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Leckerer Snack: Matjes enthält viel Fett und gesunde Fettsäuren.

© mauritius images / Westend61 / Frank Muckenheim

Freude an der Nordsee, Kummer an der Ostsee: Der neue Matjes ist da

Der Hering gehört zu den Lieblingsfischen der Deutschen. Doch die meisten Tiere kommen aus Holland, die Deutschen haben das Nachsehen.

Dass für Fische Willkommensfeste veranstaltet werden, kommt eher selten vor. Doch beim Matjes ist das so. In Emden singen 40 Chöre Shanties für den jungfräulichen Fisch, auch in Hamburg, Bremen, Duisburg und Glücksstadt gibt es Fischfeste.

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Die größte Party steigt jedoch in Scheveningen, dem Hafen von Den Haag. Dort wird jedes Jahr das erste Fass mit dem „Hollandse Nieuwe“, dem neuen Holländischen Hering, für einen guten Zweck versteigert.

Die Auktion läutet traditionell den Beginn des neuen Heringsjahrs ein. Seit Mittwoch gibt es den neuen Matjes nicht nur in Holland, sondern auch in Deutschland.

Frischer Fang: Die meisten Heringe kommen aus der Nordsee.
Frischer Fang: Die meisten Heringe kommen aus der Nordsee.

© mauritius images / Arctic-Images

Für die Holländer ist der Hering ein ganz besonderer Fisch. Das einstige Arme-Leute-Essen war eine der Säulen für den wirtschaftlichen Aufstieg der Niederländer im 17. Jahrhundert, kein Wunder, dass der Hering heute noch in Ehren gehalten wird. Das gilt besonders für den Matjes, die Luxusklasse unter den Heringen.

Von den 350.000 Tonnen Heringen, die Holländer im Jahr fangen, werden nur 25.000 Tonnen zum neuen Holländischen Hering verarbeitet. Etwas weniger als die Hälfte bleibt in den Niederlanden, die andere Hälfte wird nach Deutschland und Belgien exportiert. Selbst in China wird inzwischen Matjes verspeist.

Was ist Matjes?

Der Kult hat einen Grund: Verarbeitet werden nur jungfräuliche Fische, der Name „Matjes“ kommt vom holländischen „Maagdenharing“, was frei übersetzt „Jungfrauenhering“ bedeutet. Die Tiere dürfen noch keine Geschlechtsorgane gebildet haben, nur dann hat das Fleisch den hohen Fettgehalt von 16 bis 28 Prozent. Zum Vergleich: Lachs hat maximal 13 Prozent.

Jungfräulichkeit heißt aber nicht, dass es sich um Jungtiere handelt. Denn Heringe bilden ihre Geschlechtsorgane zurück. „Der Hering kann jedes Jahr wieder jungfräulich werden“, sagt Claus Ubl vom Deutschen Fischerei-Verband. Die Matjes-Fische werden im Mai, Juni und Juli gefangen und nach dem Fang ausgenommen, nur die Bauchspeicheldrüse bleibt. Deren Enzyme lassen das frische Fleisch reifen. Die Heringe werden anschließend in Salzlake eingelegt.

Woher kommt der Fisch?

Während die Holländer ihren Fisch feiern, haben die Ostseefischer in Mecklenburg-Vorpommern keinen Grund zur Freude. Denn in der westlichen Ostsee ist der Heringsfang weitgehend verboten. Weil der Bestand bedroht ist, dürfen in diesem Jahr nur noch 435 Tonnen Hering aus dem Meer geholt werden. So haben es die EU-Agrarminister im vergangenen Jahr beschlossen.

Vor fünf Jahren waren es noch 15.700 Tonnen, zu DDR-Zeiten das Dreifache. Zum Vergleich: In der Nordsee dürfen Deutsche gut 41.000 Tonnen fangen, die holländische Quote liegt sogar bei gut 76.000 Tonnen.

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Warum in der Ostsee kaum gefischt werden darf

Dass die Ostseefischer das Nachsehen haben, liegt an einer Besonderheit des Herings. Im Sommer und Herbst leben die Fische in der Nordsee – im Kattegat und Skagerrak, im Winter sammeln sie sich im Öresund zwischen Dänemark und Schweden. Von dort aus schwimmen sie in die westliche Ostsee zum Laichen. Der Greifswalder Bodden ist eine der Kinderstuben.

Das Problem: Weil die Ostsee wärmer wird, ziehen die Heringe ihre Reise vor, zudem reifen die Eier schneller. Doch die geschlüpften Jungfische finden keine Nahrung. Sie brauchen Zooplankton. Das entsteht jedoch lichtgesteuert und ist noch nicht da, wenn die Kleinen es brauchen. „Die Larven verhungern, die Zahl erwachsener Heringe geht von Jahr zu Jahr zurück“, warnt das Thünen-Institut für Osteefischerei.

Fischer hören auf

Die Leidtragenden sind nicht nur Robben und Schweinswale, die sich von den Ostseeheringen ernähren, sondern auch die Ostseefischer. Ihnen ist nicht nur der Heringsfang praktisch untersagt, sie dürfen auch ihren zweiten Brotfisch, den Dorsch, nicht mehr fangen. Von 1200 Schiffen nach dem Mauerfall sind nur noch 200 übrig.

Im März stellte der einzige industrielle Erstverarbeiter von frischem Hering, die Euro Baltic Fischverarbeitungs GmbH in Sassnitz auf Rügen, die Verarbeitung dieser Tiere ein. Die Fabrik kann 50.000 Tonnen im Jahr verarbeiten, schon 2021 hatten sie aber nur 29.000 Tonnen bekommen.

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Den Fischern in der Ostsee bleiben jetzt noch Plattfische wie die Scholle und Sprotten, weiß Claus Ubl. Aber auch an der Nordsee ist der Fang von Hering Sache der Hochseefischer, die Küstenfischer verlegen sich mehr auf Krabben. Oder sie säen und ernten Muscheln, die Muschelfischer nennt man auch die „Bauern des Meeres“.

Erholt sich der Bestand wieder?

Wissenschaftler machen Hoffnung, dass sich das Blatt in Zukunft wenden könnte. Eine Erholung der Heringsbestände in der westlichen Ostsee sei innerhalb von fünf bis sechs Jahren möglich, meint das Thünen-Institut. Wenn die Fangmengen gering blieben, sei eine nachhaltige Nutzung dann wieder vorstellbar.

Ein kalter Winter könnte die Erholung beschleunigen. Doch danach sieht es leider nicht aus. Der Klimawandel sorgt eher für steigenden Temperaturen und einen Frühstart der Heringe.

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