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Verbrannt. Japanische Neuwagen, die eigentlich für den Export bestimmt waren, gingen am Wochenende im Hafen von Tokio in Flammen auf.

© AFP

Finanzmärkte: Sorge vor dem großen Crash

Teile der japanischen Wirtschaft liegen in Trümmern, die Finanzmärkte sind nervös – dem Land droht erneut eine Rezession. Die Bank of Japan will mehrere Billionen Yen in den Finanzmarkt pumpen.

Berlin - Das Erdbeben in Japan und der drohende Atom-GAU werden an diesem Montag die Finanzmärkte beherrschen und Gesprächsthema Nummer eins in zahlreichen Unternehmen sein, die in dem Land engagiert sind. Besonders hart trifft es die Versicherungswirtschaft: Der Schaden durch das schwerste Erdbeben in der Geschichte Japans werde die Branche bis zu 34,6 Milliarden Dollar (25,1 Milliarden Euro) kosten, teilte die US-Risikoanalysegesellschaft AIR Worldwide am Sonntag mit.

Um den Finanzsektor zu beruhigen, bekräftigte die Bank of Japan am Wochenende, sie wolle „ihr Äußerstes tun, um die Stabilität der Finanzmärkte zu gewährleisten“. Bis Sonntag versorgte sie 13 Finanzinstitute mit umgerechnet 483 Millionen Euro Sonderhilfe. An diesem Montag will die Zentralbank Berichten zufolge weiteres Geld in den Markt pumpen. Dem Geldmarkt sollten mehrere Billionen Yen zur Verfügung gestellt werden, berichtete die Nachrichtenagentur Jiji. Dies sei die erste kurzfristige Operation dieser Art seit Mai 2010. Damals hatte die Bank of Japan zwei Billionen Yen (umgerechnet 17,1 Milliarden Euro) in die Märkte gepumpt, um die Belastungen durch die Schuldenkrise Griechenlands aufzufangen. Doch der geld- und fiskalpolitische Spielraum ist begrenzt. Die japanischen Leitzinsen liegen schon bei null Prozent. Außerdem ist der Staat überschuldet. Das Defizit liegt bei mehr als 200 Prozent – so hoch wie in keinem anderen Land.

Japans Finanzminister Yoshihiko Noda erklärte, die Regierung werde zunächst beobachten, wie die Finanzmärkte die Katastrophe aufnähmen. Experten befürchteten am Sonntag, dass der Nikkei-Index zum Wochenbeginn unter die psychologisch wichtige Marke von 10 000 Punkten fallen wird. Die Börse in Tokio öffnete nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe um 1.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Der für die Märkte zuständige Minister Shozaburo Jimi erklärte am Sonntag, die Behörden würden besonders auf Versuche von Manipulationen achten. Das gelte besonders für Leerverkäufe.

Unterschiedlich bewerten Volkswirte die Folgen der Katastrophe für die japanische Wirtschaft und die Weltwirtschaft. Vor dem Wochenende hatte es zunächst optimistische Stimmen gegeben, doch inzwischen wird mehr und mehr das ganze Ausmaß der Zerstörungen bekannt. „Das Erdbeben wird beträchtliche Folgen für die wirtschaftliche Aktivität einer großen Zahl von Branchen haben“, sagte der japanische Regierungssprecher Yukio Edano. Die Produktionsausfälle in zahlreichen Großkonzernen wegen beschädigter Anlagen und Stromausfall könnten die japanische Wirtschaft erneut zurückwerfen. Schrumpft die Wirtschaft in mindestens zwei Quartalen in Folge, würde Japan in die Rezession rutschen. Nach drei Quartalen des Wachstums war die Wirtschaft schon im letzten Quartal 2010 leicht geschrumpft. „Das Timing der Katastrophe hätte nicht schlimmer sein können“, erklärte die Beratungsfirma Capital Economics.

Lars P. Feld, Mitglied im Sachverständigenrat („Fünf Weise“), sagte dem Tagesspiegel, Japan werde durch die Naturkatastrophe „sicherlich einen Rückgang der Wirtschaftsaktivität verkraften müssen“. Ob sich dies stark auf die Weltwirtschaft auswirke, hänge vom Ausmaß der Schäden und der japanischen Reaktion ab (Interview Seite 16).

Der weltgrößte Autobauer Toyota stellt an diesem Montag den Betrieb in all seinen zwölf Fabriken ein. Auch andere Autobauer sind betroffen: Nissan setzte die Produktion an seinen vier Fertigungsstandorten aus. In zwei Werken war es zu kleineren Bränden gekommen. Honda hat vier heimische Fabriken und ein Forschungszentrum geschlossen. Auch der Elektronikriese Sony unterbrach die Produktion in sechs Werken.

Nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer könnte es im schlimmsten Fall bis zu drei Monate dauern, bis die japanische Autofertigung wieder läuft. Das entspreche einem Produktionsausfall von 2,5 Millionen Fahrzeugen, der nur zu etwa 30 Prozent durch Produktionsausweitungen außerhalb Japans auszugleichen sei. „Dies entspricht in etwa einem Schaden von 25 Milliarden Euro für die japanische Automobilindustrie“, teilte Dudenhöffer am Sonntag mit.

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