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Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, hat viele Dinge zu bedenken, wenn sie die Zinsen anhebt.

© JOHN THYS / AFP

Zinswende in unterschiedlichem Tempo: EZB und Fed haben bei der Inflationsbekämpfung nur eines gemein

Viele Notenbanken erhöhen ihre Zinsen kräftig. Auch die Fed in den USA, während die EZB Schritte vor sich herschiebt. Die Gründe sind vielfältig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thorsten Mumme

Die Amerikaner sind mit einer Leitzinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte am Dienstag vorangeprescht, die Bank of England hat ihren Leitzins am Donnerstag um 0,25 Punkte angehoben, und auch in der Schweiz gelten ab diesem Freitag höhere Zinsen.

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Zwar liegen die weiterhin im negativen Bereich, aber dennoch haben die Eidgenossen der Europäischen Zentralbank (EZB) damit etwas voraus. Denn deren Inflationsbekämpfung beschränkt sich bislang auf Ankündigungen und die Einberufung von Sondersitzungen.

Diese unterschiedlichen Herangehensweisen an das Problem der Inflation lassen mehrere Schlussfolgerungen gleichzeitig zu. Erstens legen sie offen, dass alle Notenbanken derzeit als Getriebene handeln. Zweitens sorgt genau das für noch mehr Unsicherheit, was die Krise weiterverschärft.

Und drittens macht es deutlich, dass in den USA und in der Euro-Zone unterschiedliche Voraussetzungen herrschen. So unterschiedlich sogar, dass eine einheitliche Bekämpfung der Inflation kaum möglich ist.

Die Fed denkt auch an den Arbeitsmarkt

Gemein ist der US-Notenbank Fed und der EZB, dass das Vertrauen in ihre Arbeit erschüttert ist. Fed-Chef Jerome Powell will nun mit seiner schnellen Zinswende Entschlossenheit ausstrahlen. Das ist auch nötig, hat er doch bereits zugeben müssen, dass er die steigenden Preise völlig unterschätzt hat. Ein verheerendes Eingeständnis eines Notenbankchefs – besonders, da Inflation auch eine psychologische Komponente hat, die schlimmer wirkt, wenn die Bürger davon ausgehen, dass die Teuerung außer Kontrolle gerät.

[Lesen Sie auch: Kommentar zur Zinswende – das Ende von vielem, woran wir uns gewöhnt haben]

Ökonomen sind sich zudem einig, dass die Konjunkturpakete der Regierung von Joe Biden zu unfokussiert waren und so die Geldflut unnötig erhöht haben. Powells langes Zögern lässt sich auch damit zu erklären, dass die Fed – im Unterschied zur EZB – nicht nur Geldwertstabilität zur Aufgabe hat, sondern zudem das Ziel der Vollbeschäftigung verfolgt. Da der Arbeitsmarkt in den USA gut läuft, kann Powell die Zinserhöhungen nun rechtfertigen, dass ohne stabile Preise langfristig Jobs in Gefahr seien.

Die EZB hat es schwerer

So einfach hat es die EZB nicht. Während in den USA die Erkenntnis wächst, dass die Bekämpfung der Inflation wichtiger ist als das Forcieren des Wachstums, ist in Europa die Sorge um die Konjunktur größer. Hauptgrund dafür ist die Schuldenlast vieler Euro-Länder. Steigen die Zinsen in Europa zu schnell, könnten Länder wie Italien oder Spanien ihre Schulden nicht mehr bezahlen. Plötzlich stünde Europa vor der Gefahr von Staatspleiten und einer neuen Euro-Krise.

Dass der Euro sich stabilisierte, obwohl die EZB mit ihrer überraschenden Sondersitzung am Mittwoch das Signal aussandte, die lockere Geldpolitik könnte vielleicht doch noch nicht am Ende sein, zeigt, wie groß diese Angst ist. Zudem: Das ressourecenarme Europa steht vor riesigen Investitionen in Erneuerbare Energien, will man nicht länger von den perspektivisch noch teurer werdenden fossilen Energieimporten abhängig sein. Mit hohen Zinsen wird das schwierig.

Doch selbst Zinserhöhungen in den USA können den Euro schwächen, da Kapital in die USA gezogen wird. Der Fed, deren Augenmerk auf dem Inlandswohl liegt, kann das relativ egal zu sein. Doch Grundlage für globale Investitionen und Zusammenarbeit ist das Vertrauen in stabile Währungen. Das zurückzugewinnen ist eine wichtige Aufgabe der Notenbanken. Auf beiden Seiten des Atlantiks.

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