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Wirtschaft: Fortbildung in Monte Carlo

Es gibt Tage, da kommt Christan Bohle kaum noch dazu, seine Patienten zu behandeln. „Manchmal kommen drei bis fünf Pharmavertreter pro Tag“, sagt der Berliner Arzt.

Es gibt Tage, da kommt Christan Bohle kaum noch dazu, seine Patienten zu behandeln. „Manchmal kommen drei bis fünf Pharmavertreter pro Tag“, sagt der Berliner Arzt. Die Marketingprofis der Pharmakonzerne legen ihm immer neue Studien auf den Tisch, in denen die Vorteile ihrer teuren Präparate gepriesen werden. „Das kann kaum noch jemand überblicken“, sagt Bohle. „Als Arzt fühlt man sich da oft in eine passive Rolle gedrängt.“

Die Pharmakonzerne rüsten merklich auf. Angesichts ablaufender Patente auf Originalpräparate und der wachsenden Konkurrenz durch billige Nachahmerhersteller wie Ratiopharm, Stada oder Hexal bleibt ihnen nichts anderes übrig, als mit forcierter Werbung den Verkauf der teuren Originalprodukte anzukurbeln. Besonders engagierte Firmen wie Astra Zeneca, in der Branche gerne als „Reisefirma“ verspottet, spendierten schon mal Weiterbildungen in Monte Carlo oder anderen attraktiven Orten, „bei denen Wissenschaft und Kultur in sehr ausgeglichenem Verhältnis stehen“, wie Mediziner Bohle sagt.

Die Konzerne geben inzwischen durchschnittlich ein Viertel ihres Umsatzes für Marketing und Vertrieb aus, „bei Neueinführungen sogar deutlich mehr“, sagt Pharmaanalyst Karl-Heinz Scheunemann vom Bankhaus Metzler. Seit 1993 hat die Branche die Zahl der Außendienstmitarbeiter verdoppelt. Der Aufwand lohnt sich. So bringen die Schmerzmittel „Celebrex“ der gerade von Pfizer gekauften Pharmacia und „Vioxx“ von Merck zusammen einen Umsatz von 5,7 Milliarden Dollar – und dass, obwohl sie bis zu 60 Mal teurer sind, als das in der Wirkung gleiche Mittel „Motrin“ von Mc Neil.

Dem weltgrößten Pharmakonzern Pfizer waren verstärkte Marketinganstrengungen für das Potenzmittel „Viagra“ im ersten Quartal sogar eine kleine Gewinnwarnung wert. Der Grund: Erhöhte Rückstellungen für Werbung. Viagra ist zwar Weltmarktführer, soll aber gegen neue Konkurrenten bestmöglich positioniert werden. Noch mehr Werbung stecken die Unternehmen in neue Produkte. „Nur Konzerne können es schaffen, ein Medikament zu einer globalen Marke zu machen, die kleinen haben es viel schwerer“, sagt Scheunemann. Das ist einer der Gründe, warum die Konzerne fusionieren. pet

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