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Absperrung von Air Berlin im Münchner Flughafen.

© Michaela Rehle/Reuters

Fluggesellschaft Air Berlin: Die Krise ist hausgemacht

Air Berlin ist zwar nicht untergegangen, aber die Fluggesellschaft wird nach der Insolvenz eine andere sein. Dazu hat auch der Pfusch am BER beigetragen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Mit keinem Unternehmen haben sich die Berliner mindestens zwei Jahrzehnte lang mehr identifiziert als mit dieser Airline. So, wie für Hamburg der Hafen das Tor zur Welt ist, war es für die Berliner „ihre“ Air Berlin. Dabei ist die Welt, zu der die rot–weiß lackierten Flieger den Menschen das Tor öffneten, lange nicht die große und weite gewesen, sondern Mallorca, dass jene einmal als Putzfraueninsel bezeichneten, die die Welt wirklich gesehen hatten. Aber da in Berlin eben auf vielen Gebieten die realen Ansprüche längst nicht so groß sind wie die Träume, genügten uns die Balearen symbolisch als Begriff für das Versprechen, das sei erst der Anfang. Und das stimmte ja auch. Denn wenn uns Air Berlin nicht im Direktflug nach Asien oder in die Vereinigten Staaten gebracht hätte – welche Luftgesellschaft hätte es denn getan? Lufthansa jedenfalls nicht.

8000 Jobs in Gefahr?

So viel Nostalgie muss sein an einem Tag, an dem die Air Berlin zwar nicht untergegangen ist, nach dem sie aber eine ganz andere sein wird. Das „Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung“ garantiert, in Kombination mit einem durch die Bundesregierung verbürgten 150-Millionen-Euro-Kredit der KfW, die Fortführung des Unternehmens etwa für die nächsten drei Monate. Nachdem der Großaktionär Etihad einen am vergangenen Mittwoch fälligen Nachschuss von 50 Millionen Euro nicht mehr leistete, hätte Air Berlin eigentlich sofort den Betrieb einstellen müssen. Zehntausende von deutschen Urlaubern weltweit gestrandet, fast 8000 Mitarbeiter ohne Job – das wäre, erst recht fünf Wochen vor der Bundestagswahl, eine Katastrophe gewesen. Die Bundesregierung hat das, ganz im Stil der alten Deutschland-AG, verhindert. Das Krisenmanagement der großen Koalition hat funktioniert. Das immerhin ist eine gute Nachricht.

Ob Berlin profitiert, ist zweifelhaft

Hoffentlich bleibt es nicht die einzige. Die Lufthansa signalisierte schon länger ihre Bereitschaft, bei Air Berlin einzusteigen, freilich nur ohne deren Schulden. Lange schien diese Bedingung unrealistisch, aber durch die Zahlungsverweigerung von Etihad sind rechtlich auch die Schulden hinfällig geworden. Lufthansa kann nun jene Slots bedienen, die für die größte deutsche Airline interessant sind, und die eigene Billigtochter, Eurowings, verstärken. Ob Berlin als Destination davon profitiert, ist zweifelhaft. Eine Wiederauferstehung der Gesellschaft, die den Namen unserer Stadt in die Welt getragen hat, wird es kaum geben. Nach Mallorca flog Air Berlin schon nicht mehr, und ob die Lufthansa die wenigen weltweiten Verbindungen bestehen lassen wird, weiß zur Stunde niemand.

Dauerpfusch am BER

Was war verantwortlich für den Niedergang? Verstärkt wurde dessen Tempo sicher durch den Dauerpfusch auf jenem Flughafen BER, der Air Berlin seit 2012 als Drehkreuz hätte dienen sollen. Aber die Krise war im Kern hausgemacht, verschärfte sich von Jahr zu Jahr durch aberwitzige Zukäufe und weltfremde Vorstellungen von der Zukunft des Marktes. Und als am Ende der Bodenservice in Tegel und anderswo zusammenbrach, Koffer selbst auf Direktflügen verloren gingen und stundenlange Verspätungen mehr Regel als Ausnahme wurden, gingen sogar jene von der Fahne, ohne die es eine Luftgesellschaft nicht geben kann – Air Berlin verlor mehr und mehr Passagiere. Es muss sich also sehr viel ändern, damit Berlin den Anschluss an die Welt behält. Ob die Retter nur als Krisengewinner oder auch als weiße Ritter kommen?

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