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US-Finanzkrise: "Runde drei von zwölf"

Zum Beginn der Berichtssaison macht sich in den USA Nervosität breit. Wegen der Finanzkrise werden in der US-Wirtschaft dramatisch gesunkene Gewinne erwartet.

New York - Der mächtigsten Wirtschaft der Welt droht nach einer Serie von Rekordjahren die Puste auszugehen. Nach einem bereits deutlichen Gewinnrückgang der US-Konzerne im dritten Quartal gehen Analysten auch von roten Vorzeichen im Schlussquartal 2007 aus. David Wyss, Chefökonom der Ratingagentur Standard & Poor’s, rechnet für die Unternehmen im Börsenindex S&P 500 mit einem 30-prozentigen Einbruch beim Gewinn pro Aktie. Das wäre der schärfste Rückgang seit fast fünf Jahren. Der US-Finanzdatenanbieter Thomson Financial, bei dem die Prognosen der Analysten zusammenlaufen, erwartet branchenübergreifend einen Ergebnisrückgang um knapp zehn Prozent. Mit dem Aluminium-Konzern Alcoa legt am heutigen Dienstag der erste renommierte US-Konzern seine Jahreszahlen für 2007 vor.

Gedrückt werden die Prognosen insbesondere von den Firmen der Finanzbranche, für die im Zuge der US-Hypothekenkrise Milliardensummen abschreiben mussten. Die Analysten erwarten einen Gewinneinbruch um mehr als 60 Prozent für die Branche. Daneben senden mit der Bau- und Autobranche zwei weitere Schlüsselindustrien heftige Krisensignale. Zyklische Konsumgüterfirmen beginnen ebenfalls zu leiden, die Gewinne in dieser Branche sind schon im dritten Quartal um 22 Prozent eingebrochen, wie Thomson Financial berichtet. Das Schlimmste komme erst noch, warnt Howard Davidowitz von der New Yorker Unternehmensberatung Davidowitz Associates: „Wir befinden uns erst in Runde drei eines Zwölf-Runden-Kampfes.“

Besonders dramatisch ist die Lage in der US-Finanzbranche. Die Banken an der Wall Street müssen tausende Stellen streichen und Investitionen kappen. Allein bei der Citigroup werden nach einem Bericht des Fernsehsenders CNBC bis zu 33 000 Jobs wegfallen. Noch stärkere Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft sind von der Verknappung der Kreditvergabe an Verbraucher und Unternehmen zu erwarten. Einige Experten blicken deshalb pessimistisch in die Zukunft: „Die Rezession bei den Firmengewinnen hat bereits begonnen. 2008 werden wir eine Rezession der US-Wirtschaft sehen“, prophezeit David Rosenberg von Merrill Lynch seit Wochen. Auch Nouriel Roubini, renommierter Ökonom und Professor an der Stern School of Business der New York University, hält eine Rezession für unvermeidlich: „Die Frage ist nur noch, wie hart die harte Landung ausfallen wird“, schreibt Roubini in seinem Internet-Blog RGE Monitor.

Diese zunehmend skeptischen Stimmen stehen im starken Gegensatz zu den Berechnungen der Analysten, die im Durchschnitt für das laufende Auftaktquartal 2008 bereits wieder eine Wende zum Positiven erwarten. Mit Ausnahme des Finanzsektors rechnen die US-Finanzexperten mit Gewinnzuwächsen für alle Branchen; dabei sollen die Sparten Energie, Technologie und Telekom prozentual zweistellig zulegen und neue Rekordgewinne schreiben. Zwar sind die Analysten mit Blick auf den Finanz- und Konsumgütersektor bereits scharf zurückgerudert. Nach Meinung zahlreicher Volkswirte sind die Prognosen aber immer noch viel zu optimistisch. Analysten waren schon in den vergangenen beiden Quartalen völlig auf dem falschen Fuß erwischt worden. Noch im Oktober 2007 hatten sie für das vierte Quartal branchenübergreifend ein Gewinnplus von 11,5 Prozent vorausgesagt: Die Prognose wurde inzwischen auf ein Minus von 9,4 Prozent korrigiert.

In Deutschland beginnt die Berichtssaison erst Ende Januar. Experten erwarten auch hier ein schwächeres Gewinnwachstum als in den vergangenen Jahren, wenngleich die Folgen der Finanzkrise weniger stark zu spüren sein dürften als in den USA. Matthias Eberle (HB)

Matthias Eberle (HB)

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