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Rätselhafte Kurse. Der sogenannte Hochfrequenzhandel mit Aktien soll nach EU-Plänen künftig unterbrochen werden, sobald Computer unerklärliche Verkäufe auslösen.

© dpa

Finanzmarktregeln: Brüssel greift ein

Das Gesetz zur Zähmung des Kasinokapitalismus hat die EU schon erlassen. Jetzt sollen die Finanzmarktregeln weiter verschärft werden. Und auch für Anleger könnte sich einiges ändern.

Insgesamt 23 Gesetzespakete umfasst das Arbeitsprogramm des für Finanzmarktregeln zuständigen EU-Kommissars Michel Barnier. Auf einem Schaubild, das Barnier am Donnerstag in Brüssel präsentierte, sind aber nur vier davon in grüner Farbe gehalten. Sie signalisiert, dass die EU das entsprechende Gesetz zur Zähmung des Kasinokapitalismus schon erlassen hat. Weitere acht sind blau, was bedeutet, dass die Brüsseler Kommission bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der derzeit zwischen dem Rat der Regierungen und dem Europaparlament beraten wird. Zwei davon dürfen als türkis gelten, da es eine informelle Einigung gibt, die aber noch offiziell bestätigt werden muss. Erst am Dienstagabend kamen die Verhandler überein, dass sogenannte Leerverkäufe unter anderem von Staatsanleihen mit wenigen Ausnahmen verboten werden. Künftig dürfen sich Händler nicht mehr gegen die Wertlosigkeit eines Papiers absichern, das sie gar nicht besitzen.

Barnier legte am Donnerstag ein Gesetzespaket zur Reform der Finanzmarktrichtlinie Mifid mit weitreichenden Änderungen vor. So werden Rechenschaftspflichten und Transparenzregeln von den traditionellen Börsen auf neuartige Handelsplattformen ausgedehnt, die speziell bei Termingeschäften eine große Rolle spielen, bisher aber gänzlich unreguliert sind. Erfasst werden sollen künftig auch technologische Neuerungen wie der Hochfrequenzhandel. Dabei errechnen Computer aus einer Fülle von Marktdaten, ob sie binnen Sekunden ein Wertpapier kaufen oder verkaufen – ohne menschliches Zutun. Dies hat mehrfach nicht nachvollziehbare Kursschwankungen ausgelöst. In einem solchen Fall will Barnier nun beispielsweise vorschreiben, dass der Handel unterbrochen werden kann, bis die Ursachen geklärt sind. „Die Krise hat uns unerbittlich vor Augen geführt, wie komplex und undurchsichtig bestimmte Aktivitäten und Produkte geworden sind. Das muss sich ändern“, sagte er.

Die Novelle der Marktmissbrauchsrichtlinie (Mad) sieht vor, dass europaweit niemand mehr ohne Strafe davonkommt, der Insiderhandel betreibt oder Kurse manipuliert. Barniers Entwurf sieht vor, dass die Höchststrafe für Händler bei mindestens fünf Millionen Euro liegen soll, unlauter agierende Firmen sollen mindestens zehn Prozent des Jahresumsatzes als Strafe zahlen müssen. In Deutschland werden Insidergeschäfte bereits verfolgt, in anderen Ländern ist dies nur eingeschränkt oder gar nicht der Fall.

Die EU-Kommission will außerdem Ratingagenturen notfalls verbieten, Urteile über die Kreditwürdigkeit kriselnder EU- Länder zu veröffentlichen. „Wenn man zu dem Schluss kommt, dass ein Rating nicht sinnvoll ist, könnte man es für einen bestimmten Zeitraum aussetzen“, sagte Barnier. Ein befristetes Verbot soll verhindern, dass Ratingagenturen Schuldenstaaten noch tiefer in die Krise rutschen lassen. Dabei denkt Barnier an Staaten, die internationale Finanzhilfen zum Beispiel von EU oder IWF erhalten.

Privatanleger sollen nach dem Willen der EU-Kommission besser vor den Risiken komplizierter Finanzprodukte geschützt werden: Damit sie nicht zu Anlagen gedrängt werden, die ihren Bedürfnissen nicht entsprechen, sollen Finanzberater keine Provisionen mehr bekommen dürfen, sondern Anlagen gegen Honorar vermitteln. Verbraucherschützer in Deutschland begrüßten den Vorschlag am Donnerstag als „Meilenstein für Verbraucherschutz“.

(mit AFP)

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