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Finanzkrise: Tolle Tage mit VW

Es ist ein absurdes Bild, das sich den Anlegern am deutschen Aktienmarkt momentan zeigt: Am Mittwoch schlossen 29 der 30 Dax-Werte im Plus, ein großer Teil davon sogar mit zweistelligen Prozentgewinnen. Und was machte der Dax? Er fiel um 0,3 Prozent.Die VW-Aktie stellt das Börsengeschehen auf den Kopf.

Am Vortag war das Bild genau umgekehrt: Heftige Verluste bei fast allen Werten – doch der Dax stieg um mehr als elf Prozent. Schuld daran ist die VW-Aktie, die seit Beginn der Woche kaum erklärbare Kursbewegungen vollzieht. Mal 200 Prozent rauf, wie zeitweise am Montag, mal 45 Prozent runter, wie am Mittwoch.

Für den Dax sind die extremen Bewegungen der VW-Aktie so bedeutend, weil sie nach den jüngsten Kursgewinnen zum mit Abstand schwersten Wert im wichtigsten deutschen Index geworden ist. Denn die Gewichtung der einzelnen Werte im Dax richtet sich nach ihrem Börsenwert. Am Dienstag stand die VW-Aktie zeitweise für 27 Prozent des Dax, während andere Großkonzerne nur noch ein Prozent ausmachten. Entsprechend verzerrt war die Darstellung. Am Mittwoch ging das Gewicht der VW-Aktie wegen des Kursrutsches wieder zurück und machte noch rund 15 Prozent aus. Dennoch bleibt eine Unwucht. Börsenexperten fürchten deshalb um den seriösen internationalen Ruf des Dax.

Am Mittwoch reagierte der Börsenbetreiber Deutsche Börse. Er kündigte an, das Gewicht der VW-Aktie ab kommenden Montag bei zehn Prozent zu deckeln. Die Nachricht wurde mit Erleichterung aufgenommen und trug zum Kurssturz der VW-Aktie bei. „Aber bis dahin sind es noch ein paar Tage“, sagte ein Händler. Viele hätten sich eine systematische Regeländerung gewünscht. Einige fordern auch, die VW-Aktie ganz aus dem Dax zu streichen. Doch dies ist nach den Regularien der Deutschen Börse erst dann angebracht, wenn der Streubesitz, also der Anteil der frei verfügbaren Aktien, unter fünf Prozent fällt.

Für Anleger sind die Ungleichgewichte und extremen Kursbewegungen nicht leicht zu verdauen. Vor allem wer mit Indexfonds oder Zertifikaten auf die Entwicklung des Dax gesetzt hat, muss nun mit verzerrten Ergebnissen zurechtkommen. Auch für die Fondsmanager ist die Situation ein Graus. Einige von ihnen sind laut den Statuten der Fonds dazu verpflichtet, die Gewichtung im Dax nachzubilden. Entsprechend mussten sie in den vergangenen Tagen VW-Aktien zu völlig überhöhten Preisen nachkaufen. Als der Kurs fiel, mussten sie sie billiger wieder losschlagen.

Hinter den Kursschwankungen bei VW steckt die Übernahme durch Porsche. Der Konzern hatte am Wochenende mitgeteilt, nicht mehr nur die einfache Mehrheit in Wolfsburg anzustreben, sondern sich 75 Prozent sichern zu wollen. Den Großteil davon besitze man schon, hieß es: 42,6 Prozent in Aktien, weitere 31,5 Prozent in Optionen, die in Aktien eingetauscht werden können. Weil das Land Niedersachsen weitere 20 Prozent hält, blieben nur noch knapp sechs Prozent im freien Handel übrig. Diese Mitteilung löste am Montag und Dienstag einen Sturm auf VW-Aktien aus. Vor allem Hedgefonds wollten die Papiere haben. Sie hatten eigentlich auf sinkende Kurse bei VW gewettet. Dazu hatten sie sich VW-Aktien von Banken geliehen und diese weiterverkauft. Später wollten sie die Aktien zu einem günstigeren Kurs wieder einkaufen und an die Verleiher zurückgeben. Bei diesen sogenannten Leerverkäufen sollten satte Gewinne herausspringen.

Doch die Hedgefonds hatten sich verzockt. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass Porsche schon so viele Aktien und Optionen besitzt und den Kurs damit weiter nach oben treibt. Nun mussten sie schnell VW-Aktien kaufen, um sie überhaupt an die Banken zurückgeben zu können. Der Preis spielte dabei nur noch eine Nebenrolle. Die Verluste der Hedgefonds sind gigantisch.Von mehr als 15 Milliarden Euro ist die Rede.

Am Mittwoch sorgte Porsche für ein wenig Entlastung: Der Sportwagenbauer kündigte an, bis zu fünf Prozent seiner Optionen aufzulösen, und begann auch gleich damit. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach sich unterdessen dafür aus, Leerverkäufe zu verbieten. Der Minister habe klargemacht, dass solche Spekulationsgeschäfte künftig nicht mehr möglich sein sollten, sagte sein Sprecher Torsten Albig.

Stefan Kaiser

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