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Finanzkrise: EU bremst Spekulanten

Auf den Tag genau zwei Jahre nach der Lehman-Pleite hat die EU einen weiteren Schritt unternommen, um die Finanzmärkte sicherer zu machen: Die Kommission will den Derivatehandel kontrollieren, Leerverkäufe können für drei Monate verboten werden.

Brüssel - EU-Binnenkommissar Michel Barnier präsentierte am Mittwoch Vorschläge, mit denen er riskante Börsenwetten einschränken will. Die Finanzmärkte dürften „nicht der Wilde Westen bleiben“, sagte Barnier.

Mit seinem Gesetzesentwurf setzt der Franzose Vorgaben des Pittsburgher G-20-Gipfels vom Herbst vergangenen Jahres um. Angesichts der Rolle, die etwa Wetten mit Kreditausfallversicherungen im Zuge der Euro-Krise gespielt haben, hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die EU-Kommission vor ein paar Monaten sogar dazu ermahnt, die Regeln deutlich schneller vorzulegen.

Der erste Teil betrifft neue Regeln für sogenannte Derivate. Das sind Termingeschäfte, bei denen mit dem zukünftigen Wert einer Ware oder eines Finanzgeschäfts gehandelt wird. Unternehmen nutzen solche Kontrakte etwa, um sich langfristig einen Rohstoff zu einem bestimmten Preis zu sichern. So können sie ihre Ausgaben sicherer kalkulieren. Auf der anderen Seite kann man mit solchen Derivaten auch spekulieren. Ist der Marktpreis später niedriger als der vereinbarte Preis, macht der Verkäufer Gewinn, liegt er höher, profitiert der Käufer. Laut EU-Kommission umfasste der Derivatemarkt Ende 2009 ausstehende Positionen von geschätzt 625 Billionen Euro. Rund 90 Prozent dieser Geschäfte werden nicht öffentlich an den Börsen gehandelt, sondern „über den Ladentisch“: Dabei handeln beide Seiten die Konditionen aus – ohne, dass die Finanzmarktaufsicht davon erfährt.

Das wird sich mit dem neuen EU-Gesetz ändern, sofern es vom Rat der 27 Regierungen und dem Europaparlament verabschiedet wird. Künftig muss dann jedes Derivategeschäft einer sogenannten Clearingstelle gemeldet werden. Das sind Privatunternehmen, auf deren Daten die zum 1. Januar nächsten Jahres neu entstehende EU-Finanzaufsichtsbehörde Zugriff haben wird. Ziel ist, wie es in dem Kommissionsvorschlag heißt, „eine bessere Übersicht darüber, wer wem was schuldet“. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Finanzmarktakteure unbemerkt „Risikopositionen anhäufen“. Die Händler müssen darüber hinaus nachweisen, dass sie über ausreichend Eigenkapital und „lautere Geschäftspraktiken“ verfügen.

Von dem Gesetz ausgenommen sind solche Transaktionen, die direkt die Geschäfte eines Unternehmens betreffen – etwa wenn eine Fluglinie versucht, sich gegen steigende Kerosinpreise abzusichern. Aus dem Europaparlament gab es gestern vor allem positive Reaktionen auf diese Vorschläge.

Der zweite Teil des Gesetzespaketes betrifft die Leerverkäufe. Bei Leerverkäufen leihen sich Investoren Aktien oder Anleihen, verkaufen diese und hoffen, sie vor der fälligen Rückgabe preiswerter einkaufen zu können. Diese Handelspraxis verschärfte in der Finanzkrise die Talfahrt von Bankaktien, so dass einige Finanzinstitute an den Rand einer Pleite gerieten.

Die EU soll sie künftig zunächst für drei Monate verbieten können. Deutschland müsste dann das vor kurzem verhängte unbefristete Verbot von ungedeckten Leerverkäufen aufheben und alle drei Monate prüfen, ob es noch gerechtfertigt ist. Die Bundesregierung hatte auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise ohne Absprache mit den europäischen Partnern den Bann verhängt. Solche Alleingänge will die EU-Kommission mit der Verordnung verhindern, weil sie nach ihrer Auffassung dem gemeinsamen europäischen Finanzmarkt schaden.

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