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Kreditkrise

© dpa

US-Hypothekenkrise: Die Krise zieht Kreise

Die Börsen lassen sich vom kranken Immobilienmarkt in den USA anstecken. Was Anleger jetzt wissen müssen.

Berlin - Die Kreditkrise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt hat am Mittwoch erneut die Aktienmärkte in Aufregung versetzt. An den Börsen in New York, Tokio und Frankfurt rutschten die Kurse zum Teil deutlich ab. Anleger zeigten sich weltweit verunsichert über die möglichen Folgen einer Ausweitung der US-Immobilienkrise. Kurz vor Handelsschluss notierte der Dax bei 7522 Punkten (minus 0,8 Prozent). Der Dow-Jones-Index drehte in New York kurz nach dem Handelsstart ins Minus.

Am Abend zuvor war die New Yorker Börse eingebrochen. Der US-Hypothekenfinanzierer American Home hatte mitgeteilt, keine Kredite zur Finanzierung seines Hypothekengeschäfts mehr zu bekommen. Die Aktien des Unternehmens stürzten um 90 Prozent ab. „American Home Mortgage steht kurz vor der Pleite. Das löst Panik aus“, sagte ein Händler in Frankfurt. Für Verunsicherung sorgt besonders die Tatsache, dass American Home – anders als einige der bisher von der Krise betroffenen Immobiliengesellschaften – gar nicht im Geschäft mit Ramschhypotheken engagiert ist. Die US-Investmentbank Bear Stearns hat nach den Problemen mit zwei verschuldeten Hedgefonds unterdessen bei einem dritten Fonds („Bear Stearns Asset-Backed Securities Fund“) große Verluste eingefahren, wie das „Wall Street Journal Europe“ am Mittwoch berichtete. Der Fonds hat dem Bericht zufolge annähernd 900 Millionen Dollar in Hypotheken investiert. Bear Stearns erklärte, man habe den Rückkauf von Anteilen ausgesetzt. Die Bank sei der Ansicht, dass das Portfolio des Fonds gut positioniert sei und die Unsicherheit an den Märkten abgewartet werden sollte.

Auch in Australien geriet ein großes Finanzinstitut in den Strudel der US-Hypothekenkrise: Die Investmentbank Macquarie, die auch in Europa und Deutschland engagiert ist, warnte vor Verlusten von bis zu 25 Prozent bei zwei ihrer Fonds. Börsianer fürchten nun, dass die US-Immobilienkrise auf den breiten Kreditmarkt übergreift und sich damit für Unternehmen die Aufnahme von Kapital erschwert. Das wiederum hätte Auswirkungen auf ihre Aktienkurse.

Noch vor drei Wochen feierten die Börsen Rekorde. Warum hat sich die Stimmung in so kurzer Zeit so rapide verschlechtert?

Die Vorhersage, dass der amerikanische Immobilienmarkt bei steigenden Zinsen kollabieren könnte, ist eingetroffen. Aufmerksamer und nervöser als bisher nehmen Anleger nun die Risiken wahr. Sie fürchten gefährliche Kettenreaktionen, die Banken, Börsen, Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften in Mitleidenschaft ziehen könnten. Sorgten bisher steigende Unternehmensgewinne, kräftiges Wirtschaftswachstum sowie die Aussicht auf weitere Übernahmen und Fusionen für steigende Kurse, werden nun die Risiken auf den Kreditmärkten in den Vordergrund gerückt. Die Pleite des US-Immobilienfinanzierers New Century im Februar dieses Jahres war schnell vergessen. Die Schieflage einiger Hedgefonds haben die Börse hingegen nachhaltig irritiert. Als am Montag auch die deutsche Mittelstandsbank IKB Probleme einräumen musste, die im Zusammenhang mit dem US-Häusermarkt stehen, verschlechterte sich die Stimmung weiter. Dabei ist, wie immer an der Börse, auch viel Psychologie im Spiel.

Wie ernst ist die Krise auf dem amerikanischen Häusermarkt?

Die Tatsache, dass nun offenbar auch viele Hausbesitzer mit erstklassiger Bonität ihre Hypothekenkredite nicht zurückzahlen können, zeigt, dass die Krise ernster ist als bislang angenommen. Ursache für die Kreditausfälle sind steigende Zinsen und gleichzeitig fallende Immobilienpreise. Viele Amerikaner haben in der Vergangenheit mit zinsgünstigen Immobilienkrediten Häuser und Wohnungen gekauft. Auch zahlreiche einkommensschwache Verbraucher wurden zuletzt mit billigem Baugeld gelockt. Das Volumen allein dieser so genannten „Subprime“-Darlehen beläuft sich Schätzungen zufolge auf 1,2 Billionen Dollar. Weil die Zinsen gestiegen sind, können viele Amerikaner ihre Kredite nicht zurückzahlen. Die Ausfälle müssen von den kreditgebenden Banken verkraftet werden. Da dieser Teil des Kreditmarktes nur 14 Prozent des gesamten Hypothekenmarktes ausmacht, wäre dies an sich aber noch kein Problem für die internationalen Kapitalmärkte.

Warum ist die Immobilienkrise gefährlich für die internationalen Kapitalmärkte?

Da die US-Banken ihre zweitrangigen Hypothekenkredite oft nicht selbst in den Büchern behalten haben, sondern in Form spezieller Anleihen (Mortgage Backed Securities) auf dem globalen Kreditmarkt an Investmentbanken weiterverkauft haben, betrifft das Problem nicht nur die Amerikaner. Ratingagenturen haben jüngst ihre Ratings für einen Teil der Subprime-Hypothekenanleihen wegen des steigenden Ausfallrisikos gesenkt. Daraufhin kam es zum Ausverkauf. Finanzinvestoren, die mit komplizierten Derivaten (Collateral Debt Obligations) auf den Wert der Anleihen gewettet haben, haben sich verspekuliert. Die US-Notenbank schätzt das Verlustpotenzial auf bis zu 100 Milliarden Dollar. Die Banken verlangen von den Hedgefonds inzwischen bei der Kreditaufnahme größere Sicherheiten. Die strengeren Kriterien treffen auch die Beteiligungsbranche. Private-Equity-Konzerne wie KKR, Cerberus und andere bekommen schwerer Übernahmekredite, mit denen sie milliardenschwere Käufe (Chrysler u.a.) bisher überwiegend finanziert haben.

Wird sich das Problem noch verschärfen oder ist das Schlimmste überstanden?

Der Hypothekenmarkt in den USA dürfte erst am Anfang der Krise stehen. Bei vielen Lockangeboten, mit denen schlechte Schuldner in der Vergangenheit zum Immobilienkauf motiviert wurden, werden in den kommenden Monaten die Zinsen nach oben angepasst. Das wird die Zahl der Ausfälle nach oben treiben. Anders als bei deutschen Hypothekenkrediten, die häufig eine langfristige Zinsbindung haben, bieten amerikanische Banken Kredite an, die in den ersten beiden Jahren der Darlehenslaufzeit niedrige Zinsen und geringe oder gar keine Tilgungsleistungen vorsehen (Adjustable-Rate Mortages). Die Bank of America schätzt, dass im laufenden Jahr die Zinsen für Hypothekenkredite im Volumen von 500 Milliarden Dollar heraufgesetzt werden. 2008 soll gar ein Volumen von 700 Milliarden Dollar betroffen sein.

Wie sind deutsche Privatanleger von der Krise betroffen?

Die Folgen sind bislang nur mittelbar zu spüren. Finanz- und Bankenwerte standen zuletzt an der Börse massiv unter Druck. Deutsche Versicherer sind nach eigener Auskunft nur marginal über Investments in verbrieften US-Hypothekenkredite engagiert. Auch größere Fondsgesellschaften geben an, dass sie nicht im größeren Stil in Subprime-Anleihen investiert haben. Sollte sich die Immobilienkrise deutlicher als bisher auf den Konsum der Amerikaner auswirken – und damit auf die US-Wirtschaft insgesamt –, könnte dies auch die exportstarke deutsche Wirtschaft zu spüren bekommen.

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