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Wirtschaft: Fünf Sterne für den Kredit

Was Online-Plattformen taugen, die Finanzprodukte und Berater bewerten.

Für Kunden ist das Angebot an Finanzprodukten kaum zu überblicken. Und auch das Vertrauen in die Berater wurde von der Finanzkrise massiv erschüttert. So suchen viele nach Entscheidungshilfen: Welchen Fonds, welche Versicherung oder welches Zinspapier soll ich kaufen? Welcher Berater kümmert sich tatsächlich um meine Bedürfnisse? Bei Elektrogeräten, Büchern, Reisen oder Bekleidung vertrauen Verbraucher vor der Kaufentscheidung immer öfter auf die Urteile anderer Verbraucher in Bewertungsportalen im Netz. Denn es flößt Vertrauen ein, wenn ein Flachbildschirm oder ein Hotel fünf goldene Sterne von anderen Kunden erhalten hat. Umgekehrt neigen Käufer bei negativen Bewertungen zur Vorsicht.

Inzwischen gibt es solche Portale auch für die Finanzbranche: Das Berliner Unternehmen Bankingcheck etwa lässt Kunden Baufinanzierungen, Girokonten, Festgelder oder Autokredite in gut und schlecht sortieren. Whofinance oder Censum wiederum sammeln Bewertungen über Bank- und Finanzberater. Die Bewertungssysteme sind dabei höchst unterschiedlich. So lässt Censum in die Rankings nicht nur Bewertungen der Kunden, sondern auch ein eigenes Scoring einfließen, das Ausbildung, Qualifizierung und Kundenservice des Beraters bewertet. Die Urteile der Kunden sind erst nach erfolgter Beratung über einen zugesandten Link möglich. Für Berlin und Umgebung vermerkt Censum 32 Berater, die pro vermitteltem Kontakt 79 Euro an Centrum zahlen und damit das Portal finanzieren.

Mit Ranglisten arbeitet auch das im April 2011 gestartete Portal Bankingcheck, das nicht Berater, sondern Finanzprodukte auf den Prüfstand der Kunden stellen lässt. Neben reinen Produkt-Rankings, die sich an den Konditionen orientieren, findet sich auch eine Rangliste, die die Produkte nach den besten aller 6000 Bewertungen von 500 Produkten bei 150 Banken auflistet, dabei jedoch die Produktkategorien mischt: Derzeit thront auf Platz 1 ein Kredit, auf Platz 2 ein Tagesgeld-Konto. Das Portal finanziere sich mithilfe der Anbieter, die günstige Bewertungen in ihre Homepages integrieren können, so das Unternehmen. Problematisch ist jedoch: Bei Bankingcheck kann jeder anonym Noten vergeben. Nötig ist weder ein zusätzlicher Kommentar noch eine Registrierung. „Mir wurde unrechtmäßig ein hoher Betrag abgebucht“, jammert etwa ein anonymer Kunde und vergibt 3 von 6 Punkten. „Heute noch 2 Prozent gesichert, super“, jubelt ein anderer – anonymer – Bankkunde am 9. Januar über das Tagesgeldkonto von Cortal Consors, vergibt die volle Punktzahl. Allerdings: Aktuell zahlt die Bank nur noch 1,85 Prozent. Da Finanzprodukte nicht statisch sind, sondern ihre Konditionen rasch verändern, sind Urteile für den Kunden damit rasch nutzlos. Bei Noten zu Kreditprodukten wiederum bleibt die Bonität unberücksichtigt, die aber für den Zinssatz und den Kunden entscheidend ist.

Bei Whofinance kann der Kunde zwar anonym bewerten, muss dem Portal aber seinen vollständigen Namen mitteilen. Man prüfe jede Bewertung, bei Zweifeln an der Echtheit auch die Identität des Absenders, sagt Geschäftsführer Mustafa Behan. Bezahlt wird Whofinance von den registrierten Beratern, die neben einer monatlichen Grundgebühr von 19,99 Euro zusätzlich eine an den Klickzahlen orientierte Summe überweisen müssen, maximal 99 Euro im Monat. Der Kunde wiederum kann jeden Berater selbst bewerten und sich ein Ranking mit den bestbenoteten Kandidaten filtern lassen. Für Berlin etwa spuckt die Suchmaschine „2568 geprüfte Bewertungen“ aus, die je zur Hälfte angestellte Bankberater und freie Berater benoten.

Allerdings: Eine Baufinanzierung ist keine Waschmaschine. Christian Pauli, Bankexperte bei der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), rät bei den Bewertungsportalen grundsätzlich „zu höchster Vorsicht“. Gerade bei Finanzprodukten und Beratungs-Dienstleistungen komme es besonders auf die individuelle Situation eines Kunden an. Ein Produkt, das von Kunde A für sinnvoll befunden worden sei, könne aus der Sicht von Kunde B durchaus schlechte Noten erhalten.

Zudem warnen Online-Experten und Verbraucherschützer davor, Bewertungsportalen unbedingtes Vertrauen zu schenken. Denn inzwischen haben sich Heerscharen von Agenturen formiert, die Herstellern oder Dienstleistern hochprofessionell manipulierte Bewertungen anbieten. Dass es hier letztlich um bare Münze geht, zeigen etwa Studien der Cornell-Universität, die klar belegt haben, dass alleine ein um einen Punkt höherer Bewertungsdurchschnitt eines Produkts auf viel besuchten Portalen zu erheblich höheren Umsätzen führt bzw. Preiserhöhungen von gut elf Prozent ermöglicht. Je nach Umfrage und Produkt lassen sich Studien zufolge zwischen 33 und 85 Prozent der Kunden von Bewertungen beim Kauf leiten.

Die Bewertungsportale haben daher alle Hände voll zu tun, gefälschte Kommentare auszusortieren, zum Teil hat sich zwischen ihnen und den Fälschern ein regelrechter Rüstungswettlauf entwickelt. Holidaycheck etwa, eine Grande Dame der Bewertungsportale mit drei Millionen Bewertungen und bis zu 4000 neuen Bewertungen pro Tag, belegt dies: Das Unternehmen hat Prüf-Filter verfeinert, beschäftigt 60 Mitarbeiter im Bewertungscheck, verklagt Fälscher und vergibt notfalls auch den Stempel „Achtung Manipulation“.

Whofinance etwa habe bisher rund 40 000 Kommentare zu rund 3000 Beratern erhalten, doch nur 32 000 seien online erschienen, berichtet Geschäftsführer Mustafa Behan. Man prüfe die Bewertungen nach vielen Parametern, sagt auch Anika Böttcher, Marketing-Managerin von Bankingcheck. Das Gros der Bewertungen sei positiv, Fälschungen seien aber nie auszuschließen.

Verbraucherschützer Pauli sieht den Vorteil der Portale daher auch weniger in Lobeshymnen, denn in ihrer Wächterfunktion. Wer etwa Zweifel an einem Berater oder einem Produkt hege, könne nach Hinweisen anderer Nutzer suchen und damit herausfinden, ob Warnungen oder Ängste plausibel seien oder ob ein Kunde schon einmal Negatives erlebt habe. Wer sich auf die Urteile von anderen verlasse, müsse wissen: Sie können eine Hilfe sein, so Pauli, manchmal aber auch Ausdruck einer Strategie, einer Wut oder gar eines Freundschaftsdiensts.

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