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Derzeit sitzen die meisten deutschen Fintechs in Berlin.

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Fintechs: Berlin und Frankfurt buhlen um Finanz-Start-ups

Berlin lockt derzeit besonders viele Start-ups aus dem Finanzbereich an. Doch auch Frankfurt am Main wirbt um die Gründer.

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Geht es um die Digitalisierung, sind Banken „träge Dampfer“. Das räumt Jürgen Allerkamp, Chef der Investitionsbank Berlin (IBB) offen ein. Wie gut, dass es andere gibt, die das schneller können: Fintechs werden sie genannt, die jungen Gründer, die Finanzdienstleistungen online anbieten. Sie helfen dabei, im Netz einen Kredit aufzunehmen, Geld per Klick im Ausland anzulegen oder binnen Minuten das Konto zu wechseln. In Berlin sind in den letzten Jahren besonders viele dieser jungen Finanzfirmen entstanden. Von bundesweit 250 Fintechs sitzen 70 in der Hauptstadt – mehr als in jeder anderen Metropole Deutschlands. Geldgeber haben allein im vergangenen Jahr 80 Millionen Euro in die Berliner Fintechs investiert, zeigt eine Studie, die die IBB am Mittwoch vorgestellt hat.

Frankfurt will gegenüber Berlin aufholen

„Berlin hat sich innerhalb kürzester Zeit zum deutschen Zentrum für junge Fintech-Unternehmen entwickelt“, sagt Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU). Ihre Hoffnung: Mit den Fintechs könnte in Berlin ein neuer Finanzplatz entstehen. Einer, der ganz anders ist als der in Frankfurt am Main. In Deutschlands Finanzmetropole blickt man deshalb auch gleichermaßen neidisch wie besorgt nach Berlin – und setzt alles daran, die jungen Finanzfirmen von der Spree an den Main zu locken, wo es bisher 56 Fintechs gibt. „Zurzeit ist Berlin attraktiver. Aber wir holen auf“, sagt Zeljko Kaurin, Vorstandsmitglied der ING Diba. Carsten Kengeter, Chef der Deutschen Börse, forderte unlängst: „Frankfurt soll Deutschlands führendes Fintech-Zentrum werden.“

In Berlin ist man sich dieser Konkurrenz durchaus bewusst. Wirtschaftssenatorin Yzer sagt daher auch, man dürfe sich auf Erreichtem nicht ausruhen. Für sie sei die Förderung der Fintechs „ein persönliches Anliegen“. Derzeit vergehe keine Woche, in der sie sich nicht mehrmals mit dem Thema befasse.

In Frankfurt entsteht gerade ein neues Fintech-Zentrum

Frankfurt oder Berlin – das ist für die jungen Gründer eine Grundsatzentscheidung. Wollen sie in der Nähe der Großbanken sitzen, um später mit ihnen zu kooperieren? Oder gehen sie lieber nach Berlin, wo sie leichter an Tech-Experten kommen? Derzeit liegt Berlin in diesem Rennen vorne. Doch Frankfurt will aufholen. Am 1. Oktober eröffnet die hessische Landesregierung zusammen mit der Stadt Frankfurt und der Goethe-Universität das „Tech Quartier“: ein Fintech-Zentrum, in dem 114 Arbeitsplätze für junge Gründer bereit stehen sollen. Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) beschreibt das Quartier als „einen Ort, wo man sich trifft und auch mal Party machen kann“.

Dabei ist das Tech Quartier längst nicht die erste Anlaufstelle für Fintechs. In Berlin wie in Frankfurt gibt es bereits einige. In der Hauptstadt betreibt die Deutsche Bank zum Beispiel ihr „Innovation Lab“. Roland Berger und der Kreditkartenanbieter Visa haben hier einen „Digital Innovation Hub“ aufgebaut. In Frankfurt hat die Deutsche Börse in diesem Jahr ihren „Fintech Hub“ eröffnet, die Commerzbank fördert Gründer im „Main Incubator“.

Beide Städte wollen vom Brexit profitieren

So wird das Buhlen der Berliner und Frankfurter um Fintechs zunehmend zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen. Beide Städte hoffen zum Beispiel auch, vom Brexit zu profitieren: Sie wollen Londoner Fintechs anlocken, die ihren Standort verlagern könnten. Denn treten die Briten aus der Staatengemeinschaft aus, können die Gründer von London aus vermutlich nicht mehr so leicht in EU-Staaten expandieren. Berlins Wirtschaftssenatorin Yzer war deshalb erst kürzlich auf der London Fintech Week, um für die deutsche Hauptstadt zu werben. Ihr Kollege aus Hessen, Al-Wazir, kommt ebenfalls gerade von einer Werbetour aus London zurück, wo er sich das Fintech-Zentrum „Level 39“ angeschaut hat.

Es geht nicht nur um Gründer - sondern auch um Arbeitsplätze

Beiden Städten geht es bei dem Umwerben der jungen Fintechs nicht nur um Ehre oder Prestige – sondern vor allem um Wirtschaftskraft. „Fintechs können sich zu wichtigen Arbeitgebern in der Stadt entwickeln“, sagt IBB-Chef Allerkamp. Schon jetzt beschäftigen die Finanz-Start-ups mindestens 2000 Mitarbeiter in Berlin. Dabei zeigt diese Zahl allerdings auch, wie groß der Nachholbedarf hierzulande noch ist. In London, New York oder Sydney haben Fintechs bereits das 30-fache an Mitarbeitern. Das heißt: Die Berliner Konkurrenz sitzt nicht in Frankfurt – sondern im Ausland. Neben den USA besonders viele Fintechs in Asien und die expandieren kräftig. So soll man über den chinesischen Whatsapp-Dienst Wechat zum Beispiel bald auch in Europa Geld überweisen können. Auch Facebook arbeitet bereits an einem Tool, mit dem man per Messenger Freunden Geld schicken kann.

Um dieser Konkurrenz zu begegnen, fordert Chris Bartz, der beim Branchenverband Bitkom den Arbeitskreis Fintechs leitet: „Wir müssen mehr Brücken bauen zwischen Berlin und Frankfurt.“ Statt sich Konkurrenz zu machen, sollten die beiden Städte an einem Strang ziehen, zum Beispiel um sich für eine Fintech-freundliche Regulierung einzusetzen. Denn viele Regeln, an die sich Finanzdienstleister halten müssen, stammen aus einer Zeit, in der von Digitalisierung noch keine Rede war.

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