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Wirtschaft: Frisch bis in alle Ewigkeit

Eine US-Firma bietet Reichen die Lagerung von Stammzellen an – als Vorsorge für spätere Krankheiten

Wenn Sie gern Vorsorge für schlechte Zeiten treffen, denken Sie an Ihre Blutstammzellen! Das ist kein Witz. Bestimmte Formen von Leukämie und Lymphdrüsenkrebs lassen sich nur durch Stammzellentherapie heilen. Und daraus will das kalifornische Unternehmen Neostem Profit schlagen. Wohlhabende Menschen sollen 5000 Dollar (4089 Euro) für die Lagerung ihrer Stammzellen hinblättern – und so für den Fall vorsorgen, dass sie später krank werden könnten. Erst kürzlich hat Neostem seine erste Sammelstelle in Los Angeles eröffnet. In den kommenden drei Jahren sollen 60 weitere Stellen in den USA folgen.

Bei Stammzellen handelt es sich um undifferenzierte Zellen, aus denen sich verschiedene Gewebe des Körpers entwickeln können. Sie werden aus Embryonen und aus dem Blut oder Knochenmark von Erwachsenen gewonnen. Bei der Behandlung von Lymphdrüsenkrebs entnehmen die Ärzte dem Patienten vor der Chemotherapie Stammzellen aus dem Knochenmark oder Blut. Nach der Chemotherapie werden die Stammzellen wieder in den Körper des Patienten eingeführt, um das Wachstum neuer, gesunder Blutzellen anzuregen. Bei Leukämie erhalten die Kranken hingegen die Stammzellen eines geeigneten Spenders.

Verschiedene Studien wecken die Hoffnung, dass sich mit der Stammzellentherapie eines Tages jede Krankheit behandeln lässt – angefangen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu Rückenmarksverletzungen. Die Stammzellenforschung „hat das Potenzial, die Medizin zu revolutionieren und die Lebensdauer und -qualität zu verbessern“, heißt es bei den National Institutes of Health (NIH). Neostem setzt nun darauf, dass wohlhabende Kunden bereit sind, Geld für die Lagerung ihrer gesunden Blutstammzellen zu zahlen und damit für den Fall vorzusorgen, dass sie krank werden oder verunglücken.

Die Unternehmensgründer, ein pensionierter Professor und zwei Ärzte, schätzen das Marktpotenzial von Zellbanken auf mehrere Milliarden Dollar. „Eine für uns besonders interessante Zielgruppe sind Menschen, die schon einen Herzinfarkt hatten und befürchten müssen, einen weiteren zu erleiden“, sagt der Vorstandschef von Neostem, Denis Rodgerson. Denn Wissenschaftler erforschen, ob Stammzellen das Wachstum von gesundem Herzmuskelgewebe fördern können.

Auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gibt es kaum Einwände gegen die Stammzellen-Lagerung. Eine Transplantation ist billiger, wenn sie mit körpereigenen Zellen des Patienten statt mit fremden Spender-Zellen durchgeführt wird. Außerdem hat die Lagerung von Blut-Stammzellen nichts mit den umstrittenen embryonalen Stammzellen zu tun. Doch warnen manche Wissenschaftler davor, Geld für die Stammzellenlagerung zu verschleudern. „Darüber wird in der Branche eher aus Spaß diskutiert“, sagt der Co-Direktor der neuen Stammzellen-Forschungseinrichtung Harvard Stem Cell Institute, David Scadden. Es werde mindestens ein bis zwei Jahre dauern, bis zuverlässige Studien Auskunft darüber geben könnten, ob mit Stammzellen Herzmuskelgewebe repariert werden kann. Die Stammzellen gesunder Menschen zu lagern, sei zum jetzigen Zeitpunkt „verfrüht“, sagt Stephen J. Forman, der den Bereich Blut-Zellen- und Knochmark-Transplantation in einem kalifornischen Krankenhaus leitet. Die Forschung auf dem Gebiet der regenerativen Medizin sei noch nicht weit genug vorangeschritten.

Neostem nimmt derartige Kritik gelassen. Es gebe genug Zeit, die Skeptiker vom Gegenteil zu überzeugen, sagt der Firmenchef Rodgerson, pensionierter Pathologie- und Labormedizinprofessor von der University of California in Los Angeles. Das Unternehmen mit seinen acht Angestellten hat bisher 500000 Dollar Kapital zusammenbekommen.

Wie arbeitet Neostem? Kunden, die bereit sind, einmalig 4700 Dollar plus einer Jahresgebühr für die Lagerung von 300 Dollar zu zahlen, durchlaufen ein ähnliches Verfahren wie beim Blutspenden, nur dass es rund drei Stunden länger dauert. Dabei wird ihnen aus den Armvenen Blut entnommen. Durch eine Plastikröhre fließt das Blut in eine Maschine, die die Stammzellen herausfiltert. Das meiste Blut erhält der Kunde wieder zurück. Bisher haben rund 20 Menschen die Prozedur durchlaufen, darunter Rodgerson und einige der Firmeneigner selbst – aber auch ganz normale Kunden.

Einer von ihnen war der Geschäftsführer des japanischen Unternehmens Sojitz Corp of America, das unter anderem in Technologien investiert. Kenji Mizuguchi ist nicht nur aus beruflichen Gründen an der Stammzellen-Lagerung interessiert. Wenige Wochen, nachdem er im vergangenen Jahr den New Yorker Marathon mitgelaufen war, erfuhr der 45-Jährige, dass er an leichtem Vorhofflimmern leidet. Dabei handelt es sich um eine Herz-Rythmusstörung. Mizuguchi erfuhr, dass Herzerkrankungen in der Zukunft vielleicht mit Stammzellentransplantationen behandelt werden könnten. Während sein Arbeitgeber gegen eine Beteiligung an Neostem war, investierte Mizuguchi privat 20000 Dollar in das Unternehmen. Außerdem entschloss er sich zur Lagerung seiner Stammzellen. Die entnommenen Zellen werden mit Konservierungsmittel in Plastiktaschen verpackt, in Röhren gesteckt und in flüssigem Stickstoff gefroren.

Im ersten Jahr will Neostem 1500 Kunden gewinnen. Um das Ziel zu erreichen, bietet die Firma Unternehmen die Stammzellen-Aufbewahrung als Sonderleistung für ihre Top-Führungskräfte an. Neben teuren Gesundheits-Leistungen wie Augen-Laseroperationen könne die Zellenlagerung für Spitzenkräfte ein Benefit sein, wirbt Neostem. Einfach ist das Geschäft nicht. „Ich bezweifele nicht, dass die Stammzellen von Erwachsenen die Medizin revolutionieren werden“, sagt der Geschäftsmann und Arzt John L. Schwartz, den Neostem gerne als Investor hätte. „Aber ich frage mich, wie man Leute überzeugen soll, eine bedeutende Summe dafür auszugeben.“ Schwartz hat sich noch nicht entschieden, ob er sich an Neostem beteiligt. Seine Stammzellen allerdings will er dort lagern lassen.

Rhonda L. R, le

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