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Fitschen und Jain angezählt: Wie der Fall Kirch die Deutsche Bank belastet

Prozessbetrug, Zinsmanipulation, krumme Devisengeschäfte. Die Vorwürfe gegen die Deutsche Bank häufen sich. Das wirkt sich auch auf die Vorstände Jürgen Fitschen und Anshu Jain aus.

Im jüngsten Geschäftsbericht ist der Bank der Fall Kirch nur fünf Zeilen wert. Im Herbst nahm der Konflikt mit dem Münchener Medienunternehmen noch fast eine ganze Seite ein. 775 Millionen Euro plus Zinsen und weitere Kosten, was sich auf rund 925 Millionen Euro summiert haben dürfte, hat die Bank Ende Februar an die Kirch-Erben gezahlt – in der Überzeugung, dass der zwölf Jahre währende Streit und die Prozessflut um das Interview des ehemaligen Vorstandssprechers Rolf Breuer endlich beigelegt seien. Das sei wohl eine Illusion gewesen, sagt Hans-Peter Burghof, Banken-Professor an der Universität Hohenheim. Es könne gut sein, dass die Deutsche Bank diesen Schritt schon wenige Wochen später bereut.

Denn die Causa Kirch gärt immer noch weiter, auch wenn nicht noch einmal ein drastischer Millionenvergleich droht. Nicht die Kirch-Anwälte, die Justiz in München hat Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen im Auge und mit ihm ein gutes Dutzend anderer Top-Banker, Ex-Top-Banker und Anwälte des Instituts. Die Staatsanwälte vermuten versuchten Prozessbetrug und Falschaussage oder eine angebliche Unterstützung des Betrugs. Noch im Frühjahr soll die Anklage gegen Fitschen, seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer, den aktuellen Rechtsvorstand Stephan Leithner, gegen andere Ex-Vorgänge und Anwälte angeblich auf dem Tisch liegen. Am Dienstag wurden Büros der Deutschen Bank durchsucht. Damit drohen ein Mammutverfahren und ein neuer Tiefschlag für das Ansehen der Deutschen Bank.

Welche Folgen haben die Anschuldigungen für die Deutsche Bank?

Fitschen hält die Anschuldigungen für absurd. Die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße hat er deshalb offenbar abgelehnt. Die Bank wolle sich nicht erpressen lassen, vermutet Burghof. Tatsächlich reagiert Fitschen, ein im Mittelstand hoch angesehener Banker, immer dann mit sehr klaren Worten und erkennbarer Empörung, wenn er sich in seinen Augen falschen Vorwürfen oder Vorhaltungen ausgesetzt sieht. Die Wirkung in der Öffentlichkeit ist allerdings eine andere, etwa wenn er in Sachen Bankenregulierung mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aneinandergerät.

Die geschäftspolitischen Sünden der Vergangenheit lasten schwer auf Fitschen und Co-Vorstandschef Anshu Jain. Und die sind deutlich geschäftsschädigender als die Causa Kirch. Das wissen beide sehr genau. Also hat die Bank im Dezember den Streit um fragwürdige Hypothekenkredite in den USA beigelegt. Kostenpunkt 1,4 Milliarden Euro. Damit ist nach Angaben der Bank zwar der größte Teil der Auseinandersetzungen beigelegt, aber eben nicht alles. Dies gilt noch mehr im Blick auf die Manipulation der Interbankenzinssätze Euribor und Libor. Ebenfalls im Dezember hat die Bank im Rahmen eines Vergleichs 725 Millionen Euro an die EU-Kommission gezahlt. Allerdings drohen – wie anderen Großbanken auch – noch Strafen in den USA und in Singapur.

Geklagt wird gegen die Bank auch wegen angeblicher Manipulationen im Devisenhandel, wegen Verbriefungskrediten und Kreditausfall-Papieren. Mögliche Umsatzsteuer-Betrügereien beim Handel mit Emissionsrechten stehen ebenso im Raum. „Kleinere“ Auseinandersetzungen mit einem Streitwert von weniger als 100 Millionen Euro über Zinsprodukte für Kommunen und Unternehmen lässt das Institut in der Aufstellung über Rechtsrisiken außen vor. Zum Teil musste sie in solchen Fällen entschädigen, zum Teil bekam sie auch recht. Burghof vermutet, dass die Bank in solchen Fällen immer öfter schnell zahlt, um nicht weiteren Staub aufzuwirbeln. Seit 2012 dürfte die Bank einschließlich des Vergleichs mit den Kirch-Erben fast sechs Milliarden Euro gezahlt haben, um Verfehlungen aus der Welt zu schaffen. Weitere 1,8 Milliarden Euro hat sie für bestehende Rechtsrisiken zurückgestellt.

Intern sind die Chefs noch unumstritten

Wie geht es jetzt für das Institut weiter?

Fitschen und Jain wollen ohne Zweifel mit der Vergangenheit abschließen. Dies ist Teil des von ihnen Mitte 2012 eingeläuteten Kulturwandels. Das Bemühen sei ernst gemeint, sagt Burghof und verweist auf die milliardenschweren Vergleiche und Strafen. Aber in der Öffentlichkeit kommt dies bislang nicht an. Razzien wie jüngst wieder, Vergleiche und Strafen werfen einen langen Schatten. Zudem kommt Fitschens Kritik an der überzogenen Regulierung der Banken nicht gut an. Offenbar verstehe die Deutsche Bank viel vom Geld, aber wenig von Recht und Geschick, muss sich das Institut vom einflussreichen Mitherausgeber einer renommierten deutschen Zeitung vorhalten lassen.

Wie fest sitzen die Vorstände Fitschen und Jain im Sattel?

Beobachter wie Burghof fragen sich auch, ob Fitschen und Jain Investmentbankern, die jahrelang Millionen verdient haben, wirklich ihre Grenzen aufzeigen können. Finanziell darben muss diese Gruppe nicht. Für 2013 kassierten die Investmentbanker Boni von insgesamt 2,1 Milliarden Euro. Über sie hält weiter Anshu Jain seine Hand, schließlich wurden sie in der Vergangenheit gerne als „Anshus Army“ charakterisiert. Personelle Konsequenzen sind bislang rar, nur einzelne Banker mussten das Institut verlassen.

Jain hat die Sparte aufgebaut, die der Bank immer wieder Gewinne in Milliardenhöhe beschert. Er sei stolz darauf, bekannte er im Januar auf der Jahrespressekonferenz der Bank. Er übernehme auch die Verantwortung für Exzesse und Verfehlungen. Ob er von Manipulationen gewusst oder sie gar befördert hat, ist aber völlig unklar, betont auch Burghof. Eigentlich war jedem Banker an der Themse bewusst, will der Bankenprofessor wissen, dass es bei Euribor und Libor nicht mit rechten Dingen zugehe. Libor sei der Satz, zu dem sich Londoner Banken kein Geld leihen würden, sei schließlich an der Themse ein geflügeltes Wort gewesen.

Auch Co-Vorstandschef Fitschen ist nur nach außen hin gefährdet. In der Bank selbst ist er wohl ähnlich unumstritten wie Jain. Spätestens auf der Hauptversammlung am 22. Mai werden sich auch die Aktionäre dazu äußern. Im Übrigen: Auch Ackermann blieb Chef der Bank als er in Düsseldorf im Mannesmann-Prozess wegen angeblicher Untreue als Angeklagter vor Gericht saß. Dass andererseits in der Bank Alternativen für beiden Herren an der Spitze durchgespielt werden – wie immer sie auch aussehen mögen – ist nicht nur logisch, sondern für den Aufsichtsrat eine Pflicht. Schließlich können Manager von einem auf den anderen Tag auch aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund eines Unfalles ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen.

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