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Wall Street: Hoffen auf die Obama-Hausse

Das Allzeithoch von 1997 ist weit weg. Die US-Aktien liegen am Boden: Schnäppchenjäger kaufen, Pessimisten warnen. Lohnt sich der Einstieg in den US-Aktienmarkt?

Eine rasante Aufholjagd um mehr als 1000 Punkte, dann ein jäher Absturz um 700 Punkte, schließlich wieder ein Hoffnungsschimmer: Der amerikanische Aktienmarkt wird von Fieberschüben und kurzen Erholungsphasen geschüttelt. Nur wer vor mehr als elf Jahren eingestiegen ist, darf sich – gemessen an den Indizes – über kleine Gewinne freuen. Vom Allzeithoch im Oktober 2007 bei 14 200 Punkten ist der Leitindex Dow Jones gut 40 Prozent entfernt. Lohnt sich nun ein Einstieg in jenen Aktienmarkt, der die Hälfte der weltweiten Börsengeschäfte repräsentiert? Wird der Wechsel von Bush zu Obama für neue Hoffnung sorgen?

Chancen für ein Comeback

Die Meinungen gehen weiter auseinander denn je. „Solche Chancen sollte man nicht verpassen“, ist sich Oliver Pfeil, Fondsmanager für US-Aktien bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS, sicher. Zwar befinde sich die US-Wirtschaft seit einem Jahr in der Rezession, Konsumausgaben, Exporte, Importe und Immobilienpreise fallen im Rekordtempo, die Arbeitslosigkeit steigt. Der vielbeachtete ISM-Index, ein wichtiger Wegweiser für die künftige wirtschaftliche Entwicklung, ist gerade auf den tiefsten Stand seit 1949 gesackt. Doch: „Sicher ist: Die Krise wird irgendwann zu Ende sein. Dies nehmen die Aktienmärkte ein paar Monate zuvor vorweg“, glaubt Pfeil, der bei der DWS den Fonds US Equities managt. Positiv auswirken werde sich vor allem der amerikanische Pragmatismus, der die tiefe Finanzkrise mit Macht aus zwei Richtungen bekämpfe, zum einen monetär, also mit massiven direkten Finanzhilfen und Übernahmen, zum anderen fiskalisch, also über Konjunkturprogramme und steuerliche Anreize.

Die US-Notenbank hat angekündigt, für 600 Milliarden Dollar mit Hypotheken gedeckte Wertpapiere zu kaufen. Zusätzlich übernimmt die Fed für 200 Milliarden Dollar Papiere, die mit Konsumenten- und Unternehmenskrediten abgesichert sind. Damit sollen der schwächelnde Kreditmarkt angekurbelt und Investitionen gefördert werden. Der künftige US-Präsident Barack Obama versprach ein Konjunkturpaket, das „groß genug sein wird für eine Krise von solch historischem Ausmaß“. Nun werden direkte Finanzhilfen von bis 34 Milliarden Dollar für die US-Autoindustrie diskutiert. Und Notenbank-Chef Ben Bernanke denkt auch über unkonventionelle Maßnahmen nach: einen Rückkauf von Staatsanleihen vielleicht, weitere Zinssenkungen bis hart an die Grenze von null Prozent.

Daniel Bernecker, Herausgeber des bankenunabhängigen „Aktionärsbriefs“, glaubt, dass „diese Maßnahmen Wirkung zeigen werden“. Vor uns stehe „eine markante Erholung der amerikanischen Indizes um etwa 30 Prozent bis zum Frühjahr“. Auch DWS-Manager Pfeil sieht „den Dow Jones in einem Jahr wieder deutlich höher als aktuell“. Vorstellbar seien Indexstände über 9000 Punkte im Dow Jones und über 1000 im S & P 500, der die 500 größten börsennotierten Unternehmen der USA reflektiert.

Das Risiko Weiterer Rückschläge

Skeptiker hingegen geben zu bedenken, die Finanzkrise habe sich zu einer Abwärtsspirale für die globale Wirtschaft verschärft. „Eine solch gigantische Krise lässt sich nicht von einem Quartal zum nächsten lösen“, sagt Eberhard Weinberger, Vorstand der Vermögensverwaltung Jens Ehrhardt Kapital (DJE). Auch das Argument, US-Aktien seien extrem niedrig bewertet, sticht nach Meinung von Weinberger nicht: „Die Bewertungen sind nur optisch niedrig.“ Weitere Gewinneinbrüche seien sehr wahrscheinlich und würden das nun günstig erscheinende Kurs- Gewinn-Verhältnis schnell wieder auf höhere Bewertungen anheben. Das Chance-Risiko-Verhältnis sei in Asien und Europa deutlich günstiger, urteilt der DJE-Vorstand. Weinberger: „Ich glaube auch langfristig nicht, dass man in den amerikanischen Markt einsteigen muss.“ Zwar spreche der Rekord-Pessimismus für Käufe, doch mehr als eine kurzfristige Erholung im Dezember sei nicht zu erwarten. Die DJE hält sogar einen weiteren Verfall um bis zu 40 Prozent für denkbar.

Auch Marc Faber baut Katastrophenszenarien: Die Rettungspakete seien ein Tropfen auf den heißen Stein und die Zinssenkungen ähnelten dem Versuch, einen Alkoholiker mit Alkohol zu heilen, sagt der Schweizer Fondsmanager. Allerdings glaubt Faber trotzdem, dass der US-Markt kurzfristig wie ein auf den Boden geworfener Tennisball nach oben springen werde. Bis zum Frühjahr sieht er Kursgewinne zwischen einem Drittel und einem Fünftel. Danach werde der Markt wieder massiv absacken.

Auch die Optimisten räumen ein, dass man derzeit nicht wisse, ob eine Erholung nur eine Rallye innerhalb eines Bärenmarkts oder schon eine Trendwende sein werde. Tatsache sei aber, sagt DWS- Manager Pfeil, dass in den Kursen eine scharfe Rezession schon vorweggenommen sei. Daniel Bernecker verweist auf US-Firmen, deren Börsenwert unter dem Wert ihrer Investitionen liege, etwa Oracle. Wenig bekannt sei auch, dass die Verschuldungsraten der Unternehmen vielfach sehr niedrig seien, denn der Boom sei zur Schuldentilgung genutzt worden.

DWS-Fondsmanager Pfeil rät zu einem stufenweisen Einstieg und glaubt, dass vor allem Konsum-, Finanz- und Energiewerte zu den frühen Gewinnern gehören werden. Auch Obamas Ankündigung, einen „grünen Stimulus“ zu nutzen und die Infrastruktur, also etwa Schulen und Straßen, auszubauen, könnte sich positive auf Solar-, Öko- und Bauaktien auswirken. Umgekehrt habe die Pharmabranche schwere Jahre vor sich, wenn Obamas Versprechen umgesetzt und eine verpflichtende Krankenversicherung eingeführt werde. Grundsätzlich mache es vor einer Erholungsphase aber Sinn, rät Bernecker, auf den gesamten, breiten Markt und nicht auf einzelne Werte zu setzen, stets abgesichert mit einem Stopp-Loss-Kurs. Mehr als ein Drittel des Geldes solle der Anleger jedoch nicht in die USA stecken.

Mit US-Aktienfonds war in den letzten zehn Jahren unter dem Strich nichts zu holen. Wer im November 1998 einen Fonds für US-Standardwerte gekauft hat, liegt derzeit bis auf sehr wenige Ausnahmen leicht im Minus. Ein bescheidenes Jahresplus hat erzielt, wer bereits vor 20 Jahren investiert hat. Relativ stabil präsentiert sich beispielsweise der Uni-Nordamerika von Union Investment, der seit 2003 immerhin noch einen jährlichen Gewinn von 1,3 Prozent ausweisen kann. Auch der Allianz RCM US Equity sticht auf lange Sicht leicht positiv heraus.

Veronika Csizi

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