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Food Fraud: Auch beim Kaffee wird zunehmend getrickst und betrogen - etwa bei der Bohnensorte.

© Friso Gentsch/dpa

"Food Fraud" lohnt sich: Auch beim Kaffee wird getrickst und betrogen

Gefärbter Fisch, gestrecktes Öl: Lebensmittelbetrug ist lukrativ – und wird nur selten aufgedeckt. Auch beim Kaffee kommen Fälscher auf ihre Kosten.

Ob im Filter, aus der French Press, dem Vollautomaten oder als Mokka, ob schwarz, mit Milch oder Zucker: Kaffee gehört für viele dazu, um gut in den Tag zu starten. Rund 164 Liter des Wachmachers trinkt jeder Bundesbürger im Jahr – und viele sind bereit, für gute Qualität auch etwas mehr Geld auszugeben. Doch leider geht die Rechnung nicht immer auf: Manchmal ist nämlich nicht das drin, was draufsteht.

Das hat die Operation „Opson VIII“ ergeben. Unter dem Begriff, der an die griechische Esskultur angelehnt ist, finden seit 2011 weltweit Aktionen gegen Lebensmittelkriminalität statt.

Im Frühjahr hatten Ermittler Kaffee-Stichproben in 13 Staaten unter die Lupe genommen. In Deutschland, Portugal und der Schweiz wurden in neun Fällen billigere Robustabohnen im vermeintlichen – teureren – Arabicakaffee nachgewiesen. In Deutschland reichte der Fremdbohnengehalt bei insgesamt drei Fällen von sieben bis zu 100 Prozent. Zufall oder Betrug? Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Beim Deutschen Kaffeeverband spricht man von Einzelfällen. „Betrug bei Kaffee ist in Deutschland kein Problem“, sagt Hauptgeschäftsführer Holger Preibisch.

Doch die Fälle von Lebensmittelkriminalität – „Food Fraud“ – nehmen zu. Allein im vergangenen Jahr beschlagnahmten internationale Polizeibehörden nach eigenen Angaben im Rahmen der Opson-Missionen weltweit 16 000 Tonnen Lebensmittel und 33 Millionen Liter Flüssigkeiten – mehr als jemals zuvor.

Auch Blätter, Zweige und Mais landen im Kaffee

Der Umfang des tatsächlichen Betrugs kann nur geschätzt werden. Denn Kontrollen finden, wie bei „Opson“, nur punktuell statt. Das heißt, vorher dürfte schon einiges im Handel oder auf dem heimischen Küchentisch angekommen sein. Als besonders attraktiv für Betrug gelten Olivenöl, Fisch, Bio-Lebensmittel, Milch, Getreide, Honig und Tee, auch Alkohol.

Beobachter schätzen die Gewinnspannen der Betrüger ein wie im Drogenhandel. Besonders attraktiv ist die Erhöhung der Menge bei Waren und Rohstoffen, die gefragt, aber schwankend verfügbar sind: wenn etwa durch Frost im Frühjahr oder Hitze und Schädlinge im Sommer die Ernte ausbleibt. „Je höher der Preis, desto größer der Anreiz“, sagt Matthias Wolfschmidt von Foodwatch.

Kaffeepflanzen sind je nach Sorte unterschiedlich anspruchsvoll
Kaffeepflanzen sind je nach Sorte unterschiedlich anspruchsvoll

© picture alliance / Hans Ringhofe

Kein Wunder, dass auch Kaffee als eines der weltweit bedeutendsten Handelsgüter im Visier von Betrügern ist. Jährlich werden rund 158 Millionen Säcke des Rohkaffees gehandelt. Allein in Deutschland kommen jährlich 1,1 Millionen Tonnen an. Weltweit sind geschätzt 25 Millionen Menschen mit dem Anbau, der Verarbeitung und dem Handel beschäftigt. Vom Pflanzer bis zum Röster gibt es viele Gelegenheiten zur Fälschung.

Nach Auskunft des Bayerisches Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), das bei „Opson VIII“ federführend war, ist aber vor allem die Verarbeitung betroffen. So würden etwa Fremdbestandeile wie Blätter, Zweige, Mais oder Kartoffelmehl zugemischt und damit eine Streckung des Kaffees bewirkt. „Zum anderen kann eine Irreführung vorliegen, wenn falsche Aussagen zur geografischen Herkunft getroffen, gefälschte Gütesiegel ausgestellt werden oder eine Änderung der Deklaration der Anbaumethode von konventionellem Kaffee in Bio-Kaffee erfolgt“, sagt Aleksander Szumilas aus dem LGL.

Robusta und Arabica unterscheiden sich deutlich

Der Deutsche Kaffeeverband hält dagegen. „Lebensmittelbetrug ist im Kaffeesektor unattraktiv“, sagt man dort. Einzig die Vermischung von Arabica mit Robusta komme theoretisch in Betracht. Die Preisunterschiede seien „häufig jedoch nicht so groß sind, dass sie den technischen Aufwand einer bewussten Vermischung rechtfertigen“.

Dem widerspricht das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit allerdings deutlich. „ Aufgrund der hohen Preisdifferenzen zwischen diesen beiden Kaffeesorten ist diese Verfälschung sehr lukrativ“, erklärt Aleksander Szumilas. Die Robusta-Pflanze ist einfacher anzubauen und damit deutlich günstiger als die anspruchsvolle Arabica-Bohne. Richtig etikettiert, wird Robusta wegen des höheren Koffeingehalts und des kräftigen Geschmacks vor allem in Espressomischungen verwendet.

Einmal geröstet oder gar gemahlen, lassen sich beide aber kaum noch unterscheiden. Das kombiniert mit seltenen Kontrollen im EU-Binnenmarkt, macht es Betrügern leicht, sagt Matthias Wolfschmidt von Foodwatch. „Im europäischen Binnenmarkt wird ja kaum kontrolliert.“ Einmal verarbeitet, kommt man Fälschern nur noch mittels DNA-Tests auf die Schliche: Der Stoff 16-O-Methylcafestol ist nur in Robusta enthalten.

Geröstet lassen sich die Sorten allerdings optisch kaum unterscheiden
Geröstet lassen sich die Sorten allerdings optisch kaum unterscheiden

© dpa

Nun scheint der Tausch zwischen einer guten und einer besseren Kaffeebohne zwar ärgerlich, aber zumindest harmlos zu sein. Doch davon könne man nicht bei jeder Täuschung ausgehen, sagt Matthias Wolfschmidt. „Fakt ist: Zutaten, die man nicht kennt, sind eine Gesundheitsgefahr.“ Wenn etwa alter Thunfisch frisch-rot gefärbt, bei Käse und anderen Milchprodukten an der Haltbarkeit gedreht wird – oder Haselnüsse mit anderen Nüssen und Hülsenfrüchten gestreckt werden, ist eine Magenverstimmung noch das Geringste. „Im Fall von Erdnüssen besteht dann bei Allergikern sogar Lebensgefahr“, warnt der Mann von Foodwatch.

Steigt der Preis, steigt auch das Risiko

Inzwischen nehmen auch die Behörden das Problem ernster. Das zeigen zum Beispiel die Opson-Missionen, die seit 2011 jährlich in immer mehr Ländern stattfinden. Bei Opson arbeiten nationale Behörden mit Europol und Interpol zusammen, auch Zoll und Industrie können teilnehmen.

Aber Opson ist noch die Ausnahme, und immer nur auf ausgewählte Lebensmittel beschränkt, kritisiert Foodwatch-Kampagnenchef Matthias Wolfschmidt. Wichtig wäre es seiner Ansicht nach, systematisch zusammenzuwirken. Der Föderalismus stehe dem oft im Weg, weil regionale Lebensmittelkontrolleure sich im Verdachtsfall erst durch Hierarchien kämpfen müssten und es dann oft zu spät sei. Zu selten arbeiteten sie mit Wirtschaftsprüfern Hand in Hand, die die Preise beobachten und Tendenzen erkennen. Stiege etwa der aktuell schwache Kaffeepreis an der Börse, würde der Betrug attraktiver – dann könnte man gezielt kontrollieren.

„Faktisch rennen wir den Betrügern nur hinterher. Und die Gefahr, erwischt zu werden, ist viel zu gering“, sagt er. Es bräuchte mehr Prävention – und Abschreckung. „Eigentlich müsste für Verantwortliche klar sein: Wenn ich erwischt werde, ruiniert es mich.“

Die Gesetzgebung sei nach dem Pferdefleisch-Skandal 2013 zwar verschärft worden, aber längst nicht ausreichend. Unternehmensstrafen wirkten erst, wenn sie die Gewinnerwartung mehrfach überschritten. Das sei aber aktuell nicht der Fall. „So lange die EU-Kommission und der Rat sich dieser einfachen Einsicht verschließen, nehmen sie billigend in Kauf, dass 500 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürgern immer wieder illegale Lebensmittel vorgesetzt werden.“

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