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Berger

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Wirtschaftsexperte Berger: "Das ist wie ein globales Puzzle"

Das Banken-Rettungspaket der Bundesregierung ist auf dem Weg, die Aktienkurse steigen und Deutschland steuert laut Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute auf eine Rezession zu. Kann das Rettungspaket funktionieren und ist der Abschwung aufzuhalten? Fragen an den Wirtschaftswissenschaftler Helge Berger von der FU Berlin.

Ist das Rettungspaket eine gute Maßnahme?

Ja. Es geht die offenen wirtschaftspolitischen Flanken in Deutschland an. Das Rettungspaket bezieht sich vor allem auf die Rekapitalisierung der Banken, die mit großen Löchern in den Bilanzen dastehen und den Interbankenmarkt stören. Darüber hinaus werden großvolumige Garantien angeboten. Und in dem Gesetzesentwurf wird auch von Garantien für Risikoübernahmen gesprochen. Ähnlich dem ursprünglichen Plan des US-Finanzminister Paulson können also auch "schlechte" Papiere der Banken übernommen werden. Das Rettungspaket ist ein umfassender Instrumentenkasten, der wichtige Themen anspricht – dies betrifft auch die Bilanzregeln beziehungsweise Bewertungsgrundsätze, bei denen es momentan noch Fehler im System gibt.

Ist es auch die richtige Maßnahme?

Das Rettungspaket geht in die richtige Richtung. Es greift alle Ideen auf, die derzeit kursieren und es macht das, was derzeit möglich ist. Allerdings kommt es ein wenig spät. Man hat lange gebraucht, um die systematische Größe des Problems zu akzeptieren. Und man hat zu lange gehofft, mit einzelnen Banken arbeiten zu können.

Ab wann sehen wir Effekte des Rettungspaketes?

Wir sehen vertrauensbildende Effekte an den Aktienmärkten seit gestern. Ich vermute – bei aller Vorsicht – dass das noch ein Weilchen anhält. Wir sehen auch vorsichtige Zeichen auf dem Interbankenmarkt und bei den Versicherungsprämien, die Banken untereinander verlangen. Aber das geht sehr langsam, da die Probleme nicht regional zu lösen sind.

Was heißt das genau?

Wir haben einen europäischen, wenn nicht sogar globalen Interbankenmarkt, und der taut erst dann wirklich auf, wenn die Garantien überall platziert sind. Erst dann werden sich die großen Banken wieder sicher fühlen und sich gegenseitig Geld leihen. Im Moment ist die Notenbank für die Banken der attraktivste Anlageort für Liquidität – und gleichzeitig die einzige Quelle von Liquidität. Das wird in dem Maße aufhören, wie der Interbankenmarkt wieder funktioniert.

Was kann die Politik denn noch tun, um das Vertrauen zu fördern?

Neben Zeit brauchen wir die Implementierung all dieser Programme, die nun weltweit angekündigt sind. Die Märkte sind vorsichtig. Sie werden darauf Wert legen, dass die Ankündigungen an den relevanten Orten – vor allem in den USA und den großen europäischen Ländern – auch umgesetzt wird. Das ist wie ein globales Puzzle, das erst zusammengefügt werden muss. Der Gesetzentwurf der deutschen Seite ist voller offener Punkte. Er regelt lediglich den Rahmen. Die Details, auf die der Finanzmarkt nun wartet, werden in Rechtsverordnungen geregelt. Diese Details bereitzustellen, ist nun die vordringliche Aufgabe der Politik. In den USA ist die Sache noch schwieriger, die Lage noch unklarer. Die müsse noch mehr Details nachliefern.

In wie weit wird auf das Rettungspaket zugegriffen werden müssen? Was kommt auf den Steuerzahler zu?

Die Frage kann ehrlicherweise niemand beantworten. Der mögliche Verlust von fünf Prozent, den die Bundesregierung erwartet, ist auch nur eine Hausnummer. Die Garantiemaßnahme im Rettungspaket ist eine Maßnahme, um den Geldmarkt wieder in Gang zu setzen. Wenn der wieder läuft, dann wird die Garantie nicht gebraucht. Dann ist sie nur ein Hilfsmittel, um das Ganze anzustoßen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Garantiefall nicht relevant wird, ist durchaus hoch. Aber eine Sicherheit gibt es hier nicht.

Wie müssen die Banken nun vorgehen?

Sie müssen genau in ihre Handelsbücher und Bilanzen schauen, wissen, wo die eigenen Probleme sind und dann gegebenenfalls auf die Angebote der Regierung zugreifen. In England ist die Sache einigermaßen schnell gegangen. Zentral ist natürlich, dass die Banken einen Überblick über ihre Risiken haben.

Stichwort Konjunktur. Das Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute sieht Deutschland am Rande einer Rezession. Ist die noch abzuwenden?

Prognosen sind immer schwierig, aber es gibt inzwischen einen Konsens darüber, dass sich die ohnehin vorhandene konjunkturelle Abkühlung weiter verschärfen wird. Dass gilt auch für den Rest der Welt, von der sich die deutsche Konjunktur ohnehin kaum abkoppeln kann. Allerdings bin ich etwas optimistischer als die Wirtschaftsforschungsinstitute, was die Schmerzhaftigkeit dieser Abkühlung angeht.

Woher kommt dieser Optimismus?

Die realen Auswirkungen von Finanzkrisen hängen davon ab, wie tief sie sind und wie lange sie andauern. Wenn die weltweiten Rettungspakete soweit funktionieren, dass die Kreditvergabe der Banken an die Unternehmen und Haushalte nicht zuviel Schaden nimmt, dann wird auch der konjunkturelle Einbruch nicht so stark. Es gibt auch einen Herdentrieb bei Vorhersagen und momentan läuft die Herde stark ins Negative.

Brauchen wir ein Konjunkturprogramm?

Ich bin grundsätzlich pessimistisch, was die Nutzung von Sonderprogrammen zur Konjunktursteuerung angeht. Solche Programme kommen in der Regel zu spät und über die Effektivität lässt sich streiten. Konjunkturpolitik ist vor allem Sache der Geldpolitik. Die Europäische Zentralbank ist hier schon auf dem Weg, sie hat die Zinsen gesenkt. Ich vermute, die EZB hat sich nun entschieden: Sie hat langfristige Liquiditätshilfen zugesagt. Damit verspricht sie auch, den Zins langfristig nicht zu erhöhen. Ich denke, die Zentralbank ist nun dazu bereit, konjunkturelle Gesichtspunkte etwas höher zu gewichten. Zudem: Wenn die Rezession wirklich kommt, dann wird der Preisdruck entscheidend abnehmen. Sinkende Inflationsraten sind der einzige Lichtblick einer konjunkturellen Abkühlung. Wenn sie dies mit einkalkuliert, dann hat die EZB in ihrer Zinspolitik durchaus Spielraum nach unten.

Interview von Carsten Kloth

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