischen Konkurrenz geweckt.

Finanzkrise gefährdet deutschen Sicherungsfonds

Während die Banken ihr riskantes Spiel offenbar ungerührt weiterspielen, müssen weitere Sicherungsmechanismen greifen. Auf den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) kommt wegen des Zusammenbruchs der US-Investmentbank Lehman Brothers nach Informationen des "Handelsblattes" ein Schadenfall in Milliardenhöhe zu. Der Kollaps von Lehman Brothers könne den Sicherungsfonds mit bis zu sechs Milliarden Euro belasten. Die deutsche Tochter von Lehman Brothers sei dem Sicherungsfonds mit einer Deckungssumme in dieser Höhe angeschlossen. Für den Einlagensicherungsfonds wäre die Lehman-Pleite damit der bislang größte Schadensfall seiner Geschichte - und eine Gefahr.

Weitere direkte Auswirkungen der US-Finanzkrise auf Deutschland sind nur zu vermuten: So ist derzeit unklar, ob sich die Commerzbank durch die Übernahme der Dresdner-Bank durch deren Investmentbank-Sparte neue Risiken ins Haus hole. Auch wenn der kleine Sparer nicht um seine Bankguthaben fürchten muss, so wird schon jetzt deutlich, dass die US-Bankenkrise Deutschland nicht ungeschoren lässt. (ck/dpa/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false