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Kein Karriereknick.

© dapd

Wirtschaft: Forschung und Familie

Staatliche und private Förderprogramme können jungen Wissenschaftlerinnen mit Kindern helfen, Karriere zu machen.

Bonn - Die Chemikerin Katharina Landfester soll einen Vortrag vor 400 Leuten in Lissabon halten. Als sie die Bühne betritt, wird es still. Dann zücken die Zuschauer ihre Handy-Kameras. Denn die Rednerin hat ein Tragetuch um Schultern und Hüften gebunden – darin schläft ihre nicht mal ein Jahr alte Tochter Karolina.

Die Mainzer Direktorin des Max- Planck-Instituts für Polymerforschung ist ein progressives Beispiel einer Frau, die an der Uni Karriere macht und nicht auf Kinder verzichtet. Denn forschen, publizieren, zu Tagungen fahren, kostet viel Zeit. Zeit, die Wissenschaftlerinnen mit Kindern oft fehlt. So sehen sich viele Nachwuchstalente nach ihrer Doktorarbeit vor der Entscheidung: Familie oder Forschung. Kein Wunder, dass bislang nur knapp 20 Prozent der Professoren in Deutschland Frauen sind. Damit hat sich ihr Anteil seit 2000 zwar verdoppelt, „aber wir sind noch nicht am Ziel“, sagte Forschungsministerin Annette Schavan, als die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz kürzlich beschloss, das Professorinnen-Programm bis 2017 fortzusetzen. Mit 150 Millionen Euro förderten Bund und Länder in den vergangenen fünf Jahren 260 Professuren für hoch qualifizierte Frauen, alles Berufungen auf unbefristete W2- und W3-Stellen mit 4478 bis 5426 Euro Grundgehalt im Monat. Der gleiche Betrag soll nun noch mal fließen.

Förderungen wie diese helfen jungen Wissenschaftlerinnen dann, wenn es am nötigsten ist: bevor sie aufgeben. Ihre Aussichten mit Kindern in die Wissenschaftselite aufzusteigen, sind heute zwar besser als vor zehn Jahren, aber immer noch nicht gut. Lag der Frauenanteil bei den Promotionen 2010 bei 44 Prozent, wurden nur 25 Prozent habilitiert. Noch immer plagen junge Frauen die gleichen Sorgen: Werde ich nach der Geburt einen dauerhaften Job haben? Schaffe ich die berufliche Belastung von täglich bis zu zwölf Stunden und Wochenendarbeit mit Baby?

Manja Malchau ist eine dieser vielversprechenden Doktorandinnen. Die deutsche Unesco-Kommission, L'Oréal und die Christiane-Nüsslein-Volhard-Stiftung zeichneten die Biochemikerin aus Leipzig gerade mit dem „For Women in Science“-Preis aus. Der Preis in Höhe von jeweils 20 000 Euro geht jedes Jahr an drei Naturwissenschaftlerinnen mit Kind und an ihre Hochschulen: „Damit junge Wissenschaftlerinnen nicht so lange aussetzen oder nur halbtags arbeiten müssen“, sagt die 27-Jährige, die einen einjährigen Sohn hat. „Das Preisgeld bedeutet für mich eine große Erleichterung.“ Ihr Sohn Leif war mit sieben Monaten das erste Mal stundenweise bei der Tagesmutter, nun bleibt er den ganzen Tag. Denn Voraussetzung für die Finanzspritze der Stiftung ist, dass die Mütter ihr Kind ganztags betreuen lassen – der Schlüssel zum Erfolg vieler Forscherinnen.

Biochemikerin Malchau wusste, dass der Nachwuchs Auswirkungen auf ihre berufliche Laufbahn haben würde. Fast jede zweite Wissenschaftlerin und fast jeder vierte Wissenschaftler erlebten Studien zufolge nach der Geburt ihres ersten Kindes berufliche Nachteile. Nicht nur hielten sich Chefs bei der Förderung zurück und werteten die wissenschaftlichen Leistungen gerade von Müttern ab. Fast die Hälfte der 8698 befragten Frauen und 15 Prozent der Männer gaben an, sich aus Netzwerken ausgeschlossen zu fühlen, der Großteil konnte weniger publizieren. Vor allem die befristeten Beschäftigungsverhältnisse an vielen Hochschulen bereiten Sorgen. Insgesamt sind laut Leibniz-Institut für Sozialforschung 72 Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses kinderlos. Über 70 Prozent dieser Kinderlosen würden aber gerne eine Familie gründen.

Katharina Landfester hat diesen Traum nie aufgegeben. Schon als junge Frau fühlte sich die heute 42-Jährige unter Druck gesetzt, einen Beruf zu ergreifen, der zu einem Leben als Mutter passen würde. Beim Chemiestudium an der TU Darmstadt war die Forscherin fast allein unter Männern. Die Zeiten, in denen sie im Ausland forschte, finanzierte sie mit Stipendien des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes und der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG). Und nach dem Liebig-Stipendium des Fonds der Chemischen Industrie bekam Landfester einen Fünf-Jahres-Vertrag am Max-Planck-Institut. Ihre beiden Töchter bekam sie erst, als sie Professorin war. Ihre Empfehlung: Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten einfordern. Landfester nahm ihre Töchter sogar mit auf Dienstreise nach Brasilien und China.

Ricarda Scheiner würde ihre beiden Kinder nie mit zur Arbeit nehmen. Denn die Professorin erforscht an der Uni Potsdam die Mechanismen der Arbeitsteilung in Bienenstöcken: „Das wäre zu gefährlich und zum Arbeiten käme ich auch nicht“, sagt die Biologin. Scheiner hat einen Kindergarten und die Großeltern in der Nähe, die die beiden Enkel nachmittags öfter abholen. In den ersten beiden Jahren nach der Geburt fuhr sie kaum auf Tagungen. Dennoch ging es voran mit ihrer akademischen Laufbahn, denn die Forscherin ist nicht nur für zwei Jahre in das Fast-Track-Programm der Robert-Bosch- Stiftung aufgenommen worden, sondern seit 2009 auch eine Heisenberg-Stipendiatin. Das heißt, die DFG zahlt ihr fünf Jahre lang jeden Monat 4500 Euro brutto. Ohne die DFG wäre sie nicht so weit gekommen, weiß Scheiner, und wünscht sich mehr unbefristete Stellen und bessere Kinderbetreuung. (HB)

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