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Stefan Jaroch, Leiter Innovative Technologien bei Bayer, Start-up-Gründerin Sonja Jost, Bayer-Forschungschef Andreas Busch, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und der Chef der Bayer Gesundheitssparte, Andreas Fibig, drücken den Startknopf für den CoLaborator.

© Bayer

Förderung der Biotech-Branche: Bayer eröffnet Start-up-Zentrum

Wedding als Brutkasten: Bayer eröffnet auf dem Schering-Gelände ein Innovationszentrum für Start-ups der Chemie- und Biowissenschaften.

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Sonja Jost und ihr Team stellen komplexe chemische Wirkstoffe in wasser- statt erdölbasierten Lösungen her. Das ist nicht nur umweltschonender, sondern auch kostengünstiger. Ihr Start-up DexLeChem ging aus einer Exzellenzinitiative der TU Berlin hervor. Jetzt sind die acht jungen Mitarbeiter von der Straße des 17. Juni in den Wedding gezogen – direkt auf das Gelände von Bayer Health Care an der Müllerstraße.

Am Mittwoch ist der Bayer „CoLaborator“, ein Projekt der Gesundheitssparte des Leverkusener Konzerns, offiziell eröffnet worden. Drei Mieter haben sich für die Idee bisher begeistert: neben DexLeChem die Calico GmbH, die Antikörper entwickelt, und die Provitro AG, die sich mit Gewebeanalyse und Zellkulturen befasst. Einen siebenstelligen Betrag hat Bayer investiert, um Firmen aus dem Bereich der Chemie- und Biowissenschaften in unmittelbarer Nähe zu den eigenen Gebäuden unterbringen zu können. Am Standort Berlin forschen rund 2000 Mitarbeiter für Bayer. Die Start-ups zahlen eine geringe Miete und bekommen dafür vollständig eingerichtete Labore und Büros. „Sie arbeiten aber komplett eigenständig“, betont Health-Care-Chef Andreas Fibig. „Die Firmen sind in keiner Weise verpflichtet, ihre Ergebnisse mit uns zu teilen.“ Sie könnten aber jederzeit den Rat von Bayer-Mitarbeitern bekommen, auch hauseigene Seminare besuchen. „Wir freuen uns, wenn Partnerschaften entstehen.“

Der Konzern will weitere Start-ups zu sich holen

All das soll „so informell wie möglich ablaufen“, sagt Andreas Busch, der bei Bayer die weltweite Forschung an Wirkstoffen leitet. Darum sind auch die Gemeinschaftsräume betont lässig gestaltet: Kuschelige Teppiche, geometrische Formen, leuchtend grüne Sitzlandschaften. Draußen stehen Tischtennisplatten bereit. Der CoLaborator ist nicht der erste seiner Art. 2012 hat Bayer das gleiche Projekt in San Francisco gestartet. „Wie stark die Biotech-Szene hier wächst, ist aber einzigartig“, sagt Busch. Mehr als 200 Firmen zählt der Wirtschaftsförderer Berlin Partner, der bei der Ansprache passender Mieter half, in der Hauptstadt. Deshalb stehen in Berlin mit neun Laboreinheiten sogar drei mehr zur Verfügung als in den USA – insgesamt 800 Quadratmeter.

Gespräche mit weiteren Start-ups liefen bereits, sagt Fibig. Dabei sollte das Tätigkeitsfeld der Unternehmen zu den Interessen von Bayer passen. „Wir suchen begabte Start-ups, deren Forschungsziel einen Durchbruch bedeuten könnte.“ DexLeChem dagegen sucht die Expertise und auch das Equipment des Konzerns. „Wir kommen aus der Wissenschaft, wir haben keine Ahnung, wie es in der Industrie läuft“, sagt Gründerin Jost. „Und es gibt Analysegeräte, die kosten eine Million, die könnten wir uns nie leisten.“ „Diese Eröffnung zeigt: Es gibt keine Barrieren zwischen der alten Industrie und Start-ups“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der zur Einweihung kam. Dies sei eine Initialzündung. „Hier profitiert nicht nur der Standort, hier profitiert die Menschheit. Das Thema Gesundheit begleitet uns schon vor der Geburt bis zum Tod in allen Facetten.“

Gut ausgestattete Arbeitsräume sind rar

„Wenn hier Flächen zur Verfügung gestellt werden für neue, innovative Unternehmen in unmittelbarer Nähe zu einer Firma, die erfolgreich Produkte auf den Markt bringt, dann ist das eine tolle Sache“, sagte Kai Bindseil, Clustermanager Gesundheitswirtschaft in Berlin-Brandenburg, dem Tagesspiegel. Er leitet seit 2001 das Biotech-Aktionszentrum BioTOP. „Geeignete Räumlichkeiten mit der notwendigen Laborausstattung stellen für Startup-Unternehmen durchaus einen Engpass dar. Anders als in der IT-Branche, wo man zur Not auch mit dem iPad aus dem Kreuzberger Cafe arbeiten kann, brauchen Lebenswissenschaften Labors.” Allerdings reicht Laborfläche allein nicht. Da sich Bayer bewusst nicht an den Unternehmen beteiligt, die in den CoLaborator einziehen, muss das Startkapital für die oft kostenintensive Entwicklung biotechnologischer Produkte von anderen Investoren kommen, seien es Risikokapitalinvestoren, öffentliche Fördermittel wie das Go-Bio-Programm des Bundesforschungsministeriums oder Investitionsprogramme der Pharmafirmen, wie Bayers „Grants4Targets“.

Für Risikokapitalinvestoren könnten die Startups allerdings noch nicht reif genug sein. Chandra Leo, Investmentberater bei der Schweizer HBM, einer der größten Investoren im europäischen Healthcare-Bereich, hält den CoLaborator-Campus für eine gute Idee, meint aber: „Die Firmen, die in den CoLaborator einziehen, sind in einem sehr frühen Entwicklungsstadium und passen deshalb noch nicht in unseren Investmentfocus.“ Dennoch sei Bayers Initiative für den Beginn der Wertschöpfungskette interessant. Jahrelang hatten Pharmafirmen die frühen Phasen der Wertschöpfungskette vernachlässigt und sich nur für fortgeschrittene Entwicklungsprojekte interessiert, die in den letzten klinischen Prüfphasen waren. „Das hatte damit zu tun, dass in der Pharmaindustrie viele Patente ausliefen und rasch ersetzt werden mussten“, sagt Leo. Dieses „Patent-Cliff“ sei nun zwar umschifft, dafür seien aber nun nur noch wenige Medikamente in späten Entwicklungsphasen. „Notgedrungen müssen die Firmen nun auf frühere Lizensierungen setzen“, sagt Leo. Über 50 Prozent der zukünftigen Produkte werden aus Einlizensierungen und nicht aus der eigenen Entwicklung stammen. „Die großen Pharmafirmen haben ihre eigene R&D eingeschränkt und müssen jetzt schauen, dass sie interessante Innovationen von außen bekommen und dazu müssen sie ihre Antennen ausfahren und sich als guter Partner für Biotech-Firmen positionieren. Der CoLaborator ist solch ein Versuch, frühe Kontakte zu knüpfen, ins Gespräch zu kommen und gegebenenfalls gemeinsame Forschungsprojekte anzustoßen.“

Die Nähe zu Bayer könnte andere Investoren abschrecken

„Das ist ein wenig so wie bei der Talentsuche der Fußballvereine“, erläutert Bindseil. „Will ich nicht das ganz große Geld anfassen, dann muss ich entsprechend früher schauen und meine Talente selbst kreieren.“ Für die Biotechfirmen sei die Nähe zu einer großen Pharmafirma durchaus von Vorteil. „Ein Pharmaunternehmen hat Kernkompetenzen, die ein Gründer nicht hat“, sagt Bindseil. „So blauäugig wie vor zwanzig Jahren, als viele Gründer mit dem Ziel starteten, ein Pharmaunternehmen zu werden, ist man heute nicht mehr. Diese Expertise selbst aufzubauen ist schwieriger, als früh mit Leuten zusammenzuarbeiten, die das ganze schon können.“ Allerdings könne die Nähe zu Bayer andere Pharmafirmen oder Investoren auch abschrecken, in eine Firma aus dem CoLaborator zu investieren. „Bayer ist zwar bislang nicht an den Unternehmen beteiligt und die Firmen sind frei, Kooperationen mit anderen Pharmafirmen einzugehen, aber das ist durchaus ein Punkt, mit dem die Firmen umgehen müssen.“ Dennoch überwiegen die Vorteile. „Eine Firma, die sich mit einer Pharmafirma austauscht, hat einfach die bessere Chance, als eine, die diesen Kontakt erst suchen muss“, sagt Chandra Leo.

Denn vieles in der Biotech-Branche passiere trotz aller Wissenschaft durch Zufall. „Am Ende gibt es eine Kooperation dann doch nur, weil sich zwei Leute auf einer Konferenz treffen.“ Und die Wahrscheinlichkeit, dass solche Zufälle zwischen einer Biotech- und einer Pharmafirma eintreten, sei in einem CoLaborator eben erhöht.

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