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© dpa

Finanzkrise: Island verunsichert Kaupthing-Kunden

Warum Staatschef Grimsson eine Entschädigung deutscher Anleger in Frage stellte.

Berlin - „Was irgendein Präsident sagt, ist für mich erst mal nicht maßgeblich“, sagt Kfz-Meister Sven Rupprecht aus Zossen bei Berlin. Zu viele Forderungen und Versprechungen hat der Kleinsparer und Vater zweier Töchter schon gehört. Er will sich nicht von immer neuen Wendungen im Chaos um die isländische Kaupthing-Bank verunsichern lassen. „Früher oder später müssen die das Geld ja wohl rausrücken“, sagt Rupprecht. Hofft Rupprecht.

Er ist einer von gut 30 000 Betroffenen, die insgesamt rund 330 Millionen Euro bei der deutschen Tochter des Instituts anlegten und jetzt keinen Zugriff darauf haben. Rupprecht gab 11 800 Euro, weil die Bank ihm darauf 5,65 Prozent Zinsen im Jahr versprach. Im Oktober 2008 brach die Bank aber zusammen und wurde zwangsverstaatlicht. Seitdem wurden die Kaupthing-Kunden der meisten europäischen Länder entschädigt. Die Deutschen warten weiter.

Am Dienstag schien es, als werde das auch so bleiben. Die „Financial Times Deutschland“ (FTD) erschien mit einem Text über den isländischen Staatspräsidenten Olafur Ragnar Grimsson. Der ließ sich dort mit der Aussage zitieren, dass er eine Entschädigung deutscher Sparer durch die Kaupthing-Bank ablehnt. „Die Deutschen müssen begreifen, dass die Menschen in Island alles verloren haben“, sagte er. Es sei „ungerecht“, dass ausländische Anleger erwarten, dass Island „die ganze Last der Finanzkrise“ trage, sagte das Staatsoberhaupt der 316 000 Insel-Bewohner der FTD.

Kfz-Meister Rupprecht las davon am Morgen in einem Internet-Forum, wo die Debatte gleich hitzig wurde. Wer hat Schuld, was ist gerecht? Er mag das alles gar nicht beurteilen. Er weiß aber, dass er und seine berufstätige Ehefrau jeden Monat 900 Euro für den Kredit ihres Hauses zahlen müssen. Er weiß aber nicht, wie lange das noch geht: Rupprechts Arbeitgeber, ein VW-Autohaus, musste Insolvenz anmelden. Die Januar-Gehälter stehen seit zwei Wochen aus. Wo solle das hinführen, wenn man jetzt anfängt, Schicksale von Deutschen und Isländern gegeneinander aufzurechnen?

Das wollte Staatspräsident Grimsson offenbar auch nicht und relativierte seine Äußerungen. In einer am Nachmittag veröffentlichten Pressemitteilung nannte er den Zeitungsbericht „irreführend“. Es gebe einen klaren und deutlichen Willen, den Zusagen von isländischen Finanzinstituten in anderen Ländern nachzukommen. „Es war jedoch wichtig, dass sich die Menschen in anderen Ländern, einschließlich unserer Freunde in Deutschland, darüber bewusst sind, dass die Bevölkerung Islands, normale Bürger, Familien, Rentner und andere, große finanzielle Verluste zu erleiden haben“, hieß es. Mancherorts gebe es die irreführende Annahme, dass isländische Bürger voll ausgezahlt würden, während die Menschen in anderen Ländern Verluste erleiden würden.

Auch eine Sprecherin Bank teilte schnell mit, dass man die Deutschen nach wie vor ausbezahlen wolle. „Wir stehen zu unseren Verpflichtungen“, sagte sie. Erst vergangene Woche hatte der staatlich eingesetzte Zwangsverwalter auf einer Gläubigerversammlung mitgeteilt, dass die Bank bereits über 80 Prozent der insgesamt nötigen 330 Millionen Euro verfüge. Und der isländische Wirtschaftsminister verwies darauf, dass seine Regierung mit allen betroffenen EU-Ländern im vergangenen November ein Abkommen geschlossen hat, das eine Lösung für alle Kunden anstrebt.

Es war der Tag der Schadensbegrenzung in einem Land, dass immer mehr von der Finanzkrise in eine politische Krise schlittert: Vor wenigen Tagen trat der Regierungschef zurück, seine Nachfolgerin, Johanna Sigurdardottir, wollte am Montag den unbeliebten Zentralbankchef feuern. Der wehrte sich. Und wieder gingen die Bürger auf die Straße. In diesem Klima gab der Staatspräsident einer deutschen Zeitung ein Interview. „Man sollte die Äußerungen nicht überbewerten. Sie waren wohl eher an das isländische Volk gerichtet“, sagt Anwältin Anja Richter, die für die Stuttgarter Kanzlei Dr. Steinhübel & von Buttlar rund 500 deutsche Kaupthing-Kunden vertritt. „An den rechtlichen Grundlagen ändern die Worte nichts.“ Kevin P. Hoffmann

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