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Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner überreicht den Leitern des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts (HHI) Thomas Wiegand und Martin Schell (v.l.) zum 90.Geburtstag eine Torte.

© Dominik Lindner

Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut: Die Techniker des Streamings feiern Geburtstag

Das Berliner Heinrich-Hertz-Institut macht Netflix erst möglich. Beim „Science Match“ feierte es Geburtstag, Forscher zeigten dort die Zukunft des Internet.

Der größte Teil des Internetverkehrs besteht heute aus Videodaten. Auf die Filmplattform Netflix allein entfällt in den USA etwa ein Drittel. Und ein Großteil dieser Daten wird mit Hilfe von Technologie aus Berlin übertragen: Die wichtigsten aktuellen Standards, um Videos zu codieren sind am hiesigen Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) entstanden. „Der Siegeszug des Streaming wäre ohne das HHI nicht möglich“, sagte Georg Rosenfeld, Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft, am Donnerstag im ehemaligen Kino Kosmos.

700 Gäste beim „Technology Innovation Science Match“

Dort feierte das Institut seinen neunzigsten Geburtstag. Für die Leiter Martin Schell und Thomas Wiegand gab es von Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner eine große Torte mit dem Konterfei des Namensgebers Heinrich Rudolf Hertz. Viele andere der Ehrengäste erhielten ein Lebkuchenherz – jedenfalls wenn sie die strikte Vorgabe einer Redezeit von zehn Minuten einhielten. Denn den 700 Gästen wurde vor allem geistige Nahrung gereicht: Gefeiert wurde mit einer Wissenschaftsveranstaltung, dem gemeinsam mit dem Tagesspiegel veranstalteten „Technology Innovation Science Match“. Dabei stellten 24 internationale Wissenschaftler ihre aktuellen Forschungsprojekte und Ergebnisse vor.

Im Zentrum stand dabei die Erfassung, Übertragung und Verarbeitung von Daten. Und so war auch die digitale Infrastruktur ein großes Thema. Schließlich entstand am HHI schon 1974 die Vision eines universellen Glasfasernetzes, sagte Martin Schell, einer der beiden Institutsleiter. Inzwischen reichen die weltweit verlegten Kabel zusammen 100 Mal um den Globus. Doch ihre Verteilung ist extrem unterschiedlich und könnte ausgerechnet beim theoretischen Vorreiter Deutschland in der Praxis deutlich höher sein. In Ländern wie Japan werden inzwischen für die Bürger Anschlüsse mit Geschwindigkeiten von einem Gigabit pro Sekunde verlegt. Er hoffe, dass es in zehn Jahren hierzulande auch so weit sei, sagte Schell in einem Seitenhieb auf die kommende Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag das Ziel von Gigabitnetzen bis 2025 festgeschrieben hat.

Gigabitanschlüsse sind 2025 schon zu wenig

Dabei ist die Frage, ob das wirklich ausreicht. „Der Datenverkehr wächst jedes Jahr durchschnittlich um 60 Prozent“, sagt Peter Winzer, Direktor bei den Nokia Bell Labs in den USA. Allerdings lege die Kapazität der Übertragungsnetze nur um 20 Prozent zu. In seinem Vortrag erklärte Winzer die physikalische Grenzen von Glasfasern, wie das sogenannte „Shannon Limit“. Und er macht klar, dass durch das exponentielle Wachstum der Daten auch die Kapazität der Glasfasern schneller, als man denkt, erreicht sein könnte.

Hält das Wachstum der Datenmengen wie in den vergangenen Jahren an, würde das benötigte Volumen bis 2025 etwa um den Faktor 30 zulegen, rechnet Winzer vor. Das bedeutet, wer heute mit seinem Anschluss 50 Mbit pro Sekunde verbraucht – was dem eigentlich von der Regierung für 2018 als Standard beim Breitbandausbau ausgegebenen Ziel entspricht - der benötigt 2025 schon 1,5 Gigabit. Also deutlich mehr als das angepeilte Ziel. Doch entscheidender noch als die Hausanschlüsse sind die Hauptkabel zwischen Städten und Ländern. Auch da befürchten Unternehmen wie Google schon Engpässe und legen daher sogar eigene Unterseekabel um die eigenen Datencenter zu verbinden. „Wir müssen den Lastesel des Internets füttern“, sagt Winzer, der selbst an neuen Technologien für Glasfaser forscht.

Ein Emmy für den Videostandard

Ein anderer Weg ist eine bessere Kompression der Daten. Zahlreiche Wissenschaftler zeigten, wie man Daten verkleinert oder mehr Informationen extrahieren kann, ohne dass die Datenmenge steigt. So befasst sich Yonina Eldar vom israelischen Institut Technion mit der Umwandlung von analogen in digitale Signale und demonstrierte ein neuartiges Ultraschallgerät: Statt der großen Kästen, die bisher durch Arztpraxen gerollt werden, passt es in die Hand und funkt auf ein Tablet. Die Mathematikerin Gitta Kutyniok präsentierte ihre Algorithmen, um auch aus komprimierten Bilddaten mehr Details wie Kanten auszulesen.

Und natürlich war auch die Videotechnologie ein großes Thema. Erst im November haben HHI-Leiter Wiegand und seine Partner sogar in Hollywood einen Emmy für ihr High Efficency Video Coding (HEVC) erhalten. „HEVC ist derzeit der beste Standard“, sagt Jens-Rainer Ohm von der RWTH Aachen. Derzeit läuft die Entwicklung eines Nachfolgers, die möglichst bis 2020 abgeschlossen sein soll.

Doch das HHI arbeitet auch an neuer 3D-Technik, um Schauspieler von allen Seiten aufzunehmen. Damit entstehen begehbare Filme. Der optische Effekt ist beeindruckend, die Menge der dafür nötigen Daten allerdings auch.

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