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Wirtschaft: Fixiert aufs Geschäft

Die Skandale um den Siemens-Konzern beeindrucken die Börse bisher kaum – dabei droht dem Unternehmen auch finanzieller Schaden

Berlin - Einen Tick weniger verdient als erwartet, ein verhaltener Ausblick auf das Geschäftsjahr, oder eine fehlende Ankündigung zum Personalabbau: All das kann dem Aktienkurs eines Unternehmens nachhaltig schaden. Schwarzgeldskandale oder die mutmaßliche Bestechung von Betriebsräten scheinen dagegen kaum Auswirkungen zu haben. Das zeigt zumindest ein Blick auf die Aktie des Siemens-Konzerns. Seit Beginn des ersten Skandals um schwarze Kassen und Bestechungsgelder im vergangenen November hat der Kurs um etwa sechs Prozent zugelegt, kaum weniger als der Dax. Die Finanzanalysten überschlugen sich im neuen Jahr mit Kaufempfehlungen für die Aktie. Die Affäre lässt sie offenbar kalt.

„Das wird der Aktie nicht schaden", sagt etwa Frank Rothauge vom Bankhaus Sal. Oppenheim. „Affäre hin oder Affäre her, sehen Sie sich die Hartz-Affäre bei Volkswagen an, die hat der Aktie auch nicht geschadet.“ Rothauge empfiehlt die Siemens-Aktie zum Kauf – wie auch Björn Rosentreter von Independent Research. Dieser hat seine Empfehlung „akkumulieren“ erst am vergangenen Mittwoch gegeben – da saß mit Johannes Feldmayer schon das erste aktuelle Vorstandsmitglied in Untersuchungshaft.

„Das waren bisher alles Sachen, die in der Vergangenheit lagen“, begründet Rosentreter seinen Optimismus. Die Skandale kratzten zwar am Image des Konzerns. „Weil Siemens kaum mit Endverbrauchern in Berührung kommt, ist ein schlechtes Image aber nicht so schlimm“, sagt Rosentreter. Lediglich die Verhaftung von Feldmayer habe den Kurs etwas geschwächt. „Wenn das jetzt ausgestanden ist, dann dürfte aber auch die Aktie wieder steigen.“ Die Analysten schauen vor allem auf die Geschäftszahlen und auf die Strategie von Vorstandschef Klaus Kleinfeld. „Im Endeffekt geht es darum, wie das Unternehmen läuft“, sagt Rothauge. „Und die Bereiche entwickeln sich im Moment positiv.“ Ende Januar hatte Siemens für das erste Quartal seines im Oktober beginnenden Geschäftsjahres einen Gewinnsprung um mehr als 50 Prozent gemeldet und gleichzeitig angekündigt, seine Autozuliefersparte VDO an die Börse zu bringen. Das interessierte die Anleger mehr als die Skandale: Der Kurs stieg an einem Tag um sechs Prozent.

Dabei könnten die Skandale dem Konzern auch finanziell schaden. Vor allem aus den USA droht Ungemach, wenn sich etwa herausstellen sollte, dass die schwarzen Kassen die Bilanzen des Konzerns durcheinander gebracht haben. Die US-Börsenaufsicht SEC ermittelt bereits informell im Fall Siemens. „Man kann davon ausgehen, dass es auch eine förmliche Untersuchung und vielleicht sogar Sanktionen geben wird“, sagt ein Anwalt einer amerikanischen Kanzlei in Deutschland. Die SEC kann Sanktionen, zum Beispiel Geldstrafen, verhängen, wenn deutsche Firmen, die in den USA an der Börse notiert sind, falsch bilanziert und so die Anleger getäuscht haben. Teuer könnten Siemens in einem solchen Fall auch mögliche Sammelklagen der Anleger zu stehen kommen, wie sie in den USA üblich sind.

Selbst strafrechtlich ist Siemens noch nicht aus dem Schneider. Die Bundesjustizbehörde der USA ermittelt wegen eines möglichen Verstoßes gegen die dortigen strengeren Antikorruptionsregeln.

Die Analysten geben nicht viel auf solche Warnschüsse. „Sanktionen durch die SEC könnten sich negativ auf die Aktie auswirken“, räumt Analyst Rosentreter zwar ein. Für besonders wahrscheinlich hält er dies allerdings nicht.

Stefan Kaiser

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