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Fitness-Armbänder können Herzfrequenz, Kalorienverbrauch oder Schrittzahl messen. Fast jeder dritte Deutsche nutzt inzwischen solche "Wearables".

© Michel Winde/ dpa

Fitnesstracker, Smartwatches & Co: Der vermessene Mensch

Immer mehr Deutsche nutzen Fitnesstracker, um zu verfolgen, wie gesund sie sind. An den Daten sind vor allem Versicherer interessiert, Verbraucherschützer fürchten die Benachteiligung alter und kranker Menschen.

Berlin - Wenn Heiko Maas (SPD) eine freie Minute hat, dann geht er gerne schwimmen, Rad fahren und laufen. Der Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz ist ein begeisterter Triathlet – und er will immer besser werden. Deshalb überprüft er beispielsweise seine Atemfrequenz und in welcher Zeit er wie viele Kilometer schafft, die Daten wertet er dann an seinem Computer aus. Sonst aber habe niemand Zugriff auf diese Daten, „hoffe ich zumindest“, sagte Maas am Dienstag.

Jeder dritte Deutsche nutzt Fitnesstracker

Mass meinte das zwar eher als Scherz, trifft dabei aber die Sorge vieler Menschen, die sich fragen, wer tatsächlich Zugriff auf ihre Daten hat. Auf das Prinzip Hoffnung zu setzen ist dabei sicher nicht die beste Idee. Gerade, wenn es um so sensible Angaben wie zu physischen und psychischen Stärken und Schwächen geht. Wie Maas nutzt fast jeder dritte Mensch in Deutschland laut einer Studie des IT-Branchenverbands Bitkom sogenannte Fitnesstracker oder Apps, um Gesundheitsdaten aufzuzeichnen. Diese neuen Möglichkeiten der Selbstvermessung bieten zwar Chancen mit Blick auf Gesundheitsprävention. Bergen jedoch Risiken vor dem Hintergrund, wie diese Daten genutzt werden – und vor allem von wem.

„Niemand sollte gezwungen sein, seine Fitness überwachen zu lassen“, forderte Maas deshalb am Dienstag beim Safer Internet Day, der jährlich vom Ministerium für Verbraucherschutz und dem Branchenverband Bitkom veranstaltet wird. Schwerpunkt in diesem Jahr: Sogenannte „Wearables“, also am Körper getragene Messsysteme, und Gesundheitsapps.

Wer seine Daten nicht messen lassen oder diese Daten nicht der Krankenkasse zur Verfügung stellen wolle, dürfe keine Nachteile haben, betonte Maas. Wichtig sei, über diese sensiblen Daten „frei und selbstbestimmt“ entscheiden zu können. Mit dieser Freiheit sei es aber nicht weit her, „wenn Krankenkassen Tarifmodelle entwickeln, bei denen Versicherte den günstigen Tarif nur dann bekommen, wenn sie ihre kompletten Gesundheitsdaten ständig übermitteln.“ Er will deshalb die Verwendung bestimmter Gesundheitsdaten auf Grundlage des neuen EU-Datenschutzrechts prüfen und gegebenenfalls einschränken. Die Sorge des Ministers kommt nicht ohne Anlass. Denn tatsächlich planen viele Versicherer bereits, die Gesundheitsdaten von Kunden zu nutzen und einen nachweislich positiven Lebensstil zu prämieren. Zwar bieten die meisten Kassen schon heute ihren Mitgliedern Bonusprogramme an, doch diese gehen nicht auf elektronisch erfasste Daten zurück, wie sie die neuen Körpercomputer liefern.

Krankenkassen wollen einen gesunden Lebensstil belohnen

So will die Techniker Krankenkasse (TK) künftig Daten von Fitnesstrackern auf der Gesundheitskarte speichern. TK-Chef Jens Baas plädierte in der „Süddeutschen Zeitung“ für eine „elektronische Patientenakte“, in der Ärzte neben Röntgenbildern und Laborbefunden auch Daten wie das Ausmaß der Bewegung abrufen können. So könnten Krankheiten besser beobachtet und Prognosen über die gesundheitliche Entwicklung gegeben werden. Wenn beispielsweise bekannt sei, dass der Versicherte eine Depression habe und auf einmal werde ein „auffälliges Bewegungsmuster“ festgestellt, dann könne dem Versicherten vorgeschlagen werden, zum Arzt zu gehen. Baas betonte jedoch, dass allein der Patient bestimmen könne, „wer die Daten sehen darf, er darf also auch seine Kasse außen vorhalten.“

Auch der Lebensversicherer Generali hat angekündigt, seinen deutschen Kunden noch im ersten Halbjahr 2016 ein ähnliches Programm anzubieten. Wer daran teilnimmt, legt beispielsweise beim Einkaufen eine Karte vor, für Lebensmittel und Produkte, die als gesund gekennzeichnet worden sind, werden Punkte auf einem Konto gutgeschrieben. Auch die Bewegungs- und Gesundheitsdaten wie Puls, Blutdruck und Blutzucker, die mit Fitnesstrackern gemessen werden, werden erfasst.

Werden alte und kranke Beitragszahler künftig benachteiligt?

Solche Programme, die den „gläsernen Kunden“ belohnen, stoßen bei Verbraucherschützern indes auf Protest. So fürchtet die Deutsche Stiftung Patientenschutz, dass die Nutzung von Fitnesstrackern und Gesundheits-Apps letztlich zulasten alter und kranker Beitragszahler gehe. „Wer gesund und fit ist, spekuliert auf Rabatte. Wer nicht mitmacht, ist schnell identifiziert und diskriminiert“, erklärte Vorstand Eugen Brysch am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur. Alte, chronisch kranke und pflegebedürftige Mitglieder seien die Verlierer, wenn Krankenkassen neue Tarifmodelle für ihre gesunden Kunden anbieten dürften. Sie müssten die Marketing-Zeche bezahlen.

Problematisch ist jedoch nicht allein der Schutz der Daten, sondern auch die Genauigkeit der Messung. Stiftung Warentest hatte 2015 zwölf Smartwatches geprüft, keine davon war ohne Mängel. Viele Nutzer trainieren also möglicherweise auf Grundlage falscher Daten – was wiederum Gesundheitsrisiken birgt.

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