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USA: Wenn die Volksseele kocht

Erst mussten die US-Banken mit Steuermilliarden gerettet werden, nun zahlen sie immense Boni – der Unmut der Bürger wächst.

Washington - Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen? Amerikanische Banken sind gerade dabei, das Sprichwort auf den Kopf zu stellen. Sie werden in den Medien zwar weiter verspottet wegen der unrühmlichen Rolle, die sie in der Finanzkrise spielten, und wegen der großen Töne, die manche Topmanager wieder von sich geben. Doch sie haben keinen Schaden zu tragen. Die großen Geldhäuser an der Wall Street sind auf dem Weg zu neuen Rekordgewinnen.

Deshalb haben sie wieder Milliarden für Bonuszahlungen an ihr Spitzenpersonal beiseitegelegt – was den Volkszorn schürt. Die Banken sagen, ohne solche Anreize könnten sie ihre guten Leute nicht halten. Die meisten übrigen Branchen spüren jedoch weiter die Folgen der Rezession, die Arbeitslosenrate in den USA ist auf über zehn Prozent geklettert. Allein die vier größten US-Investmentbanken – Goldman Sachs, Merrill Lynch, Morgan Stanley und JP Morgen Chase – haben in den ersten neun Monaten 2009 einen Gewinn von zusammen 22,5 Milliarden Dollar gemacht, berichtete die Bankenaufsicht in New York. Im Vergleichszeitraum 2008 hatten sie ein Minus von 40,3 Milliarden Dollar ausgewiesen.

Das Ansehen der Banken hält freilich mit ihrer wirtschaftlichen Erholung nicht Schritt. Ihre öffentliche Reputation ist im Keller. Die Nachricht, dass Goldman Sachs bereits 16,7 Milliarden Dollar für Erfolgsboni an das Management beiseitegelegt habe, empörte die Bürger – und das umso mehr, als Goldman-Chef Lloyd Blankfein sich brüstete, der Erfolg seiner Bank sei „gottgefällig“.

Es war eine willkommene Vorlage für die Satire-Show „Saturday Night Live“. Das Magazin „Rolling Stone“ verspottete die Bank als „den großen Vampir am Hals der Menschheit“. Michael Moores Filmpolemik „Kapitalismus – eine Liebesgeschichte“ heizt seit Wochen in den Kinos die Wut über eine Branche an, die mit Steuergeldern gerettet wurde und nun weder Maß noch moralische Grenzen kennt.

Die Gegenmaßnahmen des Staates und der Bankenwelt kommen über kleine symbolische Gesten kaum hinaus. Im Sommer verkündete die Regierung Obama eine Begrenzung der Managergehälter auf eine halbe Million Dollar im Jahr – freilich nur für die Firmen, die von staatlichen Rettungsgeldern leben. Es stellte sich heraus, dass das nur noch acht mittelgroße Banken betraf. Die übrigen hatten ihre Rettungsmilliarden bereits im Frühjahr zurückgezahlt, um sich von Auflagen zu befreien. Nun verdoppelt die Regierung die Zahl der Ermittler, die Betrugsversuche während der Krise und der staatlichen Rettungsmaßnahmen untersuchen.

Das Imageproblem haben die Banker erkannt. Am Dienstag verkündete Goldman-Sachs-Chef Blankfein ein 500-Millionen-Dollar-Hilfsprogramm für kleinere und mittlere Betriebe. Zugleich entschuldigte er sich für Fehler der Vergangenheit: „Wir haben uns an Praktiken beteiligt, die eindeutig falsch waren.“ Die „New York Times“ reagierte reserviert. „Wie viel guten Willen kann man mit einer Entschuldigung und einer halben Milliarde Dollar kaufen?“ Der Betrag entspreche drei Prozent der Summe, die Goldman als Boni auszahle. Christoph von Marschall

Christoph von MarschallD

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