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Wirtschaft: Freiwillige Samariter

Am 1. Juli wurde der Zivildienst abgeschafft. Seitdem übernehmen die „Bufdis“ die Hilfsjobs in der Pflege.

Lange galten sie als „Drückeberger“ oder Vaterlandsverräter. Doch dann wurden sie als freundliche Helfer, Samariter und unersetzliche Sozialarbeiter geschätzt. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht endete am 1. Juli auch der Zivildienst. Am Donnerstag ging diese Ära endgültig zu Ende. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) verabschiedete die letzten Dienstleistenden. 2010 hatten immerhin noch rund 70 000 junge Männer ihren Zivildienst absolviert.

Der Zivildienst habe wesentlich dazu beigetragen, dass es eine „große Bereitschaft in unsere Gesellschaft gibt, sich zu engagieren“, lobte die Ministerin. Auch die kirchlichen Wohlfahrtsverbände zogen eine positive Bilanz: In den vergangenen 50 Jahren hätten die Zivis mit ihrem Einsatz „einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer solidarischen Gesellschaft geleistet“, sagte Caritas-Präsident Peter Neher. Seit April 1961 waren laut Familienministerium insgesamt über 2,7 Millionen „Zivis“ in rund 37 000 sozialen und gemeinnützigen Einrichtungen aktiv. Davon leisteten rund eine Million junger Männer im evangelischen und mehr als 385 000 im katholischen Bereich ihren Wehrersatzdienst.

„Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ Dieses Recht auf Kriegsdienstverweigerung (KDV) war bereits 1949 im Grundgesetz verankert worden – lange bevor die Wehrpflicht 1956 eingeführt wurde und lange bevor 1960 das Gesetz über den zivilen Ersatzdienst entstand. Am 10. April 1961 traten dann die ersten 340 anerkannten Kriegsdienstverweigerer an verschiedenen Orten der Bundesrepublik ihren Dienst an – unter heftigem Gegenwind, zumindest in den ersten Jahrzehnten. Schließlich gab es noch bis in die 80er Jahre mündliche Gewissensprüfungen, in denen Fragen beantwortet werden mussten wie „Stell Dir vor, Deine Freundin wird im Park überfallen, und Du hast eine Waffe dabei...“.

Die Bilanz des Zivildienstes liest sich zwiespältig: Einerseits hat er die Einrichtung ambulanter Hilfs- und Pflegedienste gefördert und Behinderten und Pflegebedürftigen mehr Eigenständigkeit ermöglicht. Junge Männer wurden mit Aufgaben betraut, die traditionell von Frauen wahrgenommen wurden – im Rettungsdienst, in der Altenbetreuung, der häuslichen Pflege, im Krankendienst, in den Fahrdiensten oder bei Essen auf Rädern.

Die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer, die inzwischen ihre Arbeit eingestellt hat, hob dagegen immer wieder auch die Kehrseite hervor: Der Dienst habe ehrenamtliches Engagement abgewürgt und Sozialberufe verdrängt. Immer wieder wiesen ihre Vertreter den Glauben an die Unverzichtbarkeit der Zivis zurück: Das Sozialwesen könne nicht zusammenbrechen, wenn die Zivis ausbleiben, sie bildeten nur ein bis zwei Prozent der Mitarbeiter.

Seit dem Ende des Zivildienstes müssen Wohlfahrtsverbände, Altenheime und Sozialstationen umdenken: Nach holprigem Start hat sich der neue Bundesfreiwilligendienst (BFD) neben den weiter bestehenden Freiwilligen Jahren offenbar ganz gut etabliert. Seit dem Start des BFD am 1. Juli haben sich mehr als 25 000 Freiwillige gemeldet.

Die Entwicklung des neuen Dienstes mache Mut, dass der Systemwechsel vom Pflicht- zum Freiwilligendienst gelinge, erklärte Caritaspräsident Neher. So sei es der Caritas bundesweit gelungen, 3500 Bundesfreiwilligendienstler (Bufdis) zu gewinnen, fast so viele, wie vor der Aussetzung der Wehrpflicht als Zivildienstleistende in Caritaseinrichtungen tätig waren. Auch Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier bescheinigte dem neuen Bundesfreiwilligendienst einen „relativ positiven“ Start. Inzwischen hätten 3660 Bufdis ihre Verträge mit evangelisch-diakonischen Trägern abgeschlossen. Damit sei die Zielgröße für 2011 sogar überschritten. Christoph Arens /KNA

Christoph Arens, KNA

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