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Wirtschaft: Flirt mit den russischen Bären

RWE prüft eine weitreichende Kooperation mit Gazprom. Das Kartellamt äußert sich skeptisch

Berlin - Energieboss Jürgen Großmann weiß, wie pikant ein Treffen mit diesem mächtigen russischen Kollegen ist. Daher verordnete er seinen Leuten in der RWE-Konzernzentrale Stillschweigen über die Inhalte des Gespräches, das er vergangenen Freitag mit Gazprom-Chef Alexej Miller führte. Die Russen genossen diesen Flirt offenbar mehr und veröffentlichten – entgegen ihrer üblichen Konzernpolitik – ein Foto von diesem „Arbeitstreffen“ in Paris.

Gazprom teilte zunächst mit, dass beide Seiten über aktuelle und künftige Kooperationsmöglichkeiten gesprochen haben. Dann sickerte durch, dass Großmann und sein Strategievorstand Leonhard Birnbaum konkrete Möglichkeiten eines Einstiegs des russischen Gasexportmonopolisten bei RWE ausgelotet haben. Großmann könne sich sogar eine weitreichende Verknüpfung beider Konzerne vorstellen, hieß es in ersten Medienberichten. Gazprom könne größere Beteiligungen an RWE erwerben, was dringend benötigtes Kapital in die Kassen des Essener Konzerns bringen würde. Auch das Wort von Gazprom als „Ankeraktionär“ soll gefallen sein.

Eine so enge Verbindung wäre eine energiewirtschaftliche Sensation. Würde sich Gazprom neben der bereits engen Zusammenarbeit mit den Dax-Konzernen BASF (über die Tochter Wintershall) und Marktführer Eon (unter anderem bei der Ostseepipeline) auch über eine Beteiligung am zweitgrößten deutschen Energiekonzern festkrallen, könnte dies weitreichende Folgen für die Versorgung Deutschlands haben: Russland ist mit einem Anteil von 32 Prozent schon heute Deutschlands wichtigster Gaslieferant. Es wäre wahrscheinlich, dass dieser Anteil ausgebaut werden würde, zumal RWE seine Pläne zum Bau der Nabucco-Pipeline, die Gas an Russland vorbeiführen soll, mit einem Großaktionär Gazprom wohl beerdigen müsste.

Der Vorteil einer engeren Kooperation wäre mehr langfristige Versorgungssicherheit beim Rohstoff Gas, der durch die Energiewende künftig noch mehr gefragt sein wird. Der Preis dafür wäre weniger Marktvielfalt, was im Prinzip schlecht für die Gaskunden ist. Daher schalteten sich am Montag auch die Kartellwächter ein: „Eine Verbindung zwischen Gazprom und RWE müsste man sich unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten sehr genau ansehen“, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Seine Behörde habe den Vorgang bisher nicht geprüft. Es seien ja erst Spekulationen.

Auch die Politik gab sich abwartend. So ließ Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) über eine Sprecherin erklären, Gazprom stehe es frei, Gespräche über den Einstieg bei deutschen Unternehmen zu führen. Dabei müssten „kartellrechtliche und außenwirtschaftliche Regeln eingehalten werden“.

Regierungssprecher Steffen Seibert ergänzte, die Entscheidung über mögliche Kooperationspartner falle allein in den Verantwortungsbereich der beteiligten Unternehmen – was nur die halbe Wahrheit ist. Vor zwei Jahren hatte die Regierung das Außenwirtschaftsgesetz geändert und sich so neue Möglichkeiten geschaffen, Beteiligungen von Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten in strategisch wichtigen Branchen zu unterbinden. Kriterium ist, dass der Anteilskauf „die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ in Deutschland gefährden könnte. Dabei muss eine tatsächliche oder schwere Gefährdung vorliegen, die „ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“.

Die RWE-Aktien legten nach Bekanntwerden des Treffens vorbörslich zu, verloren aber zum Börsenschluss am Montag im Zuge der allgemein schlechten Stimmung knapp zwei Prozent.

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