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Interview: „Die Bürger zahlen die Zeche“

Ökonom Stefan Homburg über Konjunkturpakete und die Folgen für den Haushalt.

Herr Homburg, die Regierung hat für Konjunkturpakete, Garantien und Beteiligungen sowie vergünstigte Kredite mehrere hundert Milliarden Euro vorgesehen. Wie viel Geld kann der Staat noch aufbringen?



Man darf diese Summen nicht in einen Topf werfen: Die beiden sogenannten Konjunkturpakete mit einem Umfang von 80 Milliarden Euro erhöhen die Staatsverschuldung unmittelbar. Inwieweit dies bei den Beteiligungen und Bürgschaften der Fall ist, wird man erst im Nachhinein wissen. Aber das Risiko einer letztlich verbleibenden Belastung des Bundeshaushalts ist natürlich sehr hoch.

Übernimmt sich die Bundesregierung oder ist das finanzpolitisch vertretbar?

Keynesianische Konjunkturprogramme sind erfahrungsgemäß wirkungslos. Mit dem hilflosen Versuch, Banken und andere Unternehmen in großem Stil zu verstaatlichen, gerät der Staat selbst in eine gefährliche Schieflage. Überdies ist Wirtschaft zum guten Teil Psychologie, und die psychologischen Folgen dieser Staatsverschuldungsorgie dürften verheerend sein. Denn die Bürger sind ja nicht dumm und befürchten zu Recht, dass sie demnächst die Zeche zahlen. Im Grunde wiederholt Deutschland den Fehler Japans, das in den 1990er Jahren ebenfalls dachte, durch Staatsverschuldung ließen sich alle Probleme lösen. Das Ergebnis war ein „verlorenes Jahrzehnt“, wie die Japaner es heute nennen. Ich hoffe nicht, dass es bei uns so schlimm kommen wird, aber ohne die staatlichen Eingriffe wären wir zweifellos in einer besseren Ausgangsposition.

Wer soll das alles zurückzahlen? Sind massive Steuererhöhungen im nächsten Aufschwung programmiert?

Weil der Bund kein Geld drucken kann, muss er in den nächsten Jahren die Ausgaben zusammenstreichen oder die Steuern erhöhen oder beides gleichzeitig tun. In Betracht kämen zum Beispiel Kürzungen bei den Bildungsausgaben oder eine weitere Mehrwertsteuererhöhung. Genaueres erfahren wir nach der Bundestagswahl. Vor der Wahl wird erst das Theaterstück „Steuerentlastung“ aufgeführt – skurril bis makaber. Aber das kennen wir ja von der Bundestagswahl 2005, als die Union sagenhafte Entlastungen versprach und die SPD schwor, jede Mehrwertsteuererhöhung zu blockieren.

Verdrängt der Staat am Finanzmarkt private Kreditnehmer?

Eindeutig ja, denn Kredite, die der Staat nicht aufnimmt, gehen an private Investoren; Banken lassen die Gelder natürlich nicht zinslos herumliegen. Vor allem jetzt, da sichere Anlagen gesucht werden, ist dieser Zusammenhang unbestreitbar. Die Verdrängung ist übrigens der wichtigste Grund, warum keynesianische Politik nicht funktioniert: Volkswirtschaftlich betrachtet schaffen Konjunkturprogramme keineswegs Nachfrage aus dem Nichts heraus, sondern sie lenken die Nachfrage nur in andere Verwendungsrichtungen um.

Das Interview führte Henrik Mortsiefer.

Stefan Homburg ist Professor für öffentliche Finanzen an der Universität Hannover. Von 2004 bis 2007 war er Mitglied im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung.

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