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Milliarden-Affäre bei Société Générale: Skandal-Händler auf freiem Fuß

Im Milliardenskandal um Börsenspekulationen bei der französischen Großbank Société Générale ist gegen den Händler Jérôme Kerviel ein Verfahren eröffnet worden - trotzdem kam er heute Abend erst einmal frei. Das Management der Großbank gerät derweil weiter unter Druck.

Nach zweitägigem Polizeigewahrsam ist der 31-Jährige Jérôme Kerviel unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt worden. Das teilten Kerviels Anwälte heute Abend in Paris mit. Die Staatsanwaltschaft hatte Untersuchungshaft beantragt. Das Verfahren wurde unter anderem wegen Verdachts auf Fälschung und Vertrauensmissbrauch eröffnet. Die Richter wiesen damit auch den Antrag der Staatsanwaltschaft zurück, wegen versuchten Betruges zu ermitteln.

Kerviel soll der Bank Société Générale mit unerlaubten und vertuschten Spekulationen auf den Verlauf von Europas wichtigsten Aktienindizes einen Verlust von fast fünf Milliarden Euro eingehandelt haben. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Experten bezweifeln Alleintäterschaft

Das Management der Großbank gerät in der Affäre zunehmend unter Druck. Bereits im November 2007 sei die Bank aus dem Ausland wegen der Geschäfte von Kerviel angesprochen worden, sagte Staatsanwalt Jean-Claude Marin. Die Informationen sollen von der Derivatebörse Eurex gekommen sein, an der auch die Deutsche Börse beteiligt ist. Kerviel habe angegeben, auch andere Händler hätten wie er spekuliert, wenn auch in geringerem Maße. Die Bank sieht Kerviel als Alleintäter, was Experten wegen der hohen Summen bezweifeln.

Daneben erstattete ein Anwalt im Namen von rund 100 Kleinanlegern Anzeige wegen des Verdachts auf Kursmanipulation und Insiderhandel bei der Bank. Im Visier steht Verwaltungsratsmitglied Robert Day. Der Präsident der US-Investmentfirma Trust Company of the West (TCW) hatte am 9. Januar für 85,74 Millionen Euro Aktien der französischen Großbank verkauft. Der Sturzflug der Société-Générale-Aktien setzte sich am Montag fort. Die Titel fielen um 3,82 Prozent auf 71,05 Euro. Day hatte seine Aktien im Schnitt zum Kurs von 95,30 Euro verkauft.

Sarkozy fordert Konsequenzen

Die Société Générale steht auch wegen anderer Affären im Blickpunkt. Vom 4. Februar an muss sie sich einem Prozess wegen Geldwäsche stellen. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte, eine derartige Krise wie bei der Société Générale könne im Bereich der Verantwortlichen "nicht ohne Konsequenzen" bleiben. Konzernchef Daniel Bouton hat seinen Rücktritt angeboten, was der Verwaltungsrat bislang aber ablehnt.

Kerviel sollte für die Bank Geschäfte auf dem Markt für Indexoptionen tätigen. Um die kleinen Ertragsdifferenzen gewinnbringend zu nutzen, musste er große Aufträge vergeben. Die Marktrisiken sollte er mit Gegengeschäften aber klein halten. Weil Kerviel große Risiken mit Scheingeschäften buchtechnisch ausglich, konnte er die Kontrolleure über das wahre Ausmaß seiner Geschäfte lange täuschen. Der Händler behauptet, nur "im Interesse der Bank gehandelt" zu haben.

Staatsanwalt Marin sagte, Kerviel habe zugegeben, seit Ende 2005 seine Grenzen überschritten und dies mit falschen Mails und Computerbefehlen vertuscht zu haben. Der Händler habe anscheinend die Bank nicht schädigen wollen. Er hatte auf hohe Prämien für Riesengewinne gehofft. Kerviels Anwalt zufolge verbuchte er mit seinen Geschäften zum Jahreswechsel noch ein Plus von 1,5 Milliarden Euro.

Schaden hätte auch zehn Mal so hoch sein können

Die Bank hatte die Märkte erst am vergangenen Donnerstag über ihre Verluste informiert, nachdem sie seit Anfang der letzten Woche für 50 Milliarden Euro Geschäfte mit Börsenindizes abgestoßen oder abgesichert hatte. Die Notverkäufe hätten den Schaden verhältnismäßig gering gehalten, erklärte das Institut. Statt fünf Milliarden hätte der Schaden auch zehn Mal so hoch sein können, sagte Bouton. Kritiker werfen der Société Générale vor, sie hätte die vor einer Zinsentscheidung stehende US-Zentralbank ebenso wie die Pariser Aufsichtsbehörden vorab informieren müssen. Auch die französische Regierung wurde erst im Nachhinein unterrichtet.

Die Bank habe die Risikopositionen in Höhe von 50 Milliarden Euro "überstürzt und unter anormalen Bedingungen liquidiert", erklärten Kerviels Anwälte. Sie habe "erheblich substanziellere Verluste" hinter einem "Rauchvorhang" verbergen wollen. Konzernchef Bouton wies dies zurück. "Wie soll man sich vorstellen, dass wir ein Loch mit einem anderen versteckt haben? Das ist völlig idiotisch." (jam/dpa)

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