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Widerstand. Die Politik der Troika brachte nicht nur in die Spanien die Bevölkerung auf die Straße.

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Forderung deutscher EU-Politiker: „Die Troika muss aufgelöst werden“

Massive Privatisierungen galten in der Schuldenkrise als Allheilmittel für Länder wie Portugal und Griechenland. Auch deutsche EU-Politiker sehen die Arbeit der Troika aus Kommission, EZB und IWF inzwischen kritisch.

Diese Reaktionen beziehen sich auf das Recherche-Dossier "Europoly - Privatisierung unter der Troika". Zum Dossier geht es hier.

In den EU-Krisenländern wird massiv privatisiert, um die Notkredite der Troika zu bedienen. Besonders in Portugal und Griechenland werden staatseigene Konzerne und Immobilien unter hohem Zeitdruck an Investoren verkauft – viele von ihnen deutlich unter Wert, wie der Tagesspiegel berichtete. Europapolitiker und Ökonomen fordern nun Änderungen für das Troika-Gremium, bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

„Die von der Troika verordneten Einschnitte und Privatisierungen haben mitnichten zu Wirtschaftswachstum und schon gar nicht zu einem Absinken der Arbeitslosigkeit geführt“, sagt Heinz-Joachim Barchmann, Vize-Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Bundestag. Ein im März vom EU- Parlament vorgelegter Untersuchungsbericht habe deutlich gezeigt, „dass die Vorgaben der Troika – neben dem ohne Frage vorhandenen Missmanagement in einigen Staaten – erheblich zu der misslichen Lage der ‚Programmländer’ beigetragen“ hätten. Sparziele dürften nicht „durch aufoktroyierte Privatisierungswellen ohne Rücksicht auf zukünftige Generationen erreicht werden“, sagt Barchmann weiter. Er fordert, die Troika, die sich bisher nicht vor dem EU-Parlament verantworten muss, müsse künftig demokratisch legitimiert werden. „Die organisierte Unverantwortlichkeit der Troika“ müsse beendet werden.

Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament und Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses
Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament und Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses

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Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament und Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses, sieht das größte Problem ebenfalls in der mangelnden demokratischen Kontrolle des Gremiums: „Öffentliches Eigentum wurde zu Ramschpreisen verschleudert“, sagt er. „Die Troika ist reif für eine demokratische Generalüberholung, damit endlich mehr Licht ins Dickicht ihrer Empfehlungen kommt und die europäischen Grundrechte nicht den Spar- und Reformanstrengungen zum Opfer fallen.“

Andere gehen in ihren Forderungen nach Veränderung weiter. Rainer Wend, Präsident der Europäischen Bewegung Deutschland, bei der auch Wirtschaftsverbände wie der BDI Mitglied sind, fordert: „2015 muss die Troika aufgelöst und von den EU-Gemeinschaftsorganen politisch übernommen werden.“ Der Internationale Währungsfonds könne dann ganz aus dem Gremium ausscheiden.

Die Linke will eine komplette Abkehr von Privatisierungen als Krisenmaßnahme. Fabio de Masi, ebenfalls Mitglied des Wirtschaftsausschuss im EU-Parlament, plädiert stattdessen für eine stärkere Finanzierung und Förderung von öffentlichen Investitionen in den betroffenen Ländern, zum Beispiel durch die Europäische Investitionsbank.

Henrik Enderlein, Vize-Dekan der Hertie School of Governance
Henrik Enderlein, Vize-Dekan der Hertie School of Governance

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Auch Ökonomen nehmen die Ergebnisse der Privatisierungen kritisch wahr. „Bei den Hals-über-Kopf-Privatisierungen lief vieles schief. Staatsbesitz darf nie verramscht werden“, sagt Henrik Enderlein, Vize-Dekan der Hertie School of Governance. Die Programme an sich und die angestoßenen Reformen in den EU-Krisenländern hält er aber für richtig. „Was wäre denn passiert, wenn es die Troika nicht gegeben hätte? Dann hätte es keine Privatisierungen gegeben – aber die Krisenländer stünden sicherlich nicht besser da.“

Manuel Sarrazin, Grünen Abgeordneter im Bundestag und Mitglied im Europaausschuss des Bundestags sieht die Schuld an den Fehlentwicklungen nicht allein bei der Troika. „Es ist nämlich nicht die Troika, die die letztendlichen Entscheidungen trifft. Vielmehr sind es die nationalen Finanzminister, die jegliches Verhandlungsergebnis zwischen der Troika und der nationalen Regierung beschließen und damit politische Verantwortung übernehmen müssen.“

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