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Wirtschaft: Frank Hille

Geb. 1949

Von David Ensikat

Im Osten war er mal so was wie ein Rockstar. Na und? Letztes Frühjahr in Erfurt haben sie sich wiedergesehen, der Trommler und der Sänger. – Mensch, was machst du denn hier?

André Herzberg, der Sänger, war nach Jahren wieder mit Pankow unterwegs. Frank Hille, der Trommler, hatte ihn ’81 zu Pankow geholt. Jetzt, in Erfurt, trommelte Frank in einem Zirkus: Wenn der Artist sich konzentrierte, einen Wirbel, wenn der Clown auf die Nase fiel, ein Padumm.

Viel hatten sich der Trommler und der Sänger nicht zu sagen, zu viel war zwischendurch passiert. Das Wichtigste vor 19 Jahren. Da war die Ostband Pankow auf Westtournee, Frank ist da geblieben, und die anderen hatten Angst, nie wieder in den Westen zu dürfen – DDR: der doofe Rest.

Wer war hier eigentlich der Doofe? Die größten Zeiten standen Pankow noch bevor, die DDR und ihre pflegsam umzäunte Ostrockerei gab es noch vier Jahre. Für Frank in West-Berlin war die Zeit nicht ganz so groß. Er zog ins Haus, in dem schon ein Musikerkollege aus alten Zeiten wohnte, einer, der vor ihm rübergegangen ist, und der ganz gut im Schlagergeschäft zu tun hatte. Aber die alten Zeiten waren viel zu alt, wie hätte man im Westen daraus etwas machen sollen? Im Osten waren sie mal wer gewesen – na und?

Frank kam bei einer Gala-Band unter, die Ballsäle mit Beschwingtem versorgte, kein schlechtes Business, man konnte damals davon leben. Aber wie stand es um den Musiker-Ehrgeiz? In der Ostrockszene hatte jeder Frank gekannt. Er war der Trommler von Veronika Fischer, 4PS und Pankow. – Nun, Frank und der Ehrgeiz, das war so eine Sache. Er konnte ja nicht nur trommeln, er sang auch gut, und wer mal ein Bier mit ihm getrunken hatte, wusste, was für Entertainerqualitäten dieser Quatschkopf hatte. Eine Posse nach der anderen, und Witze erzählte der nicht, die spielte er. Da lagen die Leute auch bei den mäßig guten auf dem Boden. Aber auf der Bühne vorne stehen?

Wer weiß, warum er das nicht wollte. Fand er sich zu klein? Nicht hübsch genug? War ihm auf einmal sein breites Erzgebirgisch peinlich? Frank war so einer, der die Leute vollquatscht, und trotzdem alles andere als eitel ist. Seine Jeans hingen sonstwo, seine Trommelstöcke trug er im Stoffbeutel durch die Gegend, sein weißes Hemd, das er etwas zu oft trug, hatte hinten ein kleines Loch, das hatte er mit Kugelschreiber zart umrandet und „Ich weiß!“ danebengekritzelt.

Dass er im Westen geblieben ist – war das nun ein seltener Versuch, endlich etwas Größeres zu wagen? Raus aus dem sicheren Trott, dem Schicksal die Chance geben, aus dem DDR-Star noch einen Weltstar zu machen? Vielleicht sollte man das Ganze doch eine Nummer kleiner ansetzen: Frank kannte jedes Kreiskulturhaus der DDR, die SED-Idioten ödeten ihn an, sein Bruder und seine Mutter waren schon drüben, mit seiner Frau lief’s gerade nicht so toll.

Dass er den Schritt hinüber wirklich bereut hätte, an so was kann sich kaum jemand erinnern. Frank blieb Frank, oder wie ihn viele nannten: Franky. Der Possenreißer und Witzeerzähler. Wie es solchen Leuten wirklich geht, ist nicht leicht zu erfahren. Auf jeden Fall machen sie es den anderen nie schwer.

Anfang der Neunziger kam Frank bei der BSR unter. Ganz recht: Frank wurde Trommler bei der Berliner Stadtreinigung. Die hatte damals eine Bigband und Frank auf einmal eine richtige Festanstellung mit Büro, geregelten Arbeitszeiten und Sozialabgaben. Er fand das gar nicht schlecht. Als sie 1999 die Bigband auflösten, blieb er beim Betrieb, arbeitete im Büro und fuhr BSR-Autos durch die Gegend. Er spielte hier und da, aber vom Schlagzeugspiel allein zu leben, war kaum noch möglich.

Letztes Frühjahr ist er plötzlich dünn geworden. „Das Schwein“, so nannte Frank das Ding, das da in seinem Bauch wucherte. Zu seinem 55. Geburtstag wollte er ein Konzert geben mit eigenen Liedern, selbst gesungen. Endlich, dachten seine Freunde. Aber der kleine Mann aus Limbach-Oberfrohna hat es nicht mehr geschafft.

Dafür gab es am 3. Januar ein Konzert für ihn im Tränenpalast. Da standen die alten Kämpfer aus dem Osten alle auf der Bühne und spielten für ihren „Rübergemachten“. Es war richtig voll. Und für einen Augenblick hätte man meinen können, dass sich Frank mit diesem Spaß geirrt hatte: „Ostrocker sind wie die Sonne. Sie gehen im Osten auf und im Westen unter.“

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