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IM SOG DER FINANZKRISE Aktien verlieren – der Dollar gewinnt: „Wir sind in Panik“

Weltweit stürzen die Börsen ab – mit Konsequenzen für Unternehmen und Verbraucher

Berlin - Die Hoffnung auf ein Ende der Finanzkrise ist am Freitag enttäuscht worden. Nach zahlreichen Gewinnwarnungen großer Unternehmen brachen die Aktienkurse weltweit ein. Die Kettenreaktion hatte am Morgen in Tokio ihren Lauf genommen, wo der Nikkei-Index um rund zehn Prozent absackte. Der Dax lag am späten Nachmittag 7,4 Prozent niedriger bei 4183 Punkten. Alle 30 Werte notierten im Minus. In New York verlor der Dow Jones 4,4 Prozent.

Warum kommen die Märkte nicht zur Ruhe?

Die Erwartung, dass die großen Volkswirtschaften in eine Rezession rutschen, wird an den Börsen schon länger in die Aktienkurse eingearbeitet. Allerdings schlug sich dies bislang vor allem bei den Finanzwerten nieder, die massiv an Wert verloren haben. Bei Technologie- und Energieaktien stehen die Korrekturen zum Beispiel nach Meinung von Analysten noch aus. „Weil auf beide Sektoren zusammen annähernd 30 Prozent der Marktgewichtung entfallen, dürfte dies einer raschen Markterholung entgegenstehen“, schreibt die DZ Bank.

Für große Unsicherheit sorgt die laufende Berichtssaison zum dritten Quartal. Zwar sind die bisherigen Ergebnisse häufig besser als erwartet ausgefallen. Aber die Prognosen der Unternehmen für 2009 fallen düster aus. Die Experten der Landesbank Berlin fürchten, dass „Lichtblicke im weiteren Verlauf der Berichtssaison eher rar gesät bleiben“. Die Analysten warnen wie viele andere auch vor weiteren Enttäuschungen.

Ein Maß für die gewaltige Nervosität an der Börse liefert ein an den Dax angelehnter Index: der V-Dax. Das „Angstindex“ genannte Barometer misst die Kursschwankungen, die von den Marktteilnehmern innerhalb der nächsten 45 Kalendertage erwartet werden. Mitte des Monats kletterte der V-Dax auf den höchsten Stand aller Zeiten. Innerhalb eines Jahres ist er um mehr als 180 Prozent gestiegen.

Wie wichtig sind Börsen für die Realwirtschaft?

Auf Aktienmärkten wird Kapital mobilisiert, das Unternehmen zur Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis, für ihre Investitionen und ihre Expansion benötigen, und das nicht durch Bankkredite (Fremdkapital) zur Verfügung gestellt werden kann. Außerdem dient die Börse der langfristigen Vermögensbildung der Privatanleger, die Aktien oder Fondsanteile kaufen. Stürzen die Aktienkurse ab, hat dies über kurz oder lang Auswirkungen auf andere Sektoren – andere Anlagemärkte, das Bankensystem, die Unternehmen oder die Konsumentscheidungen der Verbraucher. Fallen die Kurse, fühlen sich die Anleger weniger vermögend, sie schränken ihren Konsum oder ihre Investitionen ein und versuchen zu sparen. Geschieht dies massenhaft, lähmt dies die gesamte Volkswirtschaft.

Welche Folgen haben sinkende Aktienkurse für die betroffenen Unternehmen?

Ein Kurssturz signalisiert, dass Investoren die Geschäftsaussichten eines Unternehmens pessimistisch einschätzen und dem Management weniger vertrauen. Unternehmen, die sich als Aktiengesellschaften frisches Kapital am Finanzmarkt beschaffen wollen (durch einen Börsengang oder später durch Kapitalerhöhungen), tun sich deutlich schwerer. Aktien werden auch häufig bei Übernahmen und Fusionen als Akquisitions- oder Tauschwährung eingesetzt. Sinkt ihr Wert, muss mehr Eigen- oder Fremdkapital eingesetzt werden. Firmenzusammenschlüsse werden schwieriger.

In einigen Fällen ist der Börsenwert eines Unternehmens unter den Buchwert – also die in der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerte – gesunken. Die Aktie wird zum Schnäppchen. Hat eine AG keinen Großaktionär, wird sie dann zum Übernahmeziel für Investoren. Aktuelles Beispiel: Daimler. Zudem hinterlässt ein Kurssturz regelmäßig Abschreibungsbedarf in den Bilanzen der Unternehmen, weil das dort verbuchte Aktienvermögen im Wert gesunken ist.

Wie viel Psychologie ist im Spiel?

„Wir sind in einem Panik-Stadium, ich wüsste nicht wie ich es sonst nennen soll“, sagte am Freitag ein Chefstratege der US-Bank Citigroup angesichts der Turbulenzen. „Und wenn man in Panik ist, dann ist alles rationale Denken verschwunden.“ Denken viele Anleger so, ist die Gefahr groß, dass sie sich wie Lemminge in den Abgrund stürzen. Dieser Herdentrieb ist charakteristisch für den Aktienmarkt. Die regelmäßig an der Deutschen Börse erhobene Sentimentanalyse, die die Stimmung der Anleger einfängt, kommt zu dem Ergebnis, dass Fondsabflüsse meist langfristig orientierter Anleger das Geschehen prägen. „Und wann dieser Kapitalabfluss beendet sein wird, hängt nicht von ökonomischen, sondern vielmehr von psychologischen Faktoren ab“, schreiben die Marktforscher von Cognitrend. „Etwa von Werten wie Vertrauen.“

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