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Finanzen: Geldwerter Vorteil

Wie Touristen, Konsumenten und Anleger von der Schwäche des Dollar profitieren

Bei seiner Einführung 1999 noch als Schwächling verspottet, wird der Euro immer mehr zum Muskelprotz. Erhielt man 2001 einen Euro für gut 80 Dollar- Cent, so haben sich die Vorzeichen inzwischen umgekehrt: bis zu 1,59 Dollar musste diese Woche hinblättern, wer einen Euro haben wollte. Die Bankenkrise und die jüngste Zinssenkung der US-Notenbank – es war die sechste binnen sechs Monaten – erhöhte den Druck auf die angeschlagene Währung. Binnen zwei Jahren hat der Greenback damit gut 30 Prozent abgewertet, binnen sechs Jahren fast 50 Prozent. Vereinfacht ausgedrückt erhält man heute für den Euro nahezu doppelt so viele Dollar wie noch 2001.

REISEN

Was für deutsche Exporteure, die für ihre in Euro produzierten Waren nur schwache Dollar erhalten, zum Trauma wird, macht deutschen Verbrauchern zunehmend Freude. Denn: Taumelt der Dollar, dann rückt der Traum vom Heli-Skiing in Aspen, vom Cowboytrekking in den Rockys oder von der Walbeobachtung in Kalifornien in bezahlbarere Nähe. Während Traumziele wie die Malediven, Thailand oder Australien in den Katalogen der Reiseveranstalter für 2008 deutlich teurer geworden sind, locken die USA mit Schnäppchenpreisen.

Allerdings: Wer über Tui, Neckermann & Co. bucht, kann im Vergleich zum Vorjahr nur mit Abschlägen zwischen zwei und fünf Prozent rechnen, denn die Pauschalreisen wurden schon lange vor dem aktuellen Dollarcrash kalkuliert. Individualreisende hingegen profitieren direkt von ihrer starken Heimatwährung. Ob Motel, Mietwagen oder Museum: Direkt vor Ort bezahlt, bringt der Währungsvorteil rund 18 Prozent Preisersparnis im Vergleich zum Frühjahr 2007. Doch Vorsicht: Gerade in Touristenhochburgen dürfte die steigende Zahl europäischer Gäste sicher mit Preiserhöhungen beantwortet werden. Vom schwächelnden Dollar profitieren können Reisende übrigens nicht nur in den USA, sondern im gesamten Dollarraum, also vor allem auch in Mexiko, in Südamerika oder in Teilen der Karibik und Asiens.

EINKAUFEN

Gute Dollar-Geschäfte locken nicht nur beim Reisen, sondern mehr noch beim Einkaufen. Dabei waren viele Textilien, Laptops, Kameras, MP3-Player, Handys, Turnschuhe oder Spielzeug schon immer erheblich billiger als hierzulande, kosten manchmal sogar nur den halben Preis. Nun wirkt der Dollar-Sturz zusätzlich wie eine Gehaltserhöhung.

Einige Beispiele: Eine Edeljeans von „7 for all Mankind“ ist in den USA ab 150 Dollar zu haben, hier jedoch bestenfalls ab 200 Euro. Auch Jeansklassiker wie die Levi’s 501 kosten in den USA weniger als die Hälfte. Für ein Poloshirt von Tommy Hilfiger muss man in Berlin 50 bis 70 Euro berappen, in den USA nur 58 Dollar, also 36 Euro. Ähnliche Preisgefälle findet man auch bei Ralph Lauren, Gap, Timberland, OshKosh oder Abercrombie & Fitch, bei Nike, Wilson oder Apple. Als Faustregel gilt häufig, dass der Euro-Betrag hierzulande annähernd dem Dollar-Betrag in den USA entspricht, wodurch ein Preisvorteil von 40 bis 50 Prozent entsteht. So kostet der iPod touch mit 16 Gigabyte in den USA rund 350 Dollar, also rund 222 Euro, hierzulande jedoch 340 Euro. Auch Laptops sind fast durchweg 40 Prozent billiger, während die Preisvorteile bei Digitalkameras geringer sind. Allerdings: Bei Elektrogeräten bereiten häufig andere Lade- oder Kabelsysteme Probleme, so dass zusätzliche Adapter gekauft werden müssen. Bei Handys ist vorab zu klären, ob sie deutsche SIM-Karten akzeptieren.

Wer davon profitieren will, muss nicht gleich in die USA reisen: Via Online-Shopping kann man sich fast alles direkt liefern lassen. Dabei lassen sich hohe Versandgebühren vermeiden. Bei „Access USA“ etwa erhalten Kunden aus Europa eine fiktive US-Adresse, an die dann meist kostenlos geliefert wird. Access USA übernimmt die Ware und verschickt sie weiter nach Europa. Die Kosten dafür liegen erheblich unter jenen der ursprünglichen Anbieter, zudem managt Access die Zollformalitäten.

Denn, und dies ist der Wermutstropfen bei US-Käufen: Jenseits bestimmter Freibeträge fallen Steuern und Zölle an. Geschenksendungen von privat zu privat sind bis zu einem Wert von 45 Euro steuer- und zollfrei. Während Urlauber pro Person Waren bis zu einem Wert von 175 Euro kostenlos als Mitbringsel in die EU einführen dürfen, sind die Hürden beim Postversand mit 22 Euro deutlich niedriger. Liegt der Wert darüber, ist eine Einfuhr-Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent vom Warenwert in Euro zu zahlen, ferner werden Zölle erhoben: auf Kameras 4,2 Prozent, auf MP3- Player null bis 14 Prozent oder auf Kleidung zwölf Prozent. Handys, Computer oder Notebooks bleiben zollfrei. Wer in New York oder Los Angeles selbst shoppt, zahlt bis 350 Euro nur eine Pauschale von 13,5 Prozent. Unter dem Strich, so haben Verbraucherschützer ausgerechnet, bleiben die meisten Waren trotz Steuern und Zoll deutlich billiger als in Deutschland, weshalb der Online-Handel mit US-Firmen in den letzten beiden Jahren um jeweils 20 Prozent gewachsen ist.

ANLEGEN

Anleger können von der Dollarschwäche profitieren – oder auch darunter leiden, je nach Blickwinkel. So liegt ein deutscher Anleger, der vor zwei Jahren in den Dow Jones investiert hat, rechnerisch 20 Prozent im Minus, obwohl der amerikanische Leitindex seit März 2006 zehn Prozent zugelegt hat. Denn die Dollarschwäche nagt erheblich an der Performance. Dies gilt auch für Rohstoffe: Wer Gold angelegt hat, wird sich zwar darüber freuen, dass der Preis für die Feinunze jüngst über die Schwelle von 1000 Dollar gegangen ist, muss aber ins Kalkül ziehen, dass der Dollar den Gewinn von gut 50 Prozent binnen Jahresfrist beim Rücktausch in Euro um 18 Prozent schmälert. Dies gilt ebenso für Öl und andere Rohstoffe. Wer aktuell amerikanische Aktien oder auch Rohstoffe kaufen möchte, sollte sich folglich ein Urteil über die künftige Entwicklung der Währung bilden. Sollte die Abwertung nun ausgereizt sein und – wie traditionell in US-Wahljahren – eine Erholung anstehen, dann würde sich eine Abschwächung des Euro positiv auf das Depot auswirken. Allerdings sehen manche Analysten in nicht allzu ferner Zukunft schon die griffige Formel „Ein Euro = zwei Dollar“. Wer weitere Rückfälle erwartet, kann auf währungsgesicherte Zertifikate auf Aktien oder Aktienkörbe (sogenannte Quanto-Zertifikate) ausweichen. Auch Fonds auf Dollarbasis empfehlen sich für Dollarskeptiker langfristig nur mit Währungssicherung.

Am einfachsten lässt sich jedoch ganz direkt aus der Währungsrelation Kapital schlagen. Spekulativ orientierte Anleger können beispielsweise einen Turbo-Optionsschein auf einen weiter steigenden Euro (Call) oder auf einen steigenden Dollar (Put) kaufen. So kostet ein Call, der auf einen schwachen Dollar setzt und dabei einen Basispreis von 1,40 Dollar/Euro hat, aktuell knapp elf Euro und bewegt sich mit neunfachem Hebel, also neun Mal stärker als das Währungspaar selbst. Konservativere Anleger sind vielleicht mit einem reinen Währungsfonds oder Garantiezertifikaten auf das Währungspaar Dollar/Euro besser bedient.

Veronika Csizi

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