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Umwelt- und Tierschützer warnen vor den Folgen des global wachsenden Fleischkonsums.

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Update

Fleischatlas 2014 vorgestellt: Fleischkonsum als Kulturgut?

Schweineschnitzel und Hähnchenbrust, das leisten sich auch immer mehr Inder und Chinesen. Weltweit steigt der Fleischverzehr. Kritiker schlagen Alarm - und haben dabei auch die Deutschen im Auge.

Die aus Sicht von Umwelt- und Tierschützern gute Nachricht lautet: In Deutschland geht der Fleischkonsum leicht zurück. Er sank im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr um rund 2,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr auf glatte 60 Kilogramm. Das sei „erfreulich“ erklärte Reinhild Benning, die Agrarexpertin des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) am Donnerstag in Berlin. In China liegt er bei 38 Kilogramm, in Afrika im Schnitt bei 20 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Das Problem: Dort steigt der Konsum kräftig.

Das geht aus dem aktualisierten „Fleischatlas“ hervor, den der BUND gemeinsam mit der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und der linken Tageszeitung „Le Monde Diplomatique“ vorgelegt hat. Auf 52 mit vielen Grafiken illustrierten Seiten haben die Organisationen Zahlen rund um den weltweiten Fleischkonsum und die damit verbundenen ökologischen und sozialen Probleme zusammengetragen. Auf deren Basis wagen sie die Prognose, dass bis Mitte des Jahrhunderts, also in 36 Jahren, jedes Jahr rund 470 Millionen Tonnen Fleisch produziert werden, das wären noch einmal 150 Millionen Tonnen mehr als 2012.

Eine Folge des Fleischkonsums sei, dass bereits heute rund 70 Prozent der Agrarflächen der Welt für die Tierfuttermittelproduktion genutzt werde, sagen die Aktivisten. Allein der Bedarf an Sojafutter dürfte von derzeit 260 Millionen auf dann über 500 Millionen Tonnen steigen. Das habe „fatale Folgen“ vor allem für Kleinbauern, die das in den Ruin treibe, wie Benning sagte. Sie warnte zudem vor einem damit verbundenen Einsatz von Pestiziden und den wegen knapper werdender Flächen steigenden Agrarflächenpreise. Die würden Grundnahrungsmittel verteuern.

Deutschland schlachtete 2012 rund 735 Millionen Tiere

Barbara Unmüßig von der Böll-Stiftung kritisierte die „absurden Dimensionen“ der Industrialisierung in der Fleischerzeugung. Ein Beispiel: Die gesamte deutsche Fleischindustrie, die zuletzt wegen fragwürdiger Arbeitsbedingungen in die Schlagzeilen geraten war, schlachtete im Jahr 2012 rund 735 Millionen Tiere. Das wären gut 14 Millionen pro Woche. In den USA, dem Land mit einem noch höheren Pro-Kopf-Konsum, habe allein der dort marktführende Konzern Tyson Foods in seinen Fabriken 42 Millionen Tiere pro Woche geschlachtet. Die Nummer zwei der Welt setzte 2013 rund 32,5 Milliarden Dollar (24 Milliarden Euro) um. Vier der zehn größten Fleischkonzerne sitzen in den Staaten, vier in Brasilien – inklusive dem Weltmarktführer JBS mit 38,7 Milliarden Dollar (28,5 Milliarden Euro) Jahresumsatz. Immerhin zwei in Europa: Vion aus den Niederlanden (Platz 5) und Danish Crown (Platz 9).

Die Aktivisten berichten in ihrem Atlas, dass die Lobbyisten dieser Konzerne sich in Brüssel und Washington für das geplante Freihandelsabkommen stark machen. Der Plan: Europa lässt den Import von stärker hormonbelasteten Fleisch aus Übersee zu, die USA würden im Gegenzug das im Zuge der BSE-Krise verhängte Importverbot für europäisches Rindfleisch aufheben. Die deutschen Organisationen forderten, man müsse verhindern, dass die „hohen Standards, die wir bei Lebensmitteln in der EU haben, aufgeweicht werden.“

Fleischkonsum als Kulturgut?

Beim Bundesverband der Fleischwarenindustrie, den mittelständischen Wurst- und Schinkenherstellern, hält man den Atlas für unseriös, die Forderungen für übertrieben. „Beim letzten Atlas sind uns viele Fehler aufgefallen“, sagte Thomas Vogelsang vom Branchenverband BVDF dieser Zeitung. „In Europa essen wir seit dem Mittelalter relativ viel Fleisch. Das ist ein Stück Kulturgut.“ Ob Deutsche heute zu viel oder zu wenig Fleisch essen, könne man nicht sagen. Das sei von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Um die Zukunft mache er sich jedenfalls keine Sorgen: „In gewissen gesellschaftlichen Schichten mag es derzeit schick sein, kein Fleisch zu essen“, sagte Vogelsang. Im Gesamtabsatz gingen solche Modetrends aber unter. Den statistisch festgestellten Rückgang des Konsums führe er auf Preissteigerungen für Fleisch zurück.

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