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Der Neue und der Alte? Portugals Finanzminister Mario Centeno im Gespräch mit dem bisherigen Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.

© Emmanuel Dunand/AFP

Finanzminister-Konklave: Wer wird neuer Chef der Eurogruppe?

Die Finanzminister der 19 EU-Länder suchen ihren neuen Chef. Der Posten soll an einen Sozialdemokraten gehen.

Es ist ein Posten, der mit Macht verbunden ist. Wenn an diesem Montag die Finanzminister der 19 Euro-Staaten aus ihren eigenen Reihen einen neuen Vorsitzenden wählen, dann geht es um einen EU-Spitzenposten. Gleich vier Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge des Niederländers Jeroen Dijsselbloem, dessen zweite Amtszeit als Eurogruppen-Chef Mitte Januar ausläuft: ein Portugiese, ein Luxemburger, ein Slowake und eine Lettin. Wer von ihnen zum Zuge kommt, darf künftig nicht nur die regelmäßigen Treffen der Eurogruppe organisieren, sondern auch ein gewichtiges Wort bei der Diskussion über die Zukunft der Gemeinschaftswährung mitreden.

Ein Sozialdemokrat wird den Posten bekommen

Als Favorit gilt der portugiesische Finanzminister Mario Centeno, der neben der lettischen Ressortchefin Dana Reizniece-Ozola sowie ihrem slowakischen Kollegen Peter Kazimir und dem Luxemburger Pierre Gramegna ins Rennen geht. Für Centeno spricht, dass er wie Dijsselbloem zur Parteienfamilie der europäischen Sozialdemokraten gehört. Die Sozialdemokraten erheben Anspruch auf den Posten, weil die Konservativen von der Europäischen Volkspartei (EVP) ohnehin schon an zahlreichen europäischen Schaltstellen vertreten sind: der Luxemburger Jean-Claude Juncker ist EU-Kommissionschef, der Pole Donald Tusk amtiert als EU-Ratspräsident und der Italiener Antonio Tajani hat das Amt des EU-Parlamentspräsidenten inne. Wegen der starken Stellung der EVP-Leute haben die Konservativen von vornherein darauf verzichtet, einen Kandidaten für den Chefposten der Eurogruppe aufzustellen.

Wiedergutmachung nach Glyphosat-Alleingang?

Wer die Nachfolge Dijsselbloems antreten will, benötigt mindestens zehn der 19 Stimmen. Zwar ist es keineswegs sicher, dass sich das Finanzminister-Konklave bis Montagabend auf den Portugiesen Centeno einigt. Aber immerhin hat SPD-Chef Martin Schulz dem Vernehmen nach mit einigen EU-Regierungschefs telefoniert, um für den 50-jährigen Harvard-Ökonomen zu werben. Und Centeno selbst sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er habe „recht konstruktive“ Gespräche mit Deutschland und Frankreich geführt. Dass die Bundesregierung den Vertreter des früheren Krisenlandes unterstützt, wäre keine Überraschung. Denn CDU und CSU ist womöglich daran gelegen, auf EU-Ebene nach dem Glyphosat-Alleingang von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) gegenüber der SPD ein wenig Wiedergutmachung zu betreiben.

Allerdings ist die Parteizugehörigkeit nicht das einzige Kriterium, das die Euro-Finanzminister bei der Wahl an diesem Montag im Hinterkopf behalten müssen. Bei den europäischen Top-Jobs müssen sowohl die Interessen von Ost- und Westeuropäern sowie kleiner und großer Länder austariert werden. Diesmal stellen sich mit dem Sozialdemokraten Kazimir aus der Slowakei und der Grünen Reizniece-Ozola aus Lettland, die nebenbei auch noch Großmeisterin im Schach ist, gleich zwei Kandidaten aus Osteuropa zur Wahl. Den beiden werden aber nur Außenseiterchancen eingeräumt. Zwar könnte Kazimir bei einigen nordeuropäischen Staaten punkten, weil er in der Vergangenheit ähnlich wie der frühere deutsche Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) auf Solidität in den Euro-Krisenstaaten pochte. Allerdings wird ihm mangelndes diplomatisches Fingerspitzengefühl vorgeworfen.

Als nicht unbedingt konsensfähig gilt auch der Luxemburger Gramegna. Gegen den Liberalen spricht, dass das Großherzogtum seit den „Luxleaks“-Enthüllungen wegen der Steuervereinbarungen mit Konzernen wie Apple und Amazon zahlreiche Negativ-Schlagzeilen gemacht hat.

Entscheidende Phase für die Eurozone

Die Entscheidung über die Dijsselbloem-Nachfolge fällt für die Euro-Zone in einer entscheidenden Phase. In den vergangenen Jahren waren die Euro-Finanzminister vor allem damit beschäftigt, Rettungspakete für angeschlagene Staaten wie Griechenland zu schnüren und die Einhaltung der Kreditauflagen zu überwachen. Inzwischen hat sich die Lage entspannt; das dritte Griechenland-Hilfspaket läuft im kommenden Jahr aus. Umso mehr gerät dafür die Frage in den Fokus, wie einzelne Staaten der Gemeinschaftswährung vor künftigen Notlagen geschützt werden können.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat ein eigenes Budget für Investitionen in der Euro-Zone gefordert und zudem die Einführung des Postens eines EU-Finanzministers ins Gespräch gebracht. Zwar hat Macron keine Details genannt. Aber seine Forderung könnte darauf hinauslaufen, die bisherigen Ämter des Eurogruppen-Chefs und des EU-Wirtschaftskommissars zusammenzulegen.

Wenn es nach Macron geht, könnte demnächst auch ein eigenes Parlament für die Euro-Zone eingerichtet werden. Für die Euro-Finanzminister würde dies bedeuten, dass sie in der Öffentlichkeit künftig mehr als bisher Rede und Antwort stehen müssen. Zu denen, die eine verstärkte demokratische Kontrolle der Euro-Kassenwarte fordern, gehört der Brüsseler Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Bei ihren informellen Begegnungen, monierte Moscovici jüngst, träfen die Euro-Finanzminister hinter verschlossenen Türen weitreichende Entscheidungen, „die das Leben von Millionen Bürgern betreffen“. „Das muss sich ändern“, verlangte der Franzose.

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