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© Thilo Rückeis

Finanzkrise: Bert Rürup: Hilfspakete für Europa

Bert Rürup, Chef des Sachverständigenrats, rät davon ab, Unternehmen zu verstaatlichen. Stattdessen fordert er viele Milliarden für die Konjunktur des Kontinents.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Bert Rürup, hat davon abgeraten, einzelne Unternehmen, wie zum Beispiel Opel, quasi zu verstaatlichen oder einzelne Branchen unter staatliche Schutzschirme zu stellen. „Das würde zu massiven Verzerrungen führen“, sagte Rürup dem Tagesspiegel.

Stattdessen sprach sich der Ökonom dafür aus, einer Eintrübung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds mit gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen zu begegnen. Wegen des hohen Verflechtungsgrads der deutschen Volkswirtschaft sollte dies nach Möglichkeit in Koordination mit europäischen Nachbarstaaten geschehen. „Rein nationale Antworten, die aber auf jeden Fall eine Größenordnung von 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben sollten, sind im Vergleich zu länderübergreifenden Antworten nur die zweitbeste Lösung“, sagte Rürup. Würden die europäischen Regierungen miteinander abgestimmte Konjunkturprogramme verabschieden, müssten sie demnach den Umfang von insgesamt zwischen 60 und 120 Milliarden Euro haben.

Auch Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker hat eine europäische Strategie im Kampf gegen die Wirtschaftskrise angemahnt. Er spreche sich für „ein Rettungskonzept für die Autoindustrie auf europäischer Ebene“ aus, sagte Luxemburgs Regierungschef in einem Interview. Wenn Washington US-Konzernen mit Milliarden Dollar beispringe, könne Europa hiesige Hersteller nicht alleinlassen. Es habe aber „wenig Sinn, wenn Deutschland, Frankreich oder Italien jetzt einzeln versuchen, ihre Autoindustrie zu schützen“. Zugleich wies er darauf hin, dass mögliche Staatshilfen für deutsche Autokonzerne von der EU genehmigt werden müssten: „Die EU-Kommission wird jede Unterstützung überprüfen und schauen, ob sie mit dem EU-Recht übereinstimmt“, sagte er.

Juncker regte zur Belebung der Konjunktur EU-Anleihen zur Finanzierung von Investitionsprogrammen an. „Die EU-Kommission könnte Euro-Anleihen auflegen und die Einnahmen gezielt – zum Beispiel in Straßen, Schienennetze und Energieversorgung – investieren“. Europa müsse jetzt gemeinsam handeln „und die Wirtschaftskrise genauso entschlossen bekämpfen wie die Finanzkrise“, forderte der Luxemburger. „Allergisch“ dagegen sei er indes „gegen Konjunkturprogramme, die mit der großen Gießkanne Geld übers Land schütten - und dann am Ende nur die Verschuldung erhöhen“.

Beim Klimaschutz geht Juncker wegen der derzeitigen Krise von einem mög licherweise gedrosselten Tempo aus. Zwar dürfe das Ziel, die Erderwärmung zu stoppen, nicht aus dem Blick geraten: „Aber es kann sein, dass wir angesichts der finanziellen Belastungen durch die Wirtschaftskrise im Klimaschutz etwas langsamer vorangehen werden“, sagte er.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes lehnte derweil einen branchenweiten Rettungsschirm für die europäische Automobilindustrie – ähnlich dem für den Bankensektor – ab. „Man kann den Autosektor nicht mit dem Finanzsektor vergleichen“, sagte Kroes am Dienstag am Rande einer Veranstaltung in Paris. Wegen der schweren Finanzkrise gab die EU im Bankensektor grünes Licht für branchenweite nationale Rettungspakete. Kroes sagte, dies sei notwendig, weil das Finanzsystem lebenswichtig für die gesamte Wirtschaft sei. Dennoch müssten die Wettbewerbsregeln eingehalten werden. „Wir müssen streng sein“, unterstrich Kroes. Schließlich gerieten mit Sicherheit noch andere Branchen in Schwierigkeiten. Auch Kroes forderte eine „europäische Antwort“ für die Autobranche. Industriekommissar Günter Verheugen war vor kurzem dafür eingetreten, dass die Autobauer zinsverbilligte Kredite von der Europäischen Entwicklungsbank (EIB) zum Bau klimafreundlicherer Autos bekommen sollten. Auch der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, sprach sich dafür aus, den Sektor in der Krise zu unterstützen. Die EU-Kommission will am 26. November einen Aktionsplan zu konjunkturstützenden Maßnahmen präsentieren.

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